Diabetischer Fuß.
Die Vakuum­the­ra­pie wird unter anderem bei schwer heilen­den Wunden einge­setzt. Bild: Nenad Nedomacki/Dreamstime.com

Nutzen und Schaden der Vakuum­ver­sie­ge­lungs­the­ra­pie (VSS) für Wunden sind heute nach wie vor unklar. Zwar liegen mittler­weile über 100 klini­sche Verglei­che mit mehre­ren tausend Patien­ten vor, aller­dings wurden die Ergeb­nisse nur teilweise öffent­lich zugäng­lich gemacht. Zu diesem Ergeb­nis kommt das Insti­tut für Quali­tät und Wirtschaft­lich­keit im Gesund­heits­we­sen (IQWiG) in einem Vorbe­richt und übt scharfe Kritik an Herstel­lern der verwen­de­ten Medizin­pro­dukte sowie an Wissen­schaft­lern, die jeweils die Daten unter Verschluss halten. Sie versto­ßen damit gegen ethische und wissen­schaft­li­che Standards der Wissen­schaft. Dadurch hätte es zu einem „hochgra­dig verzerr­ten Ergeb­nis“ bezüg­lich der Nutzen- und Schadens­be­wer­tung der Thera­pie kommen können, rügt das Insti­tut.

Studi­en­lage 2006 und heute

Im Jahr 2006 hat das Insti­tut zuletzt eine Nutzen­be­wer­tung der Thera­pie vorge­nom­men. Bereits damals waren Nutzen und Schaden der Thera­pie unklar, da eine Vielzahl von Studien noch nicht abgeschlos­sen waren. Daher wurde seitens Wissen­schaft­lern empfoh­len, die Methode erneut zu gegebe­ner Zeit zu bewer­ten. Auch ein Jahr später musste das Insti­tut aller­dings feststel­len, dass die Daten­lage noch nicht ausreicht, um eine Anwen­dung der Thera­pie recht­fer­ti­gen zu können.

Wie aus dem aktuel­len Vorbe­richt hervor­geht liegen inzwi­schen eine Vielzahl von rando­mi­sier­ten kontrol­lier­ten Studien (RCTs) vor, die abgeschlos­sen worden sind und bei denen die Thera­pie mit der Standard­be­hand­lung vergli­chen worden ist. Insge­samt können über 100 Studien gezählt werden, bei denen mehrere Tausend Patien­ten teilge­nom­men haben. Eigent­lich wäre diese Studi­en­lage eine gute Ausgangs­ba­sis für eine Nutzen­be­wer­tung, erklärt das Insti­tut.

Aller­dings ist es notwen­dig, die Ergeb­nisse aller Studien in die Bewer­tung einzu­be­zie­hen. Wenn ledig­lich die publi­zier­ten Daten verwen­det und so die positi­ven Ergeb­nisse überschätzt würden, kann es zu einer Verzer­rung und Schief­lage der Daten­lage kommen – Exper­ten sprechen dann von einer „Publi­ka­ti­ons-Bias“.

Insti­tut hat mehrfach um Auskunft gebeten

Zwar waren eine Vielzahl der Studien durch­aus relevant, wenn es beispiels­weise um Daten zu Sterb­lich­keit, Wundver­schluss, Schmer­zen oder Kompli­ka­tio­nen bei der Thera­pie ging. Hinge­gen ist man ebenso auf viele Studien gesto­ßen, deren Ergeb­nisse nicht verfüg­bar waren. Das Insti­tut hatte die Studi­en­ver­ant­wort­li­chen mehrfach um Auskunft gebeten.

Ein Anbie­ter von Medizin­pro­duk­ten hat das Insti­tut dabei beson­ders hervor­ge­ho­ben. Es handelt sich dabei um KCI Medizin­pro­dukte (Acelity) – das Unter­neh­men lieferte „trotz mehrfa­cher Nachfra­gen weder eine komplette Übersicht noch vollstän­dige Studi­en­be­richte zu sämtli­chen Studien, für die das Unter­neh­men verant­wort­lich ist“, berich­tet das IQWiG. Demnach liegen für die Hälfte aller Teilneh­mer (842 von 1.681) nicht alle Daten vor.

