Eine längere Immobilisierung bei hospitalisierten Patienten (zum Beispiel aufgrund einer Operation oder einer anderen medizinischen Gegebenheit) erhöht das Risiko einer tiefen Venenthrombose (TVT) in den Bein- oder Beckenvenen. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass der Thrombus in die Lunge wandert und dort eine lebensgefährliche Lungenembolie auslöst. Zur Prophylaxe einer TVT können Antikoagulantien eingesetzt werden, die allerdings das Blutungsrisiko erhöhen können. Bei frisch operierten oder kurz vor einer OP stehenden Patienten birgt diese Therapie zusätzliche Risiken.
Eine weitere Möglichkeit der Thromboseprophylaxe ist der Einsatz medizinischer Thromboseprophylaxestrümpfe (MTPS), die durch einen abfallenden Druckverlauf von distal nach proximal die Blutströmung günstig beeinflussen und somit der Bildung von Thromben effektiv vorbeugen können. Ein aktueller Cochrane Review, der die Ergebnisse von 20 randomisierten kontrollierten Studien zusammenfasst, zeigt die Wirksamkeit von MTPS* zur Prävention einer TVT.
Die MTPS wurden von den Patienten ab einen Tag vor der OP oder ab dem OP-Tag bis zur Entlassung oder bis zum Wiedererlangen der vollständigen Mobilität getragen.
Die Ergebnisse des Cochrane Reviews sind eindeutig
Bei hospitalisierten Patienten, die keine MTPS (n = 1408) erhielten, entwickelte sich bei 21 % der Patienten (n = 290) eine TVT, während unter den Patienten, die mit MTPS versorgt wurden (n = 1445), lediglich 9 % (n = 134) eine TVT entwickelten. Somit verringern MTPS das Risiko einer TVT hochsignifikant (Peto OR = 0,35; p = < 0,001). Die Zusammenfassung der 20 RCTs und die hohe Anzahl der eingeschlossenen Studienteilnehmer führen zu einer hohen Qualität der Evidenz für den Einsatz von MTPS (Evidenzgrad A nach GRADE).
Zusätzlich wurden mögliche Folgen und Komplikationen einer TVT im Cochrane Review ausgewertet. Acht Studien untersuchten die Entwicklung einer proximalen TVT: Diese trat bei 5 % der Patienten ohne MTPS auf (n / N = 28 / 518), wohingegen nur 1 % der Patienten mit MTPS (n / N = 7 / 517) eine proximale TVT entwickelten. Des Weiteren untersuchten fünf Studien zusätzlich das Auftreten einer Lungenembolie. In der Gruppe der Patienten ohne MTPS waren 5 % (n / N = 14 / 286) betroffen, wohingegen in der Gruppe der Patienten mit MTPS nur 2 % (n / N = 5 / 283) eine Lungenembolie entwickelten. Auch diese Ergebnisse waren jeweils signifikant.
In einer Subgruppenanalyse wurden die Studien nach Hospitalisierungsgrund ausgewertet. Auch hier zeigte sich, dass MTPS das Risiko einer (proximalen) TVT reduzieren – sowohl bei hospitalisierten Patienten mit Operation als auch bei Patienten, die nach einem akuten Herzinfarkt stationär im Krankenhaus aufgenommen wurden.
Die Schlussfolgerung der Autoren fällt daher eindeutig aus: „Es zeigt sich eine hohe Qualität der Evidenz, dass MTPS das Risiko einer TVT bei hospitalisierten Patienten, die sich einer allgemeinen oder orthopädischen Operation unterzogen haben, – mit oder ohne zusätzlicher Thromboseprophylaxe, falls klinisch angezeigt, – effektiv verringern.“
Aktuelle Daten belegen einen hohen Anstieg der Fallzahlen an Lungenembolien in deutschen Kliniken. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 57.000 Fälle diagnostiziert, was einem Anstieg von über 50 % im Vergleich zum Jahr 2000 entspricht.[2]
Die Hauptursache einer Lungenembolie ist eine vorherige Thrombose, die im klinischen Alltag vor allem durch Immobilität sowie operative Eingriffe entstehen kann. Eine wirksame Thromboseprophylaxe ist daher immens wichtig, um die steigende Zahl an Lungenembolien in Kliniken zu reduzieren.
Weitere Studien bringen neue Erkenntnisse für die Thromboseprophylaxe
Nun wurden erstmals die Ergebnisse der zusätzlichen Wirkung der MTPS in den Zulassungsstudien von Edoxaban publiziert.[3][4] Bei Betrachtung der gesamten Patientenzahl beider Studien betrug die Inzidenz der venösen Thromboembolien lediglich 6 %, wenn MTPS getragen wurden, sowie 13 %, wenn keine MTPS getragen wurden. Dies zeigt sehr gut, dass MTPS große Effekte haben und das Thromboserisiko um zusätzlich 50 % reduzieren können. Aufgrund dieser Erkenntnisse geben die Autoren folgendes Statement ab: „Insofern ist die Formulierung der aktuellen deutschen S3-Leitlinie, dass die Nichtanwendung von MTPS in den allermeisten Fällen explizit im Empfehlungskorridor dieser Leitlinie liegt, vollkommen unverständlich.“[3]
Aufgrund dieser aktuellen und hochqualitativen Evidenz sollte der Einsatz von MTPS daher neu bewertet werden.
Weitere Einsatzgebiete von klinischen Kompressionsstrümpfen
Im klinischen Alltag gibt es zahlreiche Indikationen für den Einsatz von Kompression: Hierzu zählen neben der Prophylaxe und Therapie von venösen Thrombosen die Prophylaxe und Reduktion von postoperativen und posttraumatischen Ödemen und Hämatomen sowie damit einhergehender Schmerzen. Zur optimalen Behandlung dieser Krankheitsbilder muss die Kompression an die jeweilige Indikation, Situation und Mobilität des Patienten angepasst werden. Für den klinischen Einsatz bietet medi Strümpfe in drei verschiedenen Kompressionsstärken: leicht, mittel und kräftig.
Quellen:
* Im englischsprachigen Originalartikel (Cochrane Review) wird der Begriff GCS (graduated compression stocking) verwendet. Dieser Begriff ist irreführend, da er sowohl medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) als auch medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe (MTPS) umfassen kann. Da im Cochrane Review die Therapiemaßnahmen zur Thromboseprophylaxe untersucht wurden, wird im vorliegenden Artikel die Bezeichnung MTPS verwendet.
** Andere Thromboseprophylaxe-Maßnahmen: Verwendung von Dextran 70, Aspirin, Heparin und der dynamischen Kompressionstherapie.
Quellen:
- Sachdeva A et al. Cochrane Database Syst Rev 2018;11:CD001484.
- Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Diagnosedaten der Krankenhäuser. Online veröffentlicht unter: www.gbe-bund.de (Letzter Zugriff 21.06.2018).
- Kroeger K, Kujath P. Medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe – große Wirkung in Zulassungsstudien von Edoxaban. Zentralbl Chir 2017;142(05):492–495.
- Fiji T et al. Clinical benefit of graduated compression stockings for prevention of venous thromboembolism after total knee arthroplasty: post hoc analysis of a phase 3 clinical study of edoxaban. Thromb J 2016;14:13.