#1: Der Unterschied zwischen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
Die Vorsorgevollmacht ist gesetzlich nicht klar definiert. Der Vorsorgeaspekt ergibt sich daraus, dass der Bevollmächtigte beauftragt wird, die Angelegenheiten des Vollmachtgebers zu regeln, falls dieser aufgrund von Krankheit, Unfall oder anderer Ursachen außerstande ist, das selbst zu tun.
Die Aufgabenbereiche reichen von Postangelegenheiten und Behördengänge, Wohnungsangelegenheiten bis zur Vermögens- und Gesundheitssorge. Die beiden letzten Bereiche sind von zentraler Bedeutung. Hier liegt auch das größte Missbrauchspotenzial.
Eine Patientenverfügung hingegen soll dann greifen, wenn der Patient sich nicht mehr selbst äußern kann. Hier werden für den letzten Lebensabschnitt; meist für den Sterbeprozess klare und detaillierte Weisungen erteilt, was zu tun ist.
#2: Weitverbreitete Irrtümer über die Vorsorgevollmacht
Fälschlich wird immer wieder angenommen, dass nur die zuletzt erteilte Vollmacht wirksam ist. Eine Vollmacht bleibt jedoch so lange gültig, bis sie ausdrücklich gegenüber dem Vollmachtnehmer widerrufen wird. Oftmals ist sogar und gerade die letzte Vollmacht besonders fragwürdig, wenn sie bei nachlassender ‑auch geistiger- Gesundheit erstellt wurde.
Grundsätzlich muss die Vorsorgevollmacht immer im Original vorgelegt werden – eine Kopie reicht nicht. Nur das gibt die Sicherheit, dass die Vollmacht noch wirksam ist. Damit soll verhindert werden, dass der falsche Schein einer schon längst erloschenen Vollmacht durch eine Kopie verbreitet wird.
Viele gehen davon aus, eine Vollmacht müsse beim Notar errichtet und beglaubigt werden. Auch das ist falsch: Vorsorgevollmachten können „am Küchentisch“ erstellt und auch widerrufen werden, solange sie sich nicht auf beurkundungspflichtige Geschäfte beziehen. Sie sind somit formfrei.
Die Beglaubigung einer Kopie etwa durch einen Notar oder sonstige Stellen, besagt nur dass zum Zeitpunkt der Beglaubigung die Kopie mit dem Original übereinstimmt.
#3: Die Rechte und Pflichten des Bevollmächtigten
Was genau ein Vorsorgebevollmächtigter zu tun hat, richtet sich nach dem sogenannten Innenverhältnis. Vorsorgevollmachten sind meist komplex und zählen detailliert auf, wie der Bevollmächtigte die Vollmacht nutzen soll. Seit 2023 ist es nicht mehr dem Bevollmächtigten überlassen zu entscheiden, was „das Beste“ für den Vollmachtgeber ist. Einzig der Wille des Vollmachtgebers zählt und dieser muss ausgeführt werden.
Daneben steht das Außenverhältnis gegenüber Geschäftspartnern, Ärzten, Krankenhäusern, Banken, Behörden und Privatpersonen. Wenn also der Bevollmächtigte Geschäfte im Außenverhältnis tätigt, zu denen er im Innenverhältnis nicht beauftragt ist, oder die nicht dem Willen des Vollmachtgebers entsprechen, verstößt er gegen die Vollmacht.
Im Strafrechtsjargon der Untreue (§ 266 StGB) heißt es dann: Er hat mit seinem rechtlichen „Können“ nach Außen die Grenzen des rechtlichen „Dürfen“ im Innenverhältnis überschritten und sich dann womöglich strafbar gemacht.
Um dem vorzubeugen, können zwei Bevollmächtigte eingesetzt und diese zur Absprache im Innenverhältnis verpflichtet werden. Damit kontrollieren sich die Bevollmächtigten gegenseitig und der maßgebliche Auftrag im Innenverhältnis wird ständig überwacht (vgl. BGH Beschluss vom 29. März 2023 – XII ZB 368/19).
#4: Die Vermögenssorge als zentrales Element
Die Vermögenssorge ist zentrales Element der Vorsorge, denn fast alle Handlungen des täglichen Lebens bis zum Krankenhausaufenthalt, ziehen Zahlungspflichten nach sich.
Grundsätzlich ist mit der Vermögenssorge auch der Zugriff auf die Bankkonten verbunden. Auch hier richtet sich wieder die Pflicht des Vollmachtnehmers danach, was im Innenverhältnis also im Auftrag vereinbart wurde.
