Der Dementia Fair Congress, für den Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen die Schirmherrschaft übernommen hatte, thematisierte Pflege, Betreuung, Seelsorge und Wohnformen für Menschen mit Demenz ebenso wie Arzneien, nichtmedikamentöse Behandlungen, Forschung, die Bedürfnisse und Begleitung der pflegenden Angehörigen sowie politische und ethische Fragestellungen.
Dr. Günther Schwendemann, Direktor der Neurologischen Kliniken in Bremen-Mitte und Bremen-Ost, zeigte auf, dass die Erforschung neuer Medikamente und Impfstoffe zwar Fortschritte macht, in der Breite anwendbare Ergebnisse jedoch noch Jahre auf sich warten lassen werden.
Adelheid von Stösser, Krankenschwester und Urheberin der sog. Stösser-Standards für die Pflege, rief mit ihrer These, Alzheimer sei eine psychosomatische Erkrankung, großes Interesse hervor. Ihre Begründung: Traumatische Erlebnisse (Krieg, aber auch langjähriger Stress in der Partnerbeziehung) beeinträchtigen die Funktion des Gehirns.
„Studien legen nahe, dass teure und nebenwirkungsreiche Medikamente durch pflegerische Betreuungsangebote ersetzt werden können”, erklärte Prof. Dr. Gabriele Meyer von der Universität Bremen. Zu diesen Möglichkeiten zählen die Mäeutik und Snoezelen. Die Mäeutik bezeichnet ein Pflegekonzept, bei dem Gefühlen von Pflegenden und Gepflegten Raum gegeben und Beziehungen untereinander neu gestaltet werden. Snoezelen fördert über optische, akustische, haptische und weitere Reize das Wohlbefinden der Demenzkranken.
„Demenzerkrankungen sind derzeit nicht heilbar. Sie können aber in ihrem Verlauf positiv beeinflusst werden, wenn die Art der jeweiligen Demenzerkrankung frühzeitig und genau diagnostiziert wird und auf dieser Basis dann geeignete therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden können“, so Dr. Petra Koczy vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Sie stellte die dortige Memory-Ambulanz als integriertes Versorgungsmodell für Demenzpatienten und ihre Angehörigen vor.
Mehrere Referate beschäftigten sich mit ambulant betreuten Wohngemeinschaften für demenzkranke Menschen. Prof. Dr. Winfried Saup berichtete, dass die meisten Betreiber auf die wachsende Zahl demenzkranker Menschen in ihren Einrichtungen nicht vorbereitet sind. Es sei höchste Zeit, entsprechende Konzepte zu entwickeln und die hauptamtlichen Betreuungskräfte zu schulen sowie Freiwillige (Angehörige, Nachbarn) einzubinden.
Harald Reinhard vom Albertinen-Haus in Hamburg beschrieb, wie Demenzkranke und ihre Angehörigen innerhalb eines Heimkomplexes in eigenen Wohnungen weitgehend selbstbestimmt leben und nach Bedarf spezifische Angebote des Heimes in Anspruch nehmen.
Die Vorträge von Reinhard und Saup zogen neben Leitungskräften aus Pflegeeinrichtungen auch interessierte Architekten an, die sich über zukunftsfähige Baukonzepte informieren wollten.
Großen Anklang fand darüber hinaus das Thema Seelsorge für demenzkranke und die sie pflegenden Menschen. „Der Glaube ist für viele Betroffene eine große Kraftquelle“, so Beatrice Döhner von der Caritas-Betriebs- und Trägergesellschaft Köln.
Auf das Thema Recht gingen Hubert Klein und Prof. Dr. Volker Großkopf in ihren Referaten ein. Rechtsanwalt Klein kritisierte hinsichtlich des Betreuungsrechts, dass „Betreuungen zu spät eingeleitet, Befugnisse der Angehörigen oder Betreuer maßlos überschätzt“ werden. Daraus resultierten immer wieder unzulässige (Zwangs-)Behandlungen oder Freiheitsberaubungen bei Betreuten. Heim- und Behandlungsverträge seien häufig unwirksam. Klein erklärte, wie Heimpersonal, Ärzte und Therapeuten es besser machen können. Ähnliches gelang Prof. Großkopf beim Thema Sturzpräventionsmanagement auf der Basis des Nationalen Expertenstandards – denn: „Mögliche Haftungsfälle lassen sich durch eine erfolgreiche Umsetzung reduzieren.“
Ein positives Fazit des Kongresses zog Dr. Thomas Zimmermann vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: „Dieser Austausch zwischen den Beteiligten in Forschung, Versorgung, zwischen Angehörigen und Wissenschaft, zwischen Profis und Laien wird gerade rund um die Demenz zukünftig die einzige Chance sein, neue Wege zu gehen.“