Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWIG) sieht einen Hinweis (keinen Beleg) darauf, dass die Vakuumversiegelungstherapie als Wundbehandlungsmethode bei der Indikation „sekundäre Wundheilung“ einen höheren Nutzen gegenüber der Standardbehandlung aufweist. Das Institut hatte zuletzt im Sommer 2018 scharf kritisiert, dass diesbezügliche Studienergebnisse unter Verschluss gehalten werden, wodurch die Nutzen- und Schadenbewertung der Therapie hochgradig verzerrt worden wäre. Hersteller der verwendeten Medizinprodukte sowie Wissenschaftler haben damit gegen ethische und wissenschaftliche Standards der Wissenschaft verstoßen.
Wundheilung durch Vakuumtherapie: Unterdruck erhöht die Durchblutung
Bei der Vakuumtherapie wird mit Unterdruck gearbeitet, durch den die Durchblutung gefördert wird. Ein luftdichter Verband deckt die Wunde ab, über den an einen dünnen Schlauch eine Pumpe angeschlossen ist, die Wundflüssigkeit absaugt. Auf diese Weise entsteht im Wundbereich der Unterdruck. Zugleich bleibt die Wunde feucht, was zusätzlich heilungsfördernd sein soll. Die Vakuumtherapie kommt mitunter bei schwer heilenden oder großflächigen Wunden zum Einsatz, beispielsweise bei einem Dekubitus. Eine sekundäre Wundheilung ist gegeben, wenn die Wundränder nicht bündig aneinander liegen und sich Gewebe neu bilden muss. Bei der primären Wundheilung hingegen liegen die Wundränder eng aneinander und können zusammengenäht werden.
Die Vakuumtherapie wird seit über 20 Jahren in Kliniken zur Wundbehandlung eingesetzt und über 100 Studien sind dazu bereits abgeschlossen worden. Bislang war die Schaden- und Nutzenbewertung jedoch immer unsicher. Nachdem durch die Kritik des Instituts Druck auf die Studienverantwortlichen ausgeübt wurde, sind die Studienergebnisse nun teilweise publiziert worden. Die Datenlücken waren bis zum Sommer 2018 noch gravierend:
- Bei den Studien, die von den Herstellern finanziert wurden, fehlten Daten von mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
- Bei den Studien, die beispielsweise von Forscherinnen und Forschern an Hochschulen durchgeführt wurden (sogenannte Investigator Initiated Trials, IITs), fehlten rund 40 % der Daten.
Aussagesicherheit der Bewertung muss wegen Publikationsbias herabgestuft werden
Während der Hersteller KCI im Laufe des Stellungnahmeverfahrens eine ausreichend große Datenmenge nachreichte, wurde die zugängliche Datenbasis bei den IITs weniger stark ausgeweitet. Zwar wurde eine Bewertung von Nutzen und Schaden der Therapie nun möglich, jedoch fehlen nach wie vor 24 % der Daten bei der sekundären Wundheilung und 17 % der Daten bei der primären Wundheilung. Deshalb wurde die Aussagesicherheit der Bewertungen jeweils herabgestuft, da die fehlenden Daten das Bewertungsergebnis stark verzerren könnten (ein sogenannter Publikationsbias):
- Es gibt einen „Hinweis“ statt eines „Belegs“ auf Vorteile der Vakuumtherapie bei sekundärer Wundheilung, den das IQWIG in seinem Abschlussbericht gibt.
- Es gibt einen „Anhaltspunkt“ statt eines „Hinweises“ für die Vorteile der Vakuumtherapie bei primärer Wundheilung, den das IQWIG in seinem Vorbericht abgibt und zu dem Stellungnahmen bis zum 29. April erbeten werden.
Im Konkreten bezieht sich der Hinweis auf einen höheren Nutzen der Vakuumtherapie gegenüber der Standardbehandlung bei sekundärer Wundheilung auf den Wundverschluss: Laut den Daten wurden Wunden häufiger geheilt und dieser Prozess ist außerdem auch schneller verheilt, heißt es in der Mitteilung des Instituts. Zudem verkürzt sich bei einer Vakuumtherapie die Dauer des Klinikaufenthalts. Zu anderen Zielkriterien, wie Sterblichkeit, Nebenwirkungen, Häufigkeit von Amputationen oder Schmerzen konnten keine Vor- oder Nachteile herausgefiltert werden.
Der Anhaltspunkt für einen Vorteil der Behandlungsmethode bei primärer Wundheilung bezieht sich auf das Auftreten unerwünschter Ereignisse in Form von Komplikationen. Infektionen an den Wunden traten seltener auf, wenn die Vakuumtherapie eingesetzt wurde.
Forderung nach schärferen Transparenzregeln für Medizinprodukte
Für Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren beim IQWIG, zeige sich anhand der Vakuumtherapie einmal mehr, dass die Publikationspflichten bei Medizinprodukten ebenso streng geregelt werden müssen wie es bei Arzneimitteln getan wird. Eine Lösung sieht er in der Druckausübung seitens Ethik-Kommissionen und in Sanktionen bei der Studienfinanzierung. Das heißt, Gelder für die Studien sollten nur bewilligt werden, wenn die Ergebnisse entsprechend publiziert werden: „Wer in der Vergangenheit nicht ordnungsgemäß veröffentlicht hat, bekommt kein Geld oder keine Genehmigung für die nächste Studie“, so Sauerlands Vorschlag.
Quelle: IQWIG