Viele Banken verlangen, obwohl ihnen eine Vorsorgevollmacht vorgelegt wird, zusätzlich die Erteilung einer separaten Kontovollmacht. Regelungen, wozu diese Gelder verwandt werden dürfen, finden sich in diesen Vollmachten natürlich nicht. Entsprechend haben Gerichte immer wieder entschieden, dass Banken die Vorsorgevollmachten anerkennen müssen. Sie dürfen nicht auf die Erteilung von Kontovollmachten auf ihren vorformulierten Vordrucken bestehen.
Nicht jeder, der seinen Kindern eine Vorsorgevollmacht erteilt hat, die ja erst mit Geschäftsunfähigkeit im Innenverhältnis greifen soll, will, dass sie ab sofort schon über die Konten verfügen können und erteilt auch eine Kontovollmacht.
Dennoch kann es sich in Einzelfällen zusätzlich empfehlen, eine direkt wirkende Kontovollmacht zu erteilen. Nämlich dann, wenn beispielsweise Senioren – auf begrenzte Zeit – nicht selbst zur Bank gehen können und ihre Kinder um Erledigung der Bankgeschäfte bitten. Die Kontovollmacht kann danach widerrufen werden.
Für sämtliche Geschäfte hat der Bevollmächtigte zudem eine Rechnungslegungspflicht. Das heißt er muss von Anfang an Buch führen, welche Ausgaben er tätigt und entsprechende Belege und Rechnungen vorhalten.
Aus dem Vermögensverwaltungsauftrag der Vollmacht hat der Bevollmächtigte auch die Pflicht das Vermögen dahingehend zu verwalten, etwa um Erträge für den Vollmachtgeber zu erwirtschaften, beispielsweise aus der Vermietung von Immobilien. Das Geld kann dann für ein Heim genutzt werden.
Es sollte daher vorsorglich festgelegt werden, dass etwaige Heimaufenthalte primär aus Immobilien- oder sonstigen Einkünften zu finanzieren sind und erst zweitrangig aus dem Barvermögen. Das sichert nicht nur das Vermögen des Seniors, sondern auch sein Zuhause.
#5: Probleme bei der Gesundheitssorge
Durch die Vorsorgevollmacht wird meist eine sogenannte Gesundheitssorge übertragen. Im Gesetzestext (§ 1829 BGB) sind Formulierungsvorschläge vorgesehen, die sicherstellen sollen, dass der Vollmachtgeber sich bei der Übertragung der Gesundheitssorge klar darüber ist, dass es dabei auch um Grundrechte wie Freiheitsrechte oder gar Leben und Tod geht.
Besonderes Augenmerk hat der Gesetzgeber auf Entscheidungen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen (§ 1831 BGB) und Zwangsbehandlungen (§ 1832 BGB) gelegt.
Die Einwilligung in solche Eingriffe muss eindeutig getroffen und auch klar bezeichnet werden, um Missverständnisse zu vermeiden und sicherzustellen, dass der Wille des Vollmachtgebers respektiert wird. Das Gleiche gilt für gefährliche medizinische Eingriffe, die auch zum Tod führen können.
Anders verhält es sich, wenn der Bevollmächtigte dazu aufgerufen ist, die Inhalte einer Patientenverfügung durchzusetzen. Der Bevollmächtigte soll hierbei nicht mehr selbst entscheiden, sondern nur die Vorgaben durchsetzen. Der Verfügende hat bereits erklärt, was er will. Höchstpersönlich, genau und vorab für den Fall, dass er sich in seinem letzten Lebensabschnitt nicht mehr äußern kann. Daher unterschreibt auch meist ein Arzt die Erklärung gleich mit, der den Patienten bei Erstellung aufgeklärt und dessen Einwilligung eingeholt hat. Im Zweifel gilt: in „dubio pro vita“. Das heißt bis zum dorthin beschriebenen Zustand sind immer alle möglichen und sinnvollen Maßnahmen zur Lebensrettung bzw. ‑erhaltung und Heilung zu ergreifen. Nähere Informationen zum Thema finden Sie unter: www.vollmachtmissbrauch.de
Fazit
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sind sinnvoll, bergen aber Unsicherheiten. Uneinheitliche Rechtsprechung und Missverständnisse schaden der Rechtssicherheit und sind sogar imstande sorgfältige Konstruktionen auszuhebeln. Zu viel richterliche Unabhängigkeit, kann am Willen des Betroffenen vorbeigehen. Es empfiehlt sich, die Vorsorgevollmacht möglichst klar zu formulieren, um den Willen des Vollmachtgebers zweifelsfrei wiederzugeben. So kann es keine Missverständnisse geben und Betroffene sind nicht auf die richtige Auslegung durch den Vollmachtempfänger angewiesen.
Von Hildegard Winnebeck, Rechtsanwältin