Der Einsatz von MTPS sollte neu bewertet werden: Bei Krankenhauspatienten mit längerer Immobilisierung besteht die Gefahr einer tiefen Venenthrombose, mit dem Folgerisiko einer lebensgefährlichen Lungenembolie.
Bei Kranken­haus­pa­ti­en­ten mit länge­rer Immobi­li­sie­rung besteht die Gefahr einer tiefen Venen­throm­bose, mit dem Folge­ri­siko einer lebens­ge­fähr­li­chen Lungen­em­bo­lie. Bild: Illus­tra­tion 138416250 © Victor Josan – Dreamstime.com

Eine längere Immobi­li­sie­rung bei hospi­ta­li­sier­ten Patien­ten (zum Beispiel aufgrund einer Opera­tion oder einer anderen medizi­ni­schen Gegeben­heit) erhöht das Risiko einer tiefen Venen­throm­bose (TVT) in den Bein- oder Becken­ve­nen. Zusätz­lich besteht die Gefahr, dass der Throm­bus in die Lunge wandert und dort eine lebens­ge­fähr­li­che Lungen­em­bo­lie auslöst. Zur Prophy­laxe einer TVT können Antiko­agu­lan­tien einge­setzt werden, die aller­dings das Blutungs­ri­siko erhöhen können. Bei frisch operier­ten oder kurz vor einer OP stehen­den Patien­ten birgt diese Thera­pie zusätz­li­che Risiken.

Eine weitere Möglich­keit der Throm­bo­se­pro­phy­laxe ist der Einsatz medizi­ni­scher Throm­bo­se­pro­phy­la­xestrümpfe (MTPS), die durch einen abfal­len­den Druck­ver­lauf von distal nach proxi­mal die Blutströ­mung günstig beein­flus­sen und somit der Bildung von Throm­ben effek­tiv vorbeu­gen können. Ein aktuel­ler Cochrane Review, der die Ergeb­nisse von 20 rando­mi­sier­ten kontrol­lier­ten Studien zusam­men­fasst, zeigt die Wirksam­keit von MTPS* zur Präven­tion einer TVT.

Wirksamkeit

Die MTPS wurden von den Patien­ten ab einen Tag vor der OP oder ab dem OP-Tag bis zur Entlas­sung oder bis zum Wieder­erlan­gen der vollstän­di­gen Mobili­tät getra­gen.

Die Ergeb­nisse des Cochrane Reviews sind eindeu­tig

Ergebnisse

Bei hospi­ta­li­sier­ten Patien­ten, die keine MTPS (n = 1408) erhiel­ten, entwi­ckelte sich bei 21 % der Patien­ten (n = 290) eine TVT, während unter den Patien­ten, die mit MTPS versorgt wurden (n = 1445), ledig­lich 9 % (n = 134) eine TVT entwi­ckel­ten. Somit verrin­gern MTPS das Risiko einer TVT hochsi­gni­fi­kant (Peto OR = 0,35; p = < 0,001). Die Zusam­men­fas­sung der 20 RCTs und die hohe Anzahl der einge­schlos­se­nen Studi­en­teil­neh­mer führen zu einer hohen Quali­tät der Evidenz für den Einsatz von MTPS (Evidenz­grad A nach GRADE).

Zusätz­lich wurden mögli­che Folgen und Kompli­ka­tio­nen einer TVT im Cochrane Review ausge­wer­tet. Acht Studien unter­such­ten die Entwick­lung einer proxi­ma­len TVT: Diese trat bei 5 % der Patien­ten ohne MTPS auf (n / N = 28 / 518), wohin­ge­gen nur 1 % der Patien­ten mit MTPS (n / N = 7 / 517) eine proxi­male TVT entwi­ckel­ten. Des Weite­ren unter­such­ten fünf Studien zusätz­lich das Auftre­ten einer Lungen­em­bo­lie. In der Gruppe der Patien­ten ohne MTPS waren 5 % (n / N = 14 / 286) betrof­fen, wohin­ge­gen in der Gruppe der Patien­ten mit MTPS nur 2 % (n / N = 5 / 283) eine Lungen­em­bo­lie entwi­ckel­ten. Auch diese Ergeb­nisse waren jeweils signi­fi­kant.

In einer Subgrup­pen­ana­lyse wurden die Studien nach Hospi­ta­li­sie­rungs­grund ausge­wer­tet. Auch hier zeigte sich, dass MTPS das Risiko einer (proxi­ma­len) TVT reduzie­ren – sowohl bei hospi­ta­li­sier­ten Patien­ten mit Opera­tion als auch bei Patien­ten, die nach einem akuten Herzin­farkt statio­när im Kranken­haus aufge­nom­men wurden.

