Vorsorgevolmacht
Beim Erstel­len von Vorsor­ge­voll­macht gibt es einige recht­li­che Fallstri­cke, die Missbrauch möglich machen. Bild: © Fortton | Dreamstime.com

#1: Der Unter­schied zwischen Vorsor­ge­voll­macht und Patien­ten­ver­fü­gung

Die Vorsor­ge­voll­macht ist gesetz­lich nicht klar definiert. Der Vorsor­ge­aspekt ergibt sich daraus, dass der Bevoll­mäch­tigte beauf­tragt wird, die Angele­gen­hei­ten des Vollmacht­ge­bers zu regeln, falls dieser aufgrund von Krank­heit, Unfall oder anderer Ursachen außer­stande ist, das selbst zu tun.

Die Aufga­ben­be­rei­che reichen von Postan­ge­le­gen­hei­ten und Behör­den­gänge, Wohnungs­an­ge­le­gen­hei­ten bis zur Vermö­gens- und Gesund­heits­sorge. Die beiden letzten Berei­che sind von zentra­ler Bedeu­tung. Hier liegt auch das größte Missbrauchs­po­ten­zial.

Eine Patien­ten­ver­fü­gung hinge­gen soll dann greifen, wenn der Patient sich nicht mehr selbst äußern kann. Hier werden für den letzten Lebens­ab­schnitt; meist für den Sterbe­pro­zess klare und detail­lierte Weisun­gen erteilt, was zu tun ist.

#2: Weitver­brei­tete Irrtü­mer über die Vorsor­ge­voll­macht

Fälsch­lich wird immer wieder angenom­men, dass nur die zuletzt erteilte Vollmacht wirksam ist. Eine Vollmacht bleibt jedoch so lange gültig, bis sie ausdrück­lich gegen­über dem Vollmacht­neh­mer wider­ru­fen wird. Oftmals ist sogar und gerade die letzte Vollmacht beson­ders fragwür­dig, wenn sie bei nachlas­sen­der ‑auch geisti­ger- Gesund­heit erstellt wurde.

Grund­sätz­lich muss die Vorsor­ge­voll­macht immer im Origi­nal vorge­legt werden – eine Kopie reicht nicht. Nur das gibt die Sicher­heit, dass die Vollmacht noch wirksam ist. Damit soll verhin­dert werden, dass der falsche Schein einer schon längst erlosche­nen Vollmacht durch eine Kopie verbrei­tet wird.

Viele gehen davon aus, eine Vollmacht müsse beim Notar errich­tet und beglau­bigt werden. Auch das ist falsch: Vorsor­ge­voll­mach­ten können „am Küchen­tisch“ erstellt und auch wider­ru­fen werden, solange sie sich nicht auf beurkun­dungs­pflich­tige Geschäfte bezie­hen. Sie sind somit formfrei.

Die Beglau­bi­gung einer Kopie etwa durch einen Notar oder sonstige Stellen, besagt nur dass zum Zeitpunkt der Beglau­bi­gung die Kopie mit dem Origi­nal überein­stimmt.

#3: Die Rechte und Pflich­ten des Bevoll­mäch­tig­ten

Was genau ein Vorsor­ge­be­voll­mäch­tig­ter zu tun hat, richtet sich nach dem sogenann­ten Innen­ver­hält­nis. Vorsor­ge­voll­mach­ten sind meist komplex und zählen detail­liert auf, wie der Bevoll­mäch­tigte die Vollmacht nutzen soll. Seit 2023 ist es nicht mehr dem Bevoll­mäch­tig­ten überlas­sen zu entschei­den, was „das Beste“ für den Vollmacht­ge­ber ist. Einzig der Wille des Vollmacht­ge­bers zählt und dieser muss ausge­führt werden.

Daneben steht das Außen­ver­hält­nis gegen­über Geschäfts­part­nern, Ärzten, Kranken­häu­sern, Banken, Behör­den und Privat­per­so­nen. Wenn also der Bevoll­mäch­tigte Geschäfte im Außen­ver­hält­nis tätigt, zu denen er im Innen­ver­hält­nis nicht beauf­tragt ist, oder die nicht dem Willen des Vollmacht­ge­bers entspre­chen, verstößt er gegen die Vollmacht.

Im Straf­rechts­jar­gon der Untreue (§ 266 StGB) heißt es dann: Er hat mit seinem recht­li­chen „Können“ nach Außen die Grenzen des recht­li­chen „Dürfen“ im Innen­ver­hält­nis überschrit­ten und sich dann womög­lich straf­bar gemacht.

Um dem vorzu­beu­gen, können zwei Bevoll­mäch­tigte einge­setzt und diese zur Abspra­che im Innen­ver­hält­nis verpflich­tet werden. Damit kontrol­lie­ren sich die Bevoll­mäch­tig­ten gegen­sei­tig und der maßgeb­li­che Auftrag im Innen­ver­hält­nis wird ständig überwacht (vgl. BGH Beschluss vom 29. März 2023 – XII ZB 368/19).

#4: Die Vermö­gens­sorge als zentra­les Element

Die Vermö­gens­sorge ist zentra­les Element der Vorsorge, denn fast alle Handlun­gen des tägli­chen Lebens bis zum Kranken­haus­auf­ent­halt, ziehen Zahlungs­pflich­ten nach sich.

Grund­sätz­lich ist mit der Vermö­gens­sorge auch der Zugriff auf die Bankkon­ten verbun­den. Auch hier richtet sich wieder die Pflicht des Vollmacht­neh­mers danach, was im Innen­ver­hält­nis also im Auftrag verein­bart wurde.

