Wundversorgung soll leichter werden! Manche Wunden wollen einfach nicht verheilen. Während kleinere Verletzungen im Alltag schon nach wenigen Tagen geheilt sind, brauchen chronischen Wunden dafür viel länger – sie verschießen sich nur langsam, gehen wieder auf oder wollen gar nicht heilen.
Das kann viele Ursachen haben: ein schwaches Immunsystem, Durchblutungsstörungen, Venenschwächen und Diabetes sind nur einige Gründe. Zu den häufigsten chronischen Wunden zählen Unterschenkelgeschwüre, Dekubitalgeschwüre und das diabetische Wundgeschwür.
Chronische Wunden können zu erheblichen körperlichen und psychischen Leiden führen. Die Behandlung ist für die Patienten meist schmerzhaft und dauert seine Zeit. Ein richtiges Wundmanagement ist dabei das Wichtigste. Nun soll mit Hilfe neuer Technologie die Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden erheblich erleichtert werden. Und zwar durch die digitale Wundversorgung. Fortschritte in diesem Bereich wurden nicht zuletzt durch die Coronapandemie begünstigt. Mittlerweile wird auch die Telemedizin bei der Wundversorgung eingesetzt.
Was ist Telemedizin?
Mit Telemedizin ist es möglich, dass die Behandlung von chronischen Wunden auch dann denkbar ist, wenn Patient und Pflegekraft nicht in einem Raum sind. Hierzu werden audiovisuelle Kommunikationstechnologien genutzt. Das bedeutet: Schon mit dem eigenen Smartphone ist Telemedizin denkbar. Vor allem für ländliche Regionen ist die neue Technologie eine Chance für die medizinische Versorgung. Doch auch während der Coronapandemie hat sich die Telemedizin als sehr hilfreich erwiesen. Denn natürlich kann es verschiedene Gründe geben, warum ein Patient zum Beispiel nicht in der Arztpraxis erscheinen kann.
So lassen sich erhebliche Qualitätsunterschiede in der Behandlung ausschließen, da die Versorgungsmöglichkeiten nicht allerorts gleich sind. Diese hängt nämlich stark von der Expertise des Personals und den richtigen Verbandsmitteln ab. Mit der Telemedizin wäre es so Patienten möglich, immer mit geschulten Fachärzten in Kontakt zu treten, um die bestmögliche Behandlung sicherzustellen.
Konkrete Behandlungsmaßnahmen bei der Wundversorgung
Konkret kann die Telemedizin dabei in den Bereichen Diagnostik, Konsultation und den Diensten des medizinischen Notfalldienstes eingesetzt werden. Drei Bereiche können hier unterschieden werden:
- Real-Time-Medizin
- Tele-Expertise
- Remote-Patient-Monitoring
Bei der Real-Time Medizin geht es um den Austausch von Pflegekraft und Patient in Echtzeit. Die Tele-Expertise kann ohne das Beisein des Patienten erfolgen und zwar in dem der Arzt mit Wundbildern den Rat von Experten einholt. Hier werden für die optimale Versorgung Patientendaten wie Blutdruck, Bewegung usw. übermittelt, die dann von Ärzten und Pflegepersonal ausgewertet werden können.
Gerade die Behandlung aus der Ferne mit Videosprechstunden ist heute sehr gut möglich. In der Praxis bedeutet das, dass Wundexperten bzw. nicht medizinische Fachangestellte die Patienten vor Ort besuchen. Über Videokonsultation tauschen diese sich dann mit den entsprechenden Fachärzten und Experten aus, um die Versorgung des Patienten abzustimmen.
Ein solches Verfahren wird heute schon durch das „Telearzt-System“ realisiert. Hier kommt der sogenannte „Telearzt-Rucksack“ zum Einsatz, den die medizinischen Fachangestellten mit sich führen. In dem Rucksack befindet sich die nötige technische Ausstattung, die für die Videokonsultation notwendig sind. So können die medizinischen Fachangestellten delegierbare Leistungen ausführen und Daten wie Sauerstoffgehalt, EKG und Lungenfunktion erheben.
Aktuelles Praxisbeispiel zur Wundversorgung durch Telemedizin ist auch das Projekt „Soma WL“. Hierbei handelt es sich um ein Versorgungsmodell in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Hierbei soll ein Netz zur Wundversorgung aufgebaut werden, bei dem netzeigene Wundexperten die regelmäßigen Besuche bei den Patienten übernehmen. Die Wundexperten tauschen sich dann mit den Fachärzten des Ärztenetzwerks sowie Expertem der angebundenen Kliniken über die Wundbehandlung der Patienten aus.
Was in Zukunft möglich sein wird
Bis deutschlandweit standardisierte Verfahren zur telemedizinschen Versorgung von chronischen Wunden zum Einsatz kommen, wird es wohl noch einige Zeit dauern. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass Fernbehandlungen in Deutschland erst seit wenigen Jahren möglich sind. 2018 hatte der deutsche Ärztetag ein bis dahin geltendes berufsrechtliches Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung gelockert und damit den Weg frei für die Telemedizin gemacht. Deshalb ist es heute möglich, dass zumindest das „Telearzt-System“ bereits in zwölf der 17 Bezirke der Kassenärztlichen Vereinigung eingesetzt wird.
Heute sind zudem innovative Konzepte wie „Xpert-Eye“ möglich. Hierbei handelt es sich um eine Videodatenbrille, die in Echtzeit Sichtfeld, Gesten und die Stimme übertragen kann. So könnte der Facharzt sich die Wunden des Patienten in der ambulanten Behandlung von seiner Praxis aus angucken. Die Brille war Sieger des Zukunftspreises der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 2018 und wird seit Juni 2021 in einer ersten Testphase bei Hausbesuchen von Praxisassistenten eingesetzt.