Wertschätzung
Wenn 25 Prozent in einem Team den festen Willen zur Verän­de­rung haben, ist es wahrschein­lich, dass das komplette Team die Sicht­weise annimmt Bild: Gerd Altmann / Pixabay

Der Prozess hin dazu, der Pflege eine bessere Wahrneh­mung zu verschaf­fen, fängt bei einem selbst an. Nämlich, wie man sich selbst, und seine Tätig­keit, präsen­tiert – inklu­sive Wertschät­zung. Davon ist der Diplom-Pflege­päd­agoge und Pflege­wis­sen­schaft­ler Dr. German Quern­heim überzeugt. Der aller­erste Schritt ist konkret die eigene Körper­hal­tung – die einen automa­tisch selbst­be­wuss­ter auftre­ten lässt.

Dies konnten die Teilneh­mer in einer Gruppen­übung selbst auspro­bie­ren. „Stellt Euch hüftbreit auf, das Gewicht auf beide Beine verteilt“, instru­ierte er die Menge. „Nun stellt Euch vor, ihr tragt eine Krone auf dem Kopf. Dann müsst ihr den Kopf nämlich gerade halten. Wer gebückt geht und sich klein macht, würde sie verlie­ren.“

Auch die Art, wie man seinen Beruf vorstellt, will gelernt sein. Nach einem Negativ­bei­spiel per Video, bei dem sich eine Kranken­schwes­ter beim Gespräch im Lift dem neuen Stati­ons­arzt vorstellt und bei ihrer Tätig­keits-Beschrei­bung in selbst-abwer­tende Alltags- und Kinder­spra­che verfällt.

In einer weite­ren Übung in Klein­grup­pen konnten es die Anwesen­den besser machen: Was begeis­tert einen auf der Arbeit? Wofür stehe ich? Wie kann man den Gegen­über beein­dru­cken, ohne ihn jedoch einzu­schüch­tern, sondern jenen sozusa­gen „mitstrah­len“ lassen?

Wertschät­zung und Berufs­stolz: Andere Länder sind wesent­lich weiter

„Berufs­stolz in der Pflege – überbe­wer­tet oder zwingende Voraus­set­zung für eine profes­sio­nelle Einstel­lung?“ hießt der Titel von Quern­heims Seminar. Denn hier liege in Deutsch­land einiges im Argen. Es herrsche eine Jammer­kul­tur, die Teildis­zi­pli­nen der Pflege seien tenden­zi­ell zerstrit­ten und würden gegen­ein­an­der (sowie gegen die Ärzte­schaft) ausge­spielt, und die Angehö­ri­gen der Pflege neigten dazu, ihr „Licht unter den Schef­fel“ zu stellen.

„In San Francisco dagegen wurde das Jubiläum zum 100-jähri­gen Bestehen der Pflege­aus­bil­dung an der Univer­sity of Califor­nia gefei­ert; die Plakate hingen überall in der Stadt an den Later­nen­mas­ten“, schil­derte er.

„Und in Finnland trat das Pflege­per­so­nal in eine Art General­streik, um eine 30-prozen­tige Gehalts­er­hö­hung zu erzwin­gen“ – denn zahlrei­che Pflegende drohten konzer­tiert mit einer Kündi­gung ihres Jobs zum Jahres­ende, sollten sich die Bedin­gun­gen nicht verbes­sern.

Die Aktion hatte größten­teils Erfolg; um 25 Prozent stiegen in dem skandi­na­vi­schen Land die Saläre. In nahezu allen Nachbar­län­dern Deutsch­lands seien die Kompe­ten­zen der Pflege­kräfte höher, so etwa die Verord­nungs­kom­pe­tenz ohne Hinzu­zie­hung eines Arztes.

Diese Situa­tion sei, wegen des mangel­haf­ten Öffent­lich­keits­bil­des der Pflege, teils selbst­ver­schul­det – wie sich ebenso die Anwesen­den bei ihrer angereg­ten Debatte einig waren. „Der Sicher­heits­ge­danke in der Bevöl­ke­rung ist einfach nicht da, etwa im Falle von Stati­ons-Unter­be­set­zun­gen. Kein Flugzeug würde ohne Copilo­ten abheben, oder ohne Flugbe­glei­ter“, verglich er die Situa­tion auf den unter­be­setz­ten Statio­nen, durch die eine Gefahr für Patien­ten oder Bewoh­ner erwachse.

Sein Rezept dagegen: sein Mutmach- und Arbeits­buch entde­cken, eigene Kompe­ten­zen aktua­li­sie­ren, eine fundierte Anlei­tung und Einar­bei­tung, sich organi­sie­ren und in die Pflege­po­li­tik einbrin­gen, sowie – ebenfalls als kleiner Schritt – konstruk­tive Teamsit­zun­gen gestal­ten. „Wenn 25 Prozent in einem Team den festen Willen zur Verän­de­rung haben, ist es wahrschein­lich, dass das komplette Team die Sicht­weise annimmt“, gab er den Teilneh­me­rin­nen und Teilneh­merrn als Denkan­stoß mit auf den Weg.