
Ein anspruchsvoller Arbeitsbereich
Rechtsdepesche: Liebe Frau Biegus, die Personalsituation in der Pflege ist sehr angespannt. Das betrifft sicherlich die außerklinische Fachpflege in einem besonderen Maße. Wie stellt sich die Lage konkret im Wachkoma-Bereich dar?
Katja Biegus: Die Betreuung von Wachkomapatienten unterscheidet sich stark von der Pflege in einem regulären Pflegeheim. Es handelt sich häufig um intensivierte Behandlungspflege, beispielsweise durch das Verabreichen von Sondennahrung, speziell vorbereiteten Medikamenten über die PEG (redaktioneller Hinweis: Perkutane Endoskopische Gastrostomie) oder die Versorgung von Patienten mit Trachealkanüle. Für alle diese Tätigkeiten ist eine besondere Personalqualifikation unerlässlich.
Leider beobachte ich, dass sich viele Absolventinnen und Absolventen aufgrund der Wahlmöglichkeiten, die ihnen durch die generalistische Pflegeausbildung an die Hand gegebenen worden sind, eher für eine Tätigkeit in Kliniken entscheiden, was den Personalmangel in stationären Pflegeeinrichtung, insbesondere in der Versorgung von Schwerstpflegebedürftigen, weiter spürbar verschärft.
Wachkomapatienten benötigen intensive Behandlungspflege
Rechtsdepesche: Welcher Aufwand steckt hinter der Versorgung von Wachkomapatienten?
Biegus: Die Betroffenen sind nahezu alle schwerstpflegebedürftig und gehören sehr unterschiedlichen Altersklassen an – von Anfang 20 bis hin zu 60- oder 70-Jährigen. Die Schwere des Schädel-Hirn-Traumas spielt ebenfalls eine große Rolle für den Versorgungsbedarf.
Wichtig ist eine regelmäßige Lagerung und Mobilisierung, um Folgeschäden zu vermeiden. Hinzu kommt die intensive Behandlungspflege, beispielsweise die Versorgung mit einer Ernährungssonde oder die Unterstützung der Patienten mit schweren Atemwegsproblemen durch Trachealkanülen. Dieser Gesamtaufwand ist hoch und fordert viel Personal mit Fachkompetenz.
Rechtsdepesche: Wie wirkt sich die enterale Ernährung auf den Pflegeaufwand aus?
Biegus: Gerade nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist die enterale Ernährung oft noch nicht optimal eingestellt. Das führt dazu, dass die Bewohner unter der enteralen Ernährung leiden: So kann anfangs zu Unverträglichkeiten kommen, was den Pflege- und Betreuungsaufwand weiter erhöht. Die enterale Ernährung kann darüber hinaus den Verdauungstrakt belasten. Und es kann zu Wasseransammlungen im Darm kommen, die dann den Durchfall auslösen. Manchmal dauert es eine gewisse Zeit, bis sich die Ernährung stabilisiert hat.
Permanente Gefahr von Hautschädigungen
Rechtsdepesche: Bergen die Durchfälle nicht auch die Gefahr einer Inkontinenz-assoziierten Dermatitis (IAD)…
Biegus: Das hängt natürlich von der Stärke der Diarrhö ab. Aber ja, die Gefahr der Kontamination mit Kolibakterien ist groß. Eine IAD entsteht durch den wiederholten und längeren Kontakt der Haut mit Urin oder Stuhl, was die Haut aufweicht und anfälliger für Reizungen und Infektionen macht. Bei Durchfällen ist diese Exposition häufiger und intensiver, insbesondere im Intimbereich und Gesäß.
Rechtsdepesche: Das gilt mit Sicherheit auch für die Wachkomapatienten, die bereits unter einer chronischen Wunde im perianalen Bereich leiden…
Biegus: Hier gibt es in der Tat einen Zusammenhang. Eine dauerhafte IAD, zum Beispiel hervorgerufen durch den Stuhl, macht die Haut anfälliger für die Druckeinwirkungen und begünstigt damit unter anderem auch bei den immobilen Patienten die Entstehung eines Dekubitus. Zum einen begünstigen Störungen des Verdauungstrakts eine Kontamination mit Bakterien wie Escherichia coli, zum anderen sind immobile Patienten anfälliger für Druckschäden. Das Thema Lagerung kann in diesem Zusammenhang daher nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Ebenso steht die hygienische Reinigung der inkontinenten Patienten im Vordergrund. Bei all´ dem sind dann die pflegerischen Qualitätsvorgaben zu beachten. Ich denke da zum Beispiel an die DNQP-Expertenstandards zur Dekubitusprophylaxe und Kontinenzförderung. Alles in allem komme ich nicht umhin noch einmal zu betonen, dass dies alles einen hohen Personaleinsatz erfordert.
Der Einsatz moderner Hilfsmittel kann entlasten
Rechtsdepesche: Bekanntlich sind die Personaldecken aber dünn. Können moderne Hilfsmittel zur kontinuierlichen Stuhlableitung, wie zum Beispiel das Stuhldrainagesystem „hygh-tec Basic Plus“ diese angespannte Situation entlasten?
Biegus: Ein solches System könnte das Personal entlasten und wäre auch für die Bewohner eine Hilfe. Weniger Zeitaufwand für regelmäßige manuelle Stuhlabführungen verschafft dem Pflegepersonal wertvolle Zeit für andere pflegerische und klinische Aufgaben.
Gleichzeitig wird auch das Risiko hautbedingter Komplikationen gesenkt. Hinzu kommt, dass der Verbrauch an Inkontinenzmaterial ohne Stuhldrainagesysteme sehr hoch ist, was nicht nur bedeutende Kosten verursacht, sondern auch die Umwelt belastet. Ein Drainagesystem könnte hier Abhilfe schaffen, indem es die Anzahl an Vorlagen reduziert und die Versorgung bei hoher Stuhlfrequenz verbessert.
Rechtsdepesche: Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Biegus: Es wäre wünschenswert, wenn solche Hilfsmittel, die man eher aus Kliniken kennt, auch in der außerklinischen ambulanten und stationären Intensivpflege oder speziell für Wachkoma-Bereiche verfügbar wären, Altenpflegeheime mit eingeschlossen.
In Pflegeeinrichtungen sind wir häufig auf das angewiesen, was der Bewohner oder die Einrichtung finanziell tragen kann. Gerade bei starker Diarrhö oder großem Pflegeaufwand stoßen einfache Inkontinenzmaterialien schnell an ihre Grenzen, was das Personal zusätzlich belastet.
Ein Drainagesystem könnte in vielerlei Hinsicht helfen – es reduziert Personalressourcen, schont die Haut der Patienten und trägt insgesamt zu einer besseren Versorgungsqualität bei. Zudem wäre es aus umwelttechnischer Sicht sinnvoll, wenn wir weniger Inkontinenzmaterial entsorgen müssten.
Zur Person: Katja Biegus ist examinierte Gesundheits-und Krankenpflegerin und Fachkraft für außerklinische Beatmung. Seit 2020 betreut sie Wachkomapatienten.