Die Schluss­fol­ge­rung der Autoren fällt daher eindeu­tig aus: „Es zeigt sich eine hohe Quali­tät der Evidenz, dass MTPS das Risiko einer TVT bei hospi­ta­li­sier­ten Patien­ten, die sich einer allge­mei­nen oder ortho­pä­di­schen Opera­tion unter­zo­gen haben, – mit oder ohne zusätz­li­cher Throm­bo­se­pro­phy­laxe, falls klinisch angezeigt, – effek­tiv verrin­gern.“

Aktuelle Daten belegen einen hohen Anstieg der Fallzah­len an Lungen­em­bo­lien in deutschen Klini­ken. Im Jahr 2016 wurden in Deutsch­land 57.000 Fälle diagnos­ti­ziert, was einem Anstieg von über 50 % im Vergleich zum Jahr 2000 entspricht.[2]

Die Haupt­ur­sa­che einer Lungen­em­bo­lie ist eine vorhe­rige Throm­bose, die im klini­schen Alltag vor allem durch Immobi­li­tät sowie opera­tive Eingriffe entste­hen kann. Eine wirksame Throm­bo­se­pro­phy­laxe ist daher immens wichtig, um die steigende Zahl an Lungen­em­bo­lien in Klini­ken zu reduzie­ren.

Weitere Studien bringen neue Erkennt­nisse für die Throm­bo­se­pro­phy­laxe

Nun wurden erstmals die Ergeb­nisse der zusätz­li­chen Wirkung der MTPS in den Zulas­sungs­stu­dien von Edoxa­ban publi­ziert.[3][4] Bei Betrach­tung der gesam­ten Patien­ten­zahl beider Studien betrug die Inzidenz der venösen Throm­bo­em­bo­lien ledig­lich 6 %, wenn MTPS getra­gen wurden, sowie 13 %, wenn keine MTPS getra­gen wurden. Dies zeigt sehr gut, dass MTPS große Effekte haben und das Throm­bo­se­ri­siko um zusätz­lich 50 % reduzie­ren können. Aufgrund dieser Erkennt­nisse geben die Autoren folgen­des State­ment ab: „Insofern ist die Formu­lie­rung der aktuel­len deutschen S3-Leitli­nie, dass die Nicht­an­wen­dung von MTPS in den aller­meis­ten Fällen expli­zit im Empfeh­lungs­kor­ri­dor dieser Leitli­nie liegt, vollkom­men unver­ständ­lich.“[3]

Aufgrund dieser aktuel­len und hochqua­li­ta­ti­ven Evidenz sollte der Einsatz von MTPS daher neu bewer­tet werden.

Weitere Einsatz­ge­biete von klini­schen Kompres­si­ons­strümp­fen

Im klini­schen Alltag gibt es zahlrei­che Indika­tio­nen für den Einsatz von Kompres­sion: Hierzu zählen neben der Prophy­laxe und Thera­pie von venösen Throm­bo­sen die Prophy­laxe und Reduk­tion von postope­ra­ti­ven und posttrau­ma­ti­schen Ödemen und Hämato­men sowie damit einher­ge­hen­der Schmer­zen. Zur optima­len Behand­lung dieser Krank­heits­bil­der muss die Kompres­sion an die jewei­lige Indika­tion, Situa­tion und Mobili­tät des Patien­ten angepasst werden. Für den klini­schen Einsatz bietet medi Strümpfe in drei verschie­de­nen Kompres­si­ons­stär­ken: leicht, mittel und kräftig.

Quellen:

* Im englisch­spra­chi­gen Origi­nal­ar­ti­kel (Cochrane Review) wird der Begriff GCS (gradua­ted compres­sion stocking) verwen­det. Dieser Begriff ist irrefüh­rend, da er sowohl medizi­ni­sche Kompres­si­ons­strümpfe (MKS) als auch medizi­ni­sche Throm­bo­se­pro­phy­la­xestrümpfe (MTPS) umfas­sen kann. Da im Cochrane Review die Thera­pie­maß­nah­men zur Throm­bo­se­pro­phy­laxe unter­sucht wurden, wird im vorlie­gen­den Artikel die Bezeich­nung MTPS verwen­det.
** Andere Throm­bo­se­pro­phy­laxe-Maßnah­men: Verwen­dung von Dextran 70, Aspirin, Heparin und der dynami­schen Kompres­si­ons­the­ra­pie.

Quellen:

  1. Sachdeva A et al. Cochrane Database Syst Rev 2018;11:CD001484.
  2. Gesund­heits­be­richt­erstat­tung des Bundes. Diagno­se­da­ten der Kranken­häu­ser. Online veröf­fent­licht unter: www.gbe-bund.de (Letzter Zugriff 21.06.2018).
  3. Kroeger K, Kujath P. Medizi­ni­sche Throm­bo­se­pro­phy­la­xestrümpfe – große Wirkung in Zulas­sungs­stu­dien von Edoxa­ban. Zentralbl Chir 2017;142(05):492–495.
  4. Fiji T et al. Clini­cal benefit of gradua­ted compres­sion stockings for preven­tion of venous throm­bo­em­bo­lism after total knee arthro­plasty: post hoc analy­sis of a phase 3 clini­cal study of edoxa­ban. Thromb J 2016;14:13.