Palliativarzt
Eine Berli­ner Pallia­tiv­arzt soll 15 Patien­tin­nen und Patien­ten in deren Zuhause getötet haben. Bild: © Katar­zyna Bialasie­wicz | Dreamstime.com

Er hat sogar selbst den Notruf gewählt

Nach aufse­hen­er­re­gen­den Ermitt­lun­gen gegen einen Berli­ner Pallia­tiv­arzt steht nun die Anklage fest: Mord in 15 Fällen. Schon seit August sitzt der Mann in Unter­su­chungs­haft. Damals hieß es noch er solle vier Patien­tin­nen getötet haben. Dann ist die Staats­an­walt­schaft auf immer mehr Fälle gesto­ßen.

Alle Morde soll er im Zeitraum zwischen dem 22. Septem­ber 2021 und dem 24. Juli 2024 durch­ge­führt haben. Der mittler­weile 40-jährige Angeklagte war zu dieser Zeit als Pallia­tiv­arzt in einem Pflege­dienst angestellt und soll die Opfer im Rahmen seines Diens­tes in deren Zuhause getötet haben. In einigen Fällen habe er laut Staats­an­walt­schaft selbst Feuer gelegt oder den Notruf alarmiert, um die Tötun­gen zu verde­cken. Die Brände waren aller­dings letzt­lich der Grund, warum die Ermitt­lun­gen gegen den Pallia­tiv­arzt aufge­nom­men wurden – zunächst wegen Brand­stif­tung mit Todes­folge.

Die Mord-Fälle im Überblick

  • Am 22. Septem­ber 2021 Tötung einer 25-Jähri­gen in Berlin-Buckow.
  • Am 24. Juni 2022 Tötung einer 70-jähri­gen Patien­tin und anschlie­ßende Brand­le­gung in deren Wohnung in Tempel­hof.
  • Am 5. Septem­ber 2022 Tötung einer 56 Jahre alten Frau in deren Wohnung in Neukölln. Anschlie­ßend soll er selbst – aus Sorge vor Tatent­de­ckung – die Rettungs­kräfte verstän­digt, diesen gegen­über aber unzutref­fend behaup­tet haben, mit Reani­ma­ti­ons­maß­nah­men bereits begon­nen zu haben. Den Rettungs­kräf­ten soll es tatsäch­lich zunächst gelun­gen sein, die Frau wieder zu reani­mie­ren. Sie verstarb am 8. Septem­ber 2024 im Kranken­haus.
  • Am 29. Januar 2024 Tötung eines 70-jähri­gen Mannes in dessen Wohnung in Neukölln.
  • Am Vormit­tag des 29. März 2024 Tötung einer 83 Jahre alte Frau in Berlin-Britz.
  • Am 4. April 2024 Tötung einer 61 Jahre alten Frau in deren Wohnung in Schöne­berg.
  • Am 29. April 2024 Tötung eines 83 Jahre alten Mannes in dessen Zimmer im Hospiz der DRK-Klini­ken Köpenick.
  • Am Vormit­tag des 30. April 2024 Tötung einer 83 Jahre alte Frau in deren Wohnung in Berlin-Gropi­us­stadt.
  • Am Vormit­tag des 6. Mai 2024 Tötung einer 73 Jahre alte Frau in deren Wohnung in Köpenick.
  • Am 5. Juni 2024 Tötung einer 57 Jahre alten Frau in deren Wohnung in Kreuz­berg.
  • Am 11. Juni 2024 Tötung einer 87-Jähri­gen in Neukölln. Anschlie­ßend soll er deren Wohnung in Brand gesetzt haben. Nach Eintref­fen der Feuer­wehr gelang es den Rettungs­kräf­ten zunächst, die Frau zu reani­mie­ren. Kurze Zeit später verstarb die Senio­rin jedoch im Kranken­haus.
  • Am Vormit­tag des 8. Juli 2024 Tötung eines 75 Jahre alten Mann in dessen Wohnung in Kreuz­berg.
  • Ebenfalls am 8. Juli 2024, nur wenige Stunden danach, Tötung einer 76-Jähri­gen in deren Wohnung in Neukölln. Sein Versuch einer anschlie­ßen­den Brand­le­gung soll dann aller­dings missglückt sein, da das Feuer eigen­stän­dig erlosch. Als er dies bemerkte, soll er noch einen Angehö­ri­gen der Frau infor­miert und behaup­tet haben, dass er vor deren Wohnung stünde und auf sein Klingeln niemand reagiere.
  • Eine Woche später, am 15. Juli 2024, Tötung einer 94-Jähri­gen in ihrer Wohnung in Neukölln und anschlie­ßende Brand­le­gung in ihrer Küche.
  • Am 24. Juli 2024 Tötung einer 72 Jahre alte Senio­rin im Ortsteil Plänter­wald mit anschlie­ßen­der Brand­le­gung in deren Wohnung.

Mord aus Heimtü­cke und niede­ren Beweg­grün­den

Die Staats­an­walt­schaft sieht in den Fällen die Mordmerk­male der Heimtü­cke und niedri­gen Beweg­gründe gemäß § 211 StGB erfüllt. In dem Paragra­fen sind auch alle weite­ren Mordmerk­male aufge­führt. Damit eine Tat als Mord einge­stuft werden kann, muss eins dieser Merkmale auf die Tötung zutref­fen. Niedrige Beweg­gründe bedeu­ten, dass die Tat den allge­mei­nen sittli­chen Wertun­gen wider­spricht und damit beson­ders verwerf­lich und verach­tens­wert ist. Mit Heimtü­cke ist gemeint, dass die Opfer bei der Tat arg- und wehrlos waren, sie also nicht mit einem Angriff gerech­net haben und sich nicht vertei­di­gen konnten.

Der angeklagte Pallia­tiv­arzt habe den Patien­tin­nen und Patien­ten „ohne medizi­ni­sche Indika­tion und ohne deren Wissen und Zustim­mung“ tödli­che Medika­mente verab­reicht, so die Staats­an­walt­schaft. Inner­halb weniger Minuten soll der Tod einge­tre­ten sein. Keins der Opfer habe sich zuvor in einer akuten Sterbe­phase befun­den.

Ermitt­lun­gen in 75 Fällen dauern an

Mit der Anklage wolle die Staats­an­walt­schaft nicht nur die Verur­tei­lung samt Feststel­lung der beson­de­ren Schwere der Tat erwir­ken, sondern auch ein lebens­lan­ges Berufs­ver­bot und eine Sicher­heits­ver­wah­rung anord­nen lassen. Bislang hat sich der Pallia­tiv­arzt nicht zu den Vorwür­fen geäußert.

Die Ermitt­lun­gen zu dem Fall, der sich sukzes­sive um immer mehr Opfer erwei­tert hat, sind mit der Anklage nocht lange nicht abgeschlos­sen. Noch immer sei eine eigens einge­rich­tete Ermitt­lungs­gruppe im Einsatz. Bislang habe diese 395 Prüffälle unter­sucht, bei denen sich in 95 Fällen ein Anfangs­ver­dacht bestä­tigte und Ermitt­lungs­ver­fah­ren einge­lei­tet wurden. In 75 dieser Fälle dauern die Ermitt­lun­gen an.

Quelle: PM