Podologische Behandlung eines Patienten.
Podolo­gi­sche Behand­lung eines Patien­ten. Bild: Photo 56512116 © Bborriss – Dreamstime.com

Sachver­halt

Die Kläge­rin, um die es in dem Fall ging, leidet seit ihrem 16. Lebens­jahr zuneh­mend an einer geneti­schen Ataxie mit okulo­mo­to­ri­scher Apraxie Typ 2, einer schwe­ren senso­mo­to­ri­schen Polyneu­ro­pa­thie mit Wundhei­lungs­stö­run­gen im Bereich der Füße. Dazu kämpft sie mit einer chroni­schen Wunde im Bereich der 2. und 3. linken Zehe mit rezidi­vie­ren­den Wundro­sen und Wundin­fek­tio­nen. Wegen letzte­rer musste die Kläge­rin in der Vergan­gen­heit häufig ins Kranken­haus. Seit 1998 ist die Kläge­rin wegen ihrer motori­schen Einschrän­kun­gen auf einen Rollstuhl angewie­sen.

Die Erstat­tung für die podolo­gi­schen Komplex­be­hand­lun­gen, die ihr von der behan­deln­den Inter­nis­tin verord­net wurden, lehnte die beklagte Kranken­kasse jedoch ab. Grund war, dass es sich bei der Behand­lung um eine neue Metho­dik handele, die nach den Vorga­ben der Heilmit­tel-Richt­li­nie (HeilM-RL) nicht geneh­mi­gungs­fä­hig sei. Nachdem der Wider­spruch der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen wurde, erhob sie Klage beim Sozial­ge­richt Münster. Dabei legte sie zur Begrün­dung einen Ambulanz­be­richt vor, wonach sich der neuro­lo­gi­sche Befund verschlech­tert habe – gleich­zu­set­zen mit einem schwe­ren Diabe­ti­schen Fußsyn­drom.

Die Klage hatte Erfolg: Die Kranken­kasse wurde zur Kosten­über­nahme für eine podolo­gi­sche Komplex­be­hand­lung verur­teilt und soll auch für zukünf­tig verord­nete und notwen­dige Behand­lun­gen aufkom­men. Die Berufung der beklag­ten Kranken­kasse vor dem Landes­so­zi­al­ge­richt (LSG) Nordhein-Westfa­len blieb erfolg­los (Urteil vom 28.3.2019 – L 5 KR 198/18). Erst mit dem Urteil des Bundes­so­zi­al­ge­richts wendete sich das Blatt.

Revision erfolg­reich – Doch kein Anspruch auf Kosten­über­nahme?

Das Bundes­so­zi­al­ge­richt hat der Revision der Kranken­kasse am 17.12.2019 statt­ge­ge­ben (Az.: B 1 KR 18/19). Die Kranken­kasse behaup­tete einen Verstoß gegen § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V. Der Senat erkannte dies an und hob die Urteile der Vorin­stan­zen auf. Die Klage wurde rechts­kräf­tig abgewie­sen. Die Kläge­rin hat weder Anspruch auf die Kosten­über­nahme podolo­gi­scher Behand­lung ihrer Füße für die Zukunft, noch für die bereits aufge­brach­ten Kosten. Die podolo­gi­sche Behand­lung ist ein neues Heilmit­tel, für welches der G‑BA (zu dem damali­gen Zeitpunkt) noch keinen Nutzen anerkannt und keine Empfeh­lun­gen zur Quali­täts­si­che­rung abgege­ben habe.

Änderung der Heilmit­tel-Richt­line – Wäre das Urteil heute anders ausge­fal­len?

Mit Beschluss vom 20. Februar 2020 hat der G‑BA diesbe­züg­lich jedoch eine Änderung vorge­nom­men. Seit dem 1.7.2020 gilt die neue Fassung der Heilmit­tel-Richt­line, wonach eine podolo­gi­sche Thera­pie nun auch bei weite­ren, einem DFS ähneln­den Krank­hei­ten zulas­ten der gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­run­gen verord­net werden kann. Die Rechts­de­pe­sche hatte darüber berich­tet.

Zu den gemein­ten Erkran­kun­gen zählen unter anderem das Querschnitt­syn­drom und auch sensi­ble oder senso­mo­to­ri­sche Neuro­pa­thie, sowie ähnli­che Sensi­bi­li­täts- und Durch­blu­tungs­stö­run­gen. Die erwei­terte Verord­nungs­fä­hig­keit für die podolo­gi­schen Behand­lun­gen war zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht beschlos­sen worden, geschweige denn in Kraft getre­ten. Das Urteil des Bundes­so­zi­al­ge­richt ist rechts­kräf­tig – wäre heute, aller­dings nach der neuen Fassung der Heilmit­tel-Richt­li­nie, vermut­lich anders ausge­fal­len.

Der ausführ­li­che Sachver­halt des Urteils ist in der Januar­/­Fe­bruar-Ausgabe der Rechts­de­pe­sche 2020 zu finden.

Quelle: RDG 2020, 17(1), S. 23ff., G‑BA, Bundes­so­zi­al­ge­richt