Praktikum
In der Kritik: die Serie „Die Herzblut-Aufgabe“ auf Sat 1 Bild: Sat1 – André Kowal­ski

TV-Prakti­kum in der Kritik: Eine bitter nötige Öffent­lich­keits­ar­beit für den Pflege­be­ruf oder eine erneute Verzer­rung und Trivia­li­sie­rung des anspruchs­vol­len Berufs­bilds – das ist die große Frage. Denn eine neue TV-Reihe rund um ein Prakti­kum in der Pflege spaltet die Gemüter in der Branche: In der sechs­tei­li­gen Doku-Reihe „Die Herzblut-Aufgabe“ schickt der Sender sechs Promi­nente für die Zeit von vier Wochen auf Station.

Der Schau­spie­ler und Modera­tor Wayne Carpendale, Comedian Faisal Kawusi, Schla­ger­star Patrick Lindner, das Model Jorge Gonzá­lez und die Schau­spie­le­rin Jenny Elvers haben für das Format ein Prakti­kum im Helios-Klini­kum von Berlin-Buch absol­viert. Ab der dritten Folge stößt außer­dem Lilly Becker, die Exfrau des Tennis-Weltstars, zur Gruppe hinzu. Die jeweils 90-minüti­gen Folgen laufen seit 18. Oktober immer montags um 20.15 Uhr. Auch in der Media­thek des Senders sind die bislang schon ausge­strahl­ten Folgen abruf­bar.

Prakti­kum von Null an: Vor ihrem eigent­li­chen, von Kameras beglei­te­ten Einsatz auf den Statio­nen absol­vie­ren die Promi­nen­ten zunächst einen zweitä­gi­gen Crash­kurs im Klini­kum über die pflege­ri­schen Grund­la­gen. Angelei­tet von der Klinik-Pflege­di­rek­to­rin Sylvia Lehmann lernen sie beispiels­weise, wie man den Blutdruck misst, wie eine Hände­des­in­fek­tion richtig gemacht wird, man Patien­ten fachge­recht aufsetzt, wie eine Intim­rei­ni­gung funktio­niert oder man einen Verband wechselt.

Die späte­ren Einsatz­ge­biete der Promi-Prakti­kan­ten sind bunt gestreut. Während Kawusi in die Geria­trie geht, ist Carpendale in der Unfall­chir­ur­gie einge­setzt. Gonzá­lez‘ Einsatz­ge­biet ist die Pädia­trie, das von Jenny Elvers die Geburts­hilfe. Patrick Lindner sammelt Erfah­run­gen in der HNO- und Adipo­si­tas-Station. Becker wird, wie Kawusi, in der Geria­trie mithel­fen. Die Promis sind bei ihren Einsät­zen jeweils von einer Media­to­rin oder einem Media­tor beglei­tet.

Die berühmte „Pflegen-kann-jeder-Karte“ ausge­spielt

Während Sat.1 betont, mit dem Format der Pflege­bran­che Aufmerk­sam­keit und Sende­zeit geben sowie Anerken­nung schaf­fen zu wollen, gibt es auch kriti­sche Stimmen aus der Berufs­gruppe selbst. Von einem „Dschun­gel­camp der Pflege“ spricht Stefan Heyde, Initia­tor der Aktion „Pflege­kräfte in Not“, in seinem Gastkom­men­tar für RDG Online. „Wieder einmal spielt man damit die berühmte ‚Pflegen-kann-jeder‘-Karte aus“, meint er. Weder den ohnehin unter Stress stehen­den Abtei­lun­gen, noch den Patien­ten selbst, sei mit der Anwesen­heit der Promi-Prakti­kan­ten und der sie beglei­ten­den Kamera­teams gedient.

Auch der Inten­siv­pfle­ger Ralf Berning, der sich ebenfalls für bessere Pflege-Bedin­gun­gen engagiert, kriti­siert den Ansatz. Das Bild, dass sich den Zuschau­ern biete, sei „total geschönt“, sagte er dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). „Keiner hat in der Reali­tät die Zeit und Ruhe, die dort bei Sat.1 gezeigt wird.“ Von einer „Schwarz­wald­kli­nik als Real-Life-Doku“, die ohne Perso­nal­not­stand und Doppel­schich­ten auskomme, lästert Twitter-Userin EmmaMH.

Idee zu Prakti­kum-TV aus Belgien

Dem Publi­kum scheint der Ansatz mit einem Prakti­kum unter­des­sen jedoch zu gefal­len: Laut des Online-Medien­ma­ga­zins DWDL regis­trierte die zweite Folge am 25. Oktober hochge­rech­net 1,63 Millio­nen Zuschauer, eine Steige­rung um rund 300.000 zur ersten Folge der Doku. Die Idee zur Serie stammt übrigens aus Belgien: Hier jobbten 2020 unter dem Titel „Een echte job“ ebenfalls fünf Bekannt­hei­ten aus dem Nachbar­land in einem Klini­kum.

Ebenfalls vor einem Jahr sorgten in Deutsch­land die #Ehren­pfle­gas für Schlag­zei­len: Die über YouTube verbrei­tete Mini-Comedy­se­rie im Auftrag des Bundes­fa­mi­li­en­mi­nis­te­ri­ums über drei Jobst­ar­ter, die eine Pflege-Ausbil­dung begin­nen, sollte Jugend­li­chen und jungen Erwach­se­nen Lust auf einen Berufs­ein­stieg in der Pflege machen – fiel aber beim aller­größ­ten Teil des Publi­kums, sowie bei den Pflege­ver­bän­den, durch.

Die Pflege werde verächt­lich gemacht und als Sammel­be­cken für Deppen darge­stellt; zudem sei die Darstel­lung von Klischees und Vorur­tei­len durch­setzt, so die Haupt-Vorwürfe. Zu aller­min­dest, was diese Punkte betrifft, hat es Sat.1 mit seiner Reality-Doku nun offen­sicht­lich besser gemacht als die schräge Comedy­reihe.