Das DUCAH in Berlin widmet sich voll und ganz einem Thema: der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft. Im Dezember 2020 waren über 18 Millionen Deutsche 65 Jahre oder älter. Natürlich sind nicht alle diese Menschen pflegebedürftig, aber der Trend ist eindeutig: Menschen leben immer länger und müssen oft auch länger im Alter versorgt werden.
Viele alte Leute hängen dabei sehr an ihrer vertrauten Umgebung und wollen auch den Lebensabend in der eigenen Wohnung verbringen. Leider bleibt dieser Wunsch oft unerfüllt. Denn immer weniger Familien haben die zeitlichen und finanziellen Ressourcen, eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung sicherzustellen.
Dieses Problem versucht das Berliner Digital Urban Center for Aging and Health (DUCAH) zu lösen. Die Initiative der Stiftung Internet und Gesellschaft versteht sich als menschenzentriertes Forschungszentrum mit dem Ziel, Pflegebedürftige, Pflegekräfte, Angehörige und Ärzte durch digitale Technologien zu unterstützen. Das Zentrum hat seine Arbeit im März 2021 aufgenommen, ein nachhaltiges Finanzierungskonzept wird derzeit ausgearbeitet.
DUCAH besteht neben mehreren Wissenschaftseinrichtungen aus Partnern der Gesundheits- und Sozialwirtschaft, Wohnungsbau, Tech-Unternehmen, Finanz- und Versicherungswirtschaft.
Patient im Mittelpunkt
Im Fokus der Forschung steht dabei die zielgruppengerechte Einführung von Technologien. „Wir setzen auf liebevolle Technikvermittlung an ältere Menschen,“ erklärt Annika Ulich, wissenschaftliche Koordinatorin des DUCAH, im Gespräch mit der Rechtsdepesche. Das Team setzt auf sogenannte Lernquartiere.
Dafür werden Partner vor Ort, wie zum Beispiel die Evangelische Stiftung Neuerkerode, eingebunden. Diese stellen Räume als Lernquartier zur Verfügung, in denen bereits Patienten leben. Die Vor-Ort-Entwicklung von digitalen Werkzeugen läuft so gemeinsam mit der Bewohnervertretung, den Angehörigen und den Pflegekräften.
Sehr oft werden aktuelle digitale Lösungen zwar für, aber nicht mit älteren Menschen entwickelt. Die Bereitschaft für neue Technologien ist laut Annika Ulich sehr wohl vorhanden, nur die Vermittlung ist oft nicht nutzerfreundlich. Ein Ansatz des DUCAH ist eine Concierge-Lösung für Einrichtungen: Vor Ort gibt es einen „Digitallotsen“, der Patienten und Pflegekräfte digitale Tools näher bringt und Unterstützung bei Problemen leistet.
So gibt es eine Begleitung in jeder Einrichtung, die den Patienten bei der sanften Gewöhnung an digitale Lösungen hilft und auch für das Gesundheitspersonal jederzeit Fragen beantworten kann.
Leichte Bedienbarkeit und Datensouveränität
Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig, Ziel soll es aber immer sein, älteren Menschen in ihren Fähigkeiten zu bestärken, ihren Alltag möglichst selbstständig zu bewältigen. Soziale Vereinsamung spielt zum Beispiel eine große Rolle im Alter, weil viele Menschen durch eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten nicht mehr in der Lage sind, Kontakte zu pflegen. Hier können vereinfachte Videotelefoniesysteme helfen.
Auch Smart TVs können genutzt werden, um beispielsweise Veranstaltungen in der Einrichtung rechtzeitig anzuzeigen und so die Bewohner zu animieren, mehr am sozialen Leben teilzunehmen. Aber nicht nur im sozialen Bereich helfen neue Technologien: Gerade bei der Sturzprävention können Umgebungssensoren und Wearables einen wertvollen Beitrag leisten, um älteren Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Wohnen zu ermöglichen.
Das DUCAH legt bei allen Ansätzen großen Wert auf die leichte Bedienbarkeit: Alle Systeme sollen sich ganz selbstverständlich in den Alltag der Pflegebedürftigen integrieren lassen, ohne diese zu überfordern oder einzuschüchtern. „Wir wollen nicht zu viel und nicht zu wenig intervenieren,“ fasst Annika Ulich den Ansatz zusammen. Die Datensouveränität der Patienten muss bei allen Prozessen selbstverständlich ebenfalls gewährleistet sein.
DUCAH: Automatisierte Sturzdokumentation
Auch die Pflegekräfte hat das DUCAH im Blick. Denn diese sollen durch den technischen Fortschritt dabei unterstützt werden, sich auf das Zwischenmenschliche zu konzentrieren. Eine Digitalisierung, die bestehende Prozesse einfach vom Papier auf das Tablet umstellt, ist dabei nicht hilfreich. Denn viele Pfleger und Pflegerinnen empfinden das Tablet am Patientenbett als unpraktisch und auch respektlos gegenüber dem Patienten.
Das DUCAH verfolgt Ansätze, die – zum Beispiel durch Wearables – die Dokumentation von Stürzen weitgehend automatisieren sollen. Dadurch würden die Verwaltungsaufgaben für Pflegende deutlich abnehmen und diese hätten mehr Zeit für die Patienten. Wie Annika Ulich es formuliert: „Die Technik soll nicht noch eine Extraaufgabe sein, sondern sich bestmöglich in den Pflegeprozess integrieren.“