Warken
Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rin Nina Warken. Bild: BMG/Jan Pauls

Warken und die Masken-Affäre

Nina Warken (CDU), als Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rin erst seit Mai 2025 im Amt, wird heimge­sucht von den Taten ihres Amtsvor­gän­gers und Partei­kol­le­gen Jens Spahn. Ihr Schick­sal war dabei jedoch keines­falls von vornher­ein besie­gelt: Schließ­lich war es ihre Entschei­dung, ob sie sich von der Vergan­gen­heit einho­len lässt oder einen neuen Kurs für das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium einschlägt und der Sache entkommt. Eine Flucht scheint ihr nun – selbst­ver­schul­det – nicht geglückt zu sein.

Sie war es nämlich, die den Sudhof-Bericht zur Masken-Affäre Spahns lange – zu lange, wie viele bekla­gen – unter Verschluss gehal­ten und ihn am Ende nur geschwärzt rausge­rückt hat. Drei Seiten davon waren durch die Schwär­zung vollstän­dig nicht einseh­bar; drei Seiten mit belas­ten­den Infor­ma­tio­nen für ihren CDU-Kolle­gen.

Wie WDR, NDR und SZ zuerst berich­te­ten, belegen die mittler­weile veröf­fent­li­chen Seiten, dass Spahn direkt in die Bestel­lung von Masken­lie­fe­run­gen während der Corona­pan­de­mie einge­bun­den war, insbe­son­dere beim geheim gehal­te­nen Vergleich mit der Firma Emix. Dem Schwei­zer Unter­neh­men wurden – trotz Quali­täts­män­gel der gelie­fer­ten Masken – großzü­gige Nachlie­fer­rechte und Zahlun­gen ermög­licht. „Stück­preise von über 7 Euro“ seien „schwer nachvoll­zie­bar“, heißt es im Bericht.

Mittler­weile spricht auch der Bundes­rech­nungs­hof von einer „massi­ven Überschaf­fung“ von Schutz­aus­rüs­tung und rügt Spahns Entschei­dun­gen der Corona-Jahre. Insofern wird das Verhal­ten der jetzi­gen Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rin immer unver­ständ­li­cher.

Im ZDF-Morgen­ma­ga­zin äußerte sich Warken jüngst zu den zuvor geschwärz­ten Seiten des Berichts. Sie selbst beteu­ert, trotz der neuen Erkennt­nisse weiter­hin, dass sie bei der Schwär­zung keine falschen Absich­ten hatte: „Wir haben das nicht getan, um Jens Spahn zu schüt­zen.“ Sie habe Persön­lich­keits­rechte schüt­zen wollen und musste Rücksicht auf laufende Gerichts­ver­fah­ren nehmen. Kritik gab es prompt von Morgen­ma­ga­zin-Modera­tion Eva-Maria Lemke, die fragte: „Welche Persön­lich­keits­rechte sollten da geschützt werden, vielleicht doch eher die von Jens Spahn?“

Lücken­lose Aufklä­rung

Kritik, die auch aus den Reihen der Opposi­tion zu hören ist. Janosch Dahmer, Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ter und Gesund­heits­experte der Grünen, sagte im Zuge der Enthül­lun­gen, Warken habe mit den Schwär­zun­gen die Verant­wor­tung von Spahn und weite­ren Mitglie­dern der Union verschlei­ern wollen. Er und weitere Politi­ker der Opposi­tion fordern einen Unter­su­chungs­aus­schuss zur lücken­lo­sen Aufklä­rung der Angele­gen­heit.

Einer solchen stellt sich Warken aber bislang in den Weg. Um ihren Partei­kol­le­gen zu schüt­zen, zahlt sie mit einer kostba­ren Währung: ihrer eigenen Glaub­wür­dig­keit. Wenn eine Minis­te­rin zentrale Infor­ma­tio­nen unter­schlägt, die parla­men­ta­ri­sche Kontrolle behin­dert und damit den Eindruck erweckt, frühere Amtsin­ha­ber politisch zu schüt­zen, wird das gesamte Ressort des Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­ums in seiner Trans­pa­renz und Integri­tät infrage gestellt. Ein Preis, der zu hoch ist, angesichts der bevor­ste­hen­den Verän­de­run­gen im Gesund­heits­we­sen.

Bei ihrem Amtsan­tritt kündigte Warken unter anderem eine große Pflege­re­form an. Eine entspre­chende Arbeits­gruppe hat bereits ihre Arbeit aufge­nom­men. Außer­dem möchte sie die Kompe­ten­zen von Pflege­fach­kräf­ten erwei­tern und eine nachhal­tige Finan­zie­rung der Pflege­ver­si­che­rung aufbauen. Sie präsen­tierte sich als Hoffnungs­trä­ge­rin und Refor­me­rin. „Alles soll dabei auf den Tisch“, sagte sie diesbe­züg­lich in ihrer Rede vom 15. Mai vor dem Deutschen Bundes­tag. Alles – nur solange es nicht unbequem wird?

„Alles soll auf den Tisch“

Zur Aufgabe der neuen Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rin hätte es gehört, offen zu den Fehlern ihres Vorgän­gers zu stehen und Besse­rung zu geloben. Nur so hätte sie sich die nötige Glaub­wür­dig­keit erarbei­ten können – bei der Bevöl­ke­rung, aber vor allem bei den Beschäf­tig­ten im Gesund­heits­we­sen. Doch wenn sie schon an der Aufar­bei­tung der Vergan­gen­heit schei­tert, wie glaub­wür­dig kann dann der Anspruch sein, künftige Heraus­for­de­run­gen ehrlich, verant­wor­tungs­voll und souve­rän anzuge­hen? Wer Vertu­schung statt Aufklä­rung wählt, verspielt Führungs­stärke an der Stelle, wo sie am dringends­ten gebraucht wird.

Nicht nur lässt ihr aktuel­les Verhal­ten Zweifel an ihren Absich­ten zu, es beschä­digt auch die eine Sache, um die es in all den geplan­ten Neuerun­gen zentral gehen wird: Vertrauen. Das Vertrauen darin, dass die Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rin im Sinne der Betrof­fe­nen handelt; das Vertrauen, dass sie zu eigenen Fehlern steht und diese zum Wohl aller korri­giert; und das Vertrauen, eine echte Verbes­se­rung für dieje­ni­gen bewir­ken zu wollen, die jeden Tag 110 Prozent geben und sich für die Gesund­heit ihrer Mitmen­schen einset­zen. Warkens Einstieg als Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rin leidet unter zweifel­haf­ter Agenda – Zensur statt Trans­pa­renz, Partei­po­li­tik statt Reform­geist.