Hitzewelle
Eine Kühlweste des Herstel­lers Inuteq Bild: Inuteq

Ob der Schutz vor einer Hitze­welle oder Hitze generell eine Rolle bei der Auswahl des Arbeit­ge­bers spielt? Ungewiss. Doch schon lange sind sogenannte Zusatz­leis­tun­gen – also in diesem Sinne Leistun­gen von Arbeit­ge­bern jenseits einer angemes­se­nen Bezah­lung – im Trend. Unter­neh­men locken in vielen Branchen mit dieser Art Zusatz­leis­tung.

Und vielleicht machen Pflege­kräfte die Wahl ihres Arbeit­ge­bers bald auch vom Hitze­schutz abhän­gig. Auszu­schlie­ßen ist das nicht, denn schon in der legen­dä­ren Next-Studie, die in zehn europäi­schen Ländern nach den Gründen des vorzei­ti­gen Ausstiegs aus dem Pflege­be­ruf fragte, war Hitze ein promi­nen­tes Thema: Bis zu 50 Prozent der befrag­ten Pflege­kräfte gab in den frühen 2000er Jahren an, unter den erschwer­ten Arbeits­be­din­gun­gen während der Hitze­pe­ri­oden zu leiden. Heute, da Tages­tem­pe­ra­tu­ren im Sommer immer häufi­ger weit über 30 Grad liegen, dürfte das Umfra­ge­er­geb­nis noch extre­mer ausfal­len.

Kühlwes­ten können unter Schutz­aus­rüs­tung getra­gen werden

Trotz­dem passiert in deutschen Pflege­hei­men – und auch in manchen Kranken­häu­sern – so gut wie nichts. Die Schweiz und die Nieder­lande sind dagegen einen Schritt voraus. In der Schweiz haben die ersten Kranken­häu­ser und Pflege­heime schon im Jahr 2019 Kühlwes­ten einge­setzt, damit waren sie gut vorbe­rei­tet auf die verschärf­ten Bedin­gun­gen in der Corona-Pande­mie durch Schutz­aus­rüs­tun­gen und Mundschutz.

Auch in Holland liegen, neben den üblichen Hitze­schutz­maß­nah­men, Kühlwes­ten und spezi­ell „Coolover-Westen“ im Trend. Die Westen können auch unter der PSA (Persön­li­chen Schutz­aus­rüs­tung) getra­gen werden, in den Nieder­lan­den sind sie in 70 Kranken­häu­sern und Pflege­hei­men im Einsatz, sagt Eric Pellis vom nieder­län­di­schen Kühlwes­ten-Unter­neh­mens Inuteq.

In Deutsch­land sind Kühlwes­ten aber nicht ganz unbekannt: Pflege­kräfte setzen sie gelegent­lich bei Patien­ten mit Parkin­son oder Multi­pler Sklerose ein, weil deren Symptome sich bei Hitze verschlim­mern. Dass Pflege­kräfte sie auch selbst tragen können, scheint aber noch kein weit verbrei­te­ter Gedanke.

Trotz Hitze­welle: Konzen­trier­tes Arbei­ten durch Kühlwes­ten

Aller­dings: Auch in Deutsch­land haben einige Einrich­tun­gen inzwi­schen Kühlwes­ten für ihre Pflege­kräfte einge­kauft – Einrich­tun­gen in München und Nürnberg etwa, wie Gabriele Renner von E.Cooline berich­tet. Die Namen der Einrich­tun­gen will die Geschäfts­füh­re­rin des Unter­neh­mens für Kühlklei­dung nicht nennen. Nur so viel: E.Cooline testet in enger Zusam­men­ar­beit mit Klini­ken in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz Kühl-Produkte unter Arbeits­be­din­gun­gen. Die Ergeb­nisse seien eindeu­tig, sagt sie: Mit Kühlwes­ten verbes­sere sich die Konzen­tra­tion und auch die Leistungs­fä­hig­keit bei der Arbeit deutlich.

Hitzewelle
Eine Kühlweste des Herstel­lers E.Cooline Bild: E.Cooline

Wie funktio­nie­ren Kühlwes­ten und Kühlshirts?

Kühlwes­ten basie­ren auf der Verduns­tungs­tech­no­lo­gie. Zur Aktivie­rung einer Weste wird nur eine geringe Menge an Wasser benötigt (circa 500 ml), um eine Kühlung von 8 Stunden bis zu 3 Tagen sicher­zu­stel­len. Das ist aber auch abhän­gig von der tatsäch­li­chen Tempe­ra­tur und der Luftfeuch­tig­keit. Dabei aktiviert sich die Weste einfach durch das Befül­len mit Wasser. Das muss dann gleich­mä­ßig verteilt und überschüs­si­ges Wasser und Luft heraus­ge­drückt werden. Der Kühlpro­zess beginnt unmit­tel­bar danach. Ein Herun­ter­küh­len von 5 bis zu 15 Grad Celsius unter die Umgebungs­tem­pe­ra­tur ist möglich. In jedem Fall gilt: Je niedri­ger die Luftfeuch­tig­keit und je größer der Luftstrom, desto höher ist der Kühlef­fekt.

Auch Kühlshirts werden mit Wasser vorbe­rei­tet: Den oberen Bereich des Shirts an Vorder- und Rückseite nass machen, überschüs­si­ges Wasser leicht ausdrü­cken, die Weste auf ein Handtuch legen und kurz einrol­len. Danach die Weste einige Sekun­den trock­nen lassen (das Oberma­te­rial trock­net sofort) und die Weste ist einsatz­be­reit. Die Kühlungs­in­ten­si­tät liegt bei bis zu 660 Watt über mehrere Stunden. Der Aktivie­rungs­vor­gang lässt sich jeder­zeit wieder­ho­len.

Die meisten Kühlwes­ten müssen vorher nicht gekühlt werden

Das Unter­neh­men Inuteq bietet außer­dem spezi­elle Coolover-Westen an. Sie wurden ursprüng­lich für Elite­ath­le­ten entwi­ckelt, die bei hohen Tempe­ra­tu­ren Höchst­leis­tun­gen erbrin­gen müssen. Die medizi­ni­sche Kühlweste kann auf 21 Grad herun­ter kühlen und hält für circa 3,5 Stunden. Anders als die anderen Kühlwes­ten muss diese vorher ins Eiswas­ser, ins Gefrier­fach oder den Kühlschrank gelegt werden, bis sie fest ist. Die Kühlshirts kosten etwa 60 Euro, es gibt aber auch Kühlwes­ten für 130 Euro aufwärts.

Neben Kühlwes­ten können Pflege­kräfte auch auf weitere Kühl-Funkti­ons­klei­dung und Zubehör zurück­grei­fen: Kühlende Kopfbe­de­ckun­gen und Halstü­cher und auch Pulsküh­ler können Erleich­te­rung in einen heißen Arbeits­tag bringen.