Viele Banken verlan­gen, obwohl ihnen eine Vorsor­ge­voll­macht vorge­legt wird, zusätz­lich die Ertei­lung einer separa­ten Konto­voll­macht. Regelun­gen, wozu diese Gelder verwandt werden dürfen, finden sich in diesen Vollmach­ten natür­lich nicht. Entspre­chend haben Gerichte immer wieder entschie­den, dass Banken die Vorsor­ge­voll­mach­ten anerken­nen müssen. Sie dürfen nicht auf die Ertei­lung von Konto­voll­mach­ten auf ihren vorfor­mu­lier­ten Vordru­cken bestehen.

Nicht jeder, der seinen Kindern eine Vorsor­ge­voll­macht erteilt hat, die ja erst mit Geschäfts­un­fä­hig­keit im Innen­ver­hält­nis greifen soll, will, dass sie ab sofort schon über die Konten verfü­gen können und erteilt auch eine Konto­voll­macht.

Dennoch kann es sich in Einzel­fäl­len zusätz­lich empfeh­len, eine direkt wirkende Konto­voll­macht zu ertei­len. Nämlich dann, wenn beispiels­weise Senio­ren – auf begrenzte Zeit – nicht selbst zur Bank gehen können und ihre Kinder um Erledi­gung der Bankge­schäfte bitten. Die Konto­voll­macht kann danach wider­ru­fen werden.

Für sämtli­che Geschäfte hat der Bevoll­mäch­tigte zudem eine Rechnungs­le­gungs­pflicht. Das heißt er muss von Anfang an Buch führen, welche Ausga­ben er tätigt und entspre­chende Belege und Rechnun­gen vorhal­ten.

Aus dem Vermö­gens­ver­wal­tungs­auf­trag der Vollmacht hat der Bevoll­mäch­tigte auch die Pflicht das Vermö­gen dahin­ge­hend zu verwal­ten, etwa um Erträge für den Vollmacht­ge­ber zu erwirt­schaf­ten, beispiels­weise aus der Vermie­tung von Immobi­lien. Das Geld kann dann für ein Heim genutzt werden.

Es sollte daher vorsorg­lich festge­legt werden, dass etwaige Heimauf­ent­halte primär aus Immobi­lien- oder sonsti­gen Einkünf­ten zu finan­zie­ren sind und erst zweit­ran­gig aus dem Barver­mö­gen. Das sichert nicht nur das Vermö­gen des Seniors, sondern auch sein Zuhause.

#5: Probleme bei der Gesund­heits­sorge

Durch die Vorsor­ge­voll­macht wird meist eine sogenannte Gesund­heits­sorge übertra­gen. Im Geset­zes­text (§ 1829 BGB) sind Formu­lie­rungs­vor­schläge vorge­se­hen, die sicher­stel­len sollen, dass der Vollmacht­ge­ber sich bei der Übertra­gung der Gesund­heits­sorge klar darüber ist, dass es dabei auch um Grund­rechte wie Freiheits­rechte oder gar Leben und Tod geht.

Beson­de­res Augen­merk hat der Gesetz­ge­ber auf Entschei­dun­gen zu freiheits­ent­zie­hen­den Maßnah­men (§ 1831 BGB) und Zwangs­be­hand­lun­gen (§ 1832 BGB) gelegt.

Die Einwil­li­gung in solche Eingriffe muss eindeu­tig getrof­fen und auch klar bezeich­net werden, um Missver­ständ­nisse zu vermei­den und sicher­zu­stel­len, dass der Wille des Vollmacht­ge­bers respek­tiert wird. Das Gleiche gilt für gefähr­li­che medizi­ni­sche Eingriffe, die auch zum Tod führen können.

Anders verhält es sich, wenn der Bevoll­mäch­tigte dazu aufge­ru­fen ist, die Inhalte einer Patien­ten­ver­fü­gung durch­zu­set­zen. Der Bevoll­mäch­tigte soll hierbei nicht mehr selbst entschei­den, sondern nur die Vorga­ben durch­set­zen. Der Verfü­gende hat bereits erklärt, was er will. Höchst­per­sön­lich, genau und vorab für den Fall, dass er sich in seinem letzten Lebens­ab­schnitt nicht mehr äußern kann. Daher unter­schreibt auch meist ein Arzt die Erklä­rung gleich mit, der den Patien­ten bei Erstel­lung aufge­klärt und dessen Einwil­li­gung einge­holt hat. Im Zweifel gilt: in „dubio pro vita“. Das heißt bis zum dorthin beschrie­be­nen Zustand sind immer alle mögli­chen und sinnvol­len Maßnah­men zur Lebens­ret­tung bzw. ‑erhal­tung und Heilung zu ergrei­fen. Nähere Infor­ma­tio­nen zum Thema finden Sie unter: www.vollmachtmissbrauch.de

Fazit

Vorsor­ge­voll­macht und Patien­ten­ver­fü­gung sind sinnvoll, bergen aber Unsicher­hei­ten. Unein­heit­li­che Recht­spre­chung und Missver­ständ­nisse schaden der Rechts­si­cher­heit und sind sogar imstande sorgfäl­tige Konstruk­tio­nen auszu­he­beln. Zu viel richter­li­che Unabhän­gig­keit, kann am Willen des Betrof­fe­nen vorbei­ge­hen. Es empfiehlt sich, die Vorsor­ge­voll­macht möglichst klar zu formu­lie­ren, um den Willen des Vollmacht­ge­bers zweifels­frei wieder­zu­ge­ben. So kann es keine Missver­ständ­nisse geben und Betrof­fene sind nicht auf die richtige Ausle­gung durch den Vollmacht­emp­fän­ger angewie­sen.

Von Hilde­gard Winne­beck, Rechts­an­wäl­tin