Die Einwilligung als Rechtfertigung für den Heileingriff
Die Einwilligung eines Patienten in eine Heilbehandlung ist notwendig, um den behandelnden Arzt vor Strafbarkeit wegen Körperverletzung zu schützen. Ihr kommt somit eine rechtfertigende Wirkung zu. Einschränkend hierbei ist § 228 StGB.
Rein rechtlich gesehen, erfüllt demnach ein operierender Arzt den Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 StGB – selbst dann, wenn der Heileingriff schulmedizinisch indiziert ist. Nur, wenn der Patient einwilligt, kann die Verwirklichung des Tatbestandes rechtfertigend auflösen.
Zivilrechtlich geregelt ist die Einwilligung durch § 630d BGB im Rahmen der Vorschriften über den Behandlungsvertrag. Demnach ist der Behandelnde dazu verpflichtet, vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, die Einwilligung des Patienten einzuholen.
Ist der Patient selbst nicht mehr dazu in der Lage sich eigenständig zu äußern, muss hierzu ein berechtigter Vertreter erhört werden. Kann die Einwilligung nicht rechtzeitig eingeholt werden, muss der mutmaßliche Wille des Patienten festgestellt werden. In diesem Zusammenhang können drei Formen voneinander unterschieden werden.
Grundsätzlich zielt der Gesetzgeber mit dem Instrument der Einwilligung darauf ab, dass die Rechtsgüter des Patienten, wie die Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechte, gewahrt werden.
Kundgegebene Einwilligung
Die kundgegebene Einwilligung liegt vor, wenn eine Person ausdrücklich oder konkludent (also durch schlüssiges Verhalten) ihre Zustimmung zu einer ärztlichen Behandlung gibt. Dies geschieht meist durch eine mündliche oder schriftliche Erklärung, kann aber auch durch eindeutiges Verhalten erfolgen, etwa wenn ein Patient freiwillig den Behandlungsraum betritt und sich auf die Untersuchungsliege setzt.
Bevor der Patient einwilligt, muss er umfassend aufgeklärt worden sein. Eine kundgegebene Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden. Sie gilt nur für die konkret erklärte Maßnahme und muss für jede neue Behandlung erneut eingeholt werden.
Fehlt dem betroffenen Patienten aber die nötige Urteilsfähigkeit, kann die sogenannte Verfügungsbefugnis über die Rechtsgüter des Patienten auf andere Personen übergehen. So etwa bei minderjährigen Patienten, wo dann die Personensorgeberechtigten – im Regelfall also die Eltern – über einen Heileingriff entscheiden können. Auch kann dem gesetzlichen Betreuer oder einem Vorsorgebevollmächtigten bei einem einwilligungsunfähigen Patienten die Verfügungsbefugnis übertragen werden.
Mutmaßliche Einwilligung
Die mutmaßliche Einwilligung liegt vor, wenn eine ausdrückliche Zustimmung nicht eingeholt werden kann, aber angenommen werden darf, dass der Patient dem Eingriff zugestimmt hätte, wenn er gefragt worden wäre. Dies ist insbesondere in medizinischen Notfällen der Fall, wenn der Patient bewusstlos ist oder sich in einem Zustand befindet, in dem er nicht selbstständig einwilligen kann. Entscheidend ist, was dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht, also ob er sich bei bewusster Entscheidung für die Behandlung entschieden hätte.
Ärzte müssen dabei nach bestem Wissen und Gewissen sowie unter Berücksichtigung der bekannten oder vermuteten Wertvorstellungen des Patienten handeln. Wenn eine Patientenverfügung Hinweise auf den mutmaßlichen Willen zulässt, ist diese zu beachten. Die mutmaßliche Einwilligung darf nicht angenommen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dagegen sprechen, etwa eine bekannte Patientenverfügung, die bestimmte Behandlungen ausschließt. Bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens können auch Angehörige und enge Freunde befragt werden. Wichtig ist hierbei, dass nicht deren Wille entscheidend ist, sondern nur die Informationen, die sie über den Willen des Patienten äußern. Auch können neben der Patientenverfügung weiter frühe mündliche und schriftliche Äußerungen des betroffenen Patienten herangezogen werden. Im Wesentlichen kann sich der mutmaßliche Patientenwille also aus folgenden Prüfungskriterien ergeben:
- früheren mündlichen oder schriftlichen Äußerungen,
- der religiösen Überzeugung,
- sonstigen persönlichen Wertvorstellungen,
- der altersbedingten Lebenserwartung,
- künftigen Schmerzerwartungen und/oder
- Prognosen zum Krankheitsverlauf
Hypothetische Einwilligung
Die hypothetische Einwilligung spielt vor allem in haftungsrechtlichen Fällen eine Rolle und bedeutet, dass eine Behandlung auch dann rechtmäßig sein kann, wenn sie ohne ordnungsgemäße Aufklärung durchgeführt wurde, der Patient aber bei ordnungsgemäßer Aufklärung vermutlich trotzdem eingewilligt hätte. Das bedeutet, dass ein Arzt zwar seine Aufklärungspflicht verletzt haben kann, aber der Patient sich objektiv betrachtet dennoch für die Behandlung entschieden hätte.
In solchen Fällen kann der Arzt unter bestimmten Bedingungen von der Haftung für einen Aufklärungsfehler befreit sein. Die hypothetische Einwilligung wird oft in Prozessen diskutiert, in denen Patienten Schadensersatz oder Schmerzensgeld wegen unterlassener oder fehlerhafter Aufklärung fordern. Allerdings wird sie streng geprüft, und der Arzt muss darlegen, dass der Patient sich tatsächlich für die Behandlung entschieden hätte (vgl. OLG Naumberg – 1 U89/10). Die bloße Vermutung reicht nicht aus; es müssen konkrete Anhaltspunkte für die Entscheidung des Patienten vorliegen.
Haftungsrechtliche Relevanz ist also nur anzunehmen, wenn der Patient einwilligt, ohne vorher korrekt aufgeklärt worden zu sein.
Aufklärungspflichten vor der Einwilligung
Die Pflichten für eine ordnungsgemäße, vollständige und gewissenhafte Aufklärung sind im Rahmen des Behandlungsvertrags in § 630e BGB festgeschrieben. Demnach muss der Behandelnde den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufklären. Dazu gehören Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie.
Entscheidend ist hierbei, dass die Aufklärung immer mündlich erfolgen muss. Nur zur Ergänzung dürfen schriftliche Unterlagen wie ein Aufklärungsbogen genutzt werden. Auch darf der Patient mit der Entscheidung über den Eingriff nicht überrumpelt werden. Die Aufklärung muss also so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Einwilligung wohlüberlegt treffen kann.
Während des Aufklärungsgesprächs muss zudem sichergestellt werden, dass der Patient alle Informationen tatsächlich verstanden hat und nicht etwa aus Höflichkeit zustimmt und nickt.