Doch auch auf Forscher­seite gibt es Lücken: Für mindes­tens 1.703 von insge­samt 4.251 Teilneh­mern von Studien, die beispiels­weise von an Hochschu­len tätigen Forschern initi­iert wurden, fehlen verwert­bare Ergeb­nisse. Sowohl die KCI-Studien als auch die Hochschul-Studien blieben daher bei der Nutzen­be­wer­tung des Insti­tuts komplett unberück­sich­tigt, um keine falschen Schlüsse zu ziehen.

Mögli­che Beweg­gründe: Abhän­gig­kei­ten und eigene Forschungs­in­ter­es­sen

Zu den Beweg­grün­den der Forscher sei nichts bekannt, Abhän­gig­kei­ten oder eigene Forschungs­in­ter­es­sen könnten vermu­tet werden, so das Insti­tut. Herstel­ler können als Stipen­di­en­ge­ber fungiert oder beim Daten­aus­wer­ten Unter­stüt­zung geboten haben.

Stefan Sauer­land, Leiter des Ressorts Nicht­me­di­ka­men­töse Verfah­ren, muss frustriert feststel­len, dass eine fundierte und gesicherte Nutzen­be­wer­tung der Thera­pie nicht möglich ist: „Bei unseren ersten Bewer­tun­gen war die Studi­en­lage dürftig. Nun gibt es zwar Studien mit mehre­ren Tausend Patien­tin­nen und Patien­ten, wir können aber immer noch nicht sagen, ob die Vakuum­the­ra­pie besser, gleich­wer­tig oder womög­lich sogar schlech­ter ist als die herkömm­li­che Wundbe­hand­lung.“

Ursache ist, dass sowohl Unter­neh­men als auch Forscher Daten unter Verschluss halten. „Damit versto­ßen sie gegen ethische und wissen­schaft­li­che Standards“, so Stefan Sauer­land. „Und sie schaden damit Patien­ten und Ärzten ebenso wie der Versi­cher­ten­ge­mein­schaft – für mich als Arzt und Wissen­schaft­ler ist das ein bestür­zen­der Befund“, so Sauer­land weiter.

Forde­rung des Insti­tuts

Für das Insti­tut zeige sich anhand der Vakuum­the­ra­pie exempla­risch, dass es auch für Studien zu nicht­me­di­ka­men­tö­sen Verfah­ren und Medizin­pro­duk­ten weiter­ge­hende gesetz­li­che Regelun­gen notwen­dig sind. Bezüg­lich des jetzt veröf­fent­lich­ten Vorbe­richts des IQWiG fordert das Insti­tut Stellung­nah­men bis zum 25.September. Beauf­tragt wurden alle Bewer­tun­gen der Vakuum­the­ra­pie vom Gemein­sa­men Bundes­aus­schuss (G‑BA).

Einsatz der Vakuum­ver­sie­ge­lungs­the­ra­pie: Unter­druck soll Durch­blu­tung erhöhen

Bei der Vakuum­the­ra­pie wird die Wunde luftdicht mit einem Verband abgedeckt. An diesem ist eine Pumpe über einen dünnen Schlauch angeschlos­sen, wodurch ständig Wundflüs­sig­keit abgesaugt wird. Auf diese Weise entsteht im Wundbe­reich ein Unter­druck. Er soll die Durch­blu­tung der Wunde erhöhen, außer­dem bleibt die Wunde feucht, wodurch die Heilung geför­dert werden soll.

Einsatz findet die Thera­pie vor allem bei schwer heilen­den oder großflä­chi­gen Wunden, wie sie etwa bei Patien­ten mit einem Dekubi­tus oder nach einer Opera­tion gegeben sind. Der Vorbe­richt des Insti­tuts bezüg­lich der Studi­en­lage zu dieser Thera­pie bezieht sich konkret auf die Vakuum­the­ra­pie bei inten­dier­ter sekun­dä­rer Wundhei­lung. Dabei handelt es sich um eine Wundhei­lung, bei der sich Gewebe neu bilden, die Wunde kontra­hie­ren oder Haut trans­plan­tiert werden muss.

Quelle: IQWiG