Im Schwimmbad der Domresidenz
She doesn’t look her age – Die Vorle­se­rin

Nicht nur, weil hier ein künst­le­ri­sches Format reali­siert wurde, das sich mutig und kraft­voll mit Themen wie Alter, Körper­bil­dern und gesell­schaft­li­cher Unsicht­bar­keit ausein­an­der­setzt. Sondern vor allem, weil die Bewoh­ne­rin­nen der Residenz am Dom nicht nur stille Zuschaue­rin­nen waren – sondern aktive Mitwir­kende auf der Bühne.

Im Schwimmbad der Domresidenz
Monika Krämer während ihrer Perfor­mance im „Jungbrun­nen“

Das Wasser­be­cken wurde zum politi­schen Raum, der das Publi­kum nicht nur räumlich umschloss, sondern auch emotio­nal. Die älteren Darstel­le­rin­nen erzähl­ten von Brüchen und Schön­hei­ten ihrer Körper­bio­gra­fien, von Pflege, von Scham, Begeh­ren und Stärke. Die sinnli­che Insze­nie­rung aus Musik, Tanz, biogra­fi­schen Texten und grotes­ken Wellness­ri­tua­len war gleich­zei­tig poetisch wie provo­kant.

Gegen das Unsicht­bar­wer­den – Für eine Kultur des Alterns

Im persön­li­chen Gespräch mit den betei­lig­ten Senio­rin­nen nach der Vorstel­lung war eine große Zufrie­den­heit spürbar – ja, ich möchte fast sagen: echtes Glück. Es war eine Freude zu erleben, wie sehr sie in der gemein­sa­men Arbeit aufblüh­ten. Diese Perfor­mance hat ihnen eine Stimme und eine Sicht­bar­keit gegeben, die vielen älteren Menschen in unserer Gesell­schaft leider oft versagt bleibt.

Schwimmbad der Domresidenz
von links nach rechts: Monika Krämer, Rolf Emmerich, Marie-Ange Meyer-Plate, Volker Großkopf

Am Ende der Veran­stal­tung durften auch die Zuschauer den Swimming­pool – welcher den Jungbrun­nen symbo­li­sierte – nutzen. Hiervon wurde tatsäch­lich auch ausgie­big gebrauch gemacht.

Im Schwimmbad der Domresidenz
She doesn’t look her age – die Zuschauer im Schwimm­bad

Ich bin überzeugt: Es braucht deutlich mehr solcher Projekte, die Kunst und Pflege, Teilhabe und Öffent­lich­keit so gelun­gen mitein­an­der verbin­den. Die Auffüh­rung wurde vom Publi­kum mit lang anhal­ten­dem Applaus gefei­ert – zu Recht.

Ein Appell an Kultur, Politik und Gesell­schaft

Als Heraus­ge­ber der Rechts­de­pe­sche für das Gesund­heits­we­sen sehe ich in dieser Perfor­mance nicht nur ein kultu­rel­les, sondern ein gesell­schaft­li­ches State­ment. She doesn’t look her age ist ein eindrucks­vol­les Beispiel dafür, wie künst­le­ri­sche Inter­ven­tio­nen im Pflege- und Gesund­heits­kon­text Empower­ment und Sicht­bar­keit erzeu­gen können, Meinen Dank richte ich auch an die Veran­stal­ter des Sommer­blut Kultur­fes­ti­vals, die eine solch wegwei­sende Produk­tion in ihr diesjäh­ri­ges Programm aufge­nom­men haben.

Ich wünsche mir, dass dieses Projekt viele Nachah­mer findet. Denn Altern darf kein Makel sein – sondern muss als Ausdruck von Leben, Erfah­rung und Würde begrif­fen werden.