Katja Biegus
Gesund­heits- und Kranken­pfle­ge­rin Katja Biegus betreut seit 2020 Wachko­ma­pa­ti­en­ten.

Ein anspruchs­vol­ler Arbeits­be­reich

Rechts­de­pe­sche: Liebe Frau Biegus, die Perso­nal­si­tua­tion in der Pflege ist sehr angespannt. Das betrifft sicher­lich die außer­kli­ni­sche Fachpflege in einem beson­de­ren Maße. Wie stellt sich die Lage konkret im Wachkoma-Bereich dar?

Katja Biegus: Die Betreu­ung von Wachko­ma­pa­ti­en­ten unter­schei­det sich stark von der Pflege in einem regulä­ren Pflege­heim. Es handelt sich häufig um inten­si­vierte Behand­lungs­pflege, beispiels­weise durch das Verab­rei­chen von Sonden­nah­rung, spezi­ell vorbe­rei­te­ten Medika­men­ten über die PEG (redak­tio­nel­ler Hinweis: Perku­tane Endosko­pi­sche Gastrosto­mie) oder die Versor­gung von Patien­ten mit Trache­al­ka­nüle. Für alle diese Tätig­kei­ten ist eine beson­dere Perso­nal­qua­li­fi­ka­tion unerläss­lich.

Leider beobachte ich, dass sich viele Absol­ven­tin­nen und Absol­ven­ten aufgrund der Wahlmög­lich­kei­ten, die ihnen durch die genera­lis­ti­sche Pflege­aus­bil­dung an die Hand gegebe­nen worden sind, eher für eine Tätig­keit in Klini­ken entschei­den, was den Perso­nal­man­gel in statio­nä­ren Pflege­ein­rich­tung, insbe­son­dere in der Versor­gung von Schwerst­pfle­ge­be­dürf­ti­gen, weiter spürbar verschärft.

Wachko­ma­pa­ti­en­ten benöti­gen inten­sive Behand­lungs­pflege

Rechts­de­pe­sche: Welcher Aufwand steckt hinter der Versor­gung von Wachko­ma­pa­ti­en­ten?

Biegus: Die Betrof­fe­nen sind nahezu alle schwerst­pfle­ge­be­dürf­tig und gehören sehr unter­schied­li­chen Alters­klas­sen an – von Anfang 20 bis hin zu 60- oder 70-Jähri­gen. Die Schwere des Schädel-Hirn-Traumas spielt ebenfalls eine große Rolle für den Versor­gungs­be­darf.

Wichtig ist eine regel­mä­ßige Lagerung und Mobili­sie­rung, um Folge­schä­den zu vermei­den. Hinzu kommt die inten­sive Behand­lungs­pflege, beispiels­weise die Versor­gung mit einer Ernäh­rungs­sonde oder die Unter­stüt­zung der Patien­ten mit schwe­ren Atemwegs­pro­ble­men durch Trache­al­ka­nü­len. Dieser Gesamt­auf­wand ist hoch und fordert viel Perso­nal mit Fachkom­pe­tenz.

Rechts­de­pe­sche: Wie wirkt sich die enter­ale Ernäh­rung auf den Pflege­auf­wand aus?

Biegus: Gerade nach der Entlas­sung aus dem Kranken­haus ist die enter­ale Ernäh­rung oft noch nicht optimal einge­stellt. Das führt dazu, dass die Bewoh­ner unter der enter­alen Ernäh­rung leiden: So kann anfangs zu Unver­träg­lich­kei­ten kommen, was den Pflege- und Betreu­ungs­auf­wand weiter erhöht. Die enter­ale Ernäh­rung kann darüber hinaus den Verdau­ungs­trakt belas­ten. Und es kann zu Wasser­an­samm­lun­gen im Darm kommen, die dann den Durch­fall auslö­sen. Manch­mal dauert es eine gewisse Zeit, bis sich die Ernäh­rung stabi­li­siert hat.

Perma­nente Gefahr von Hautschä­di­gun­gen

Rechts­de­pe­sche: Bergen die Durch­fälle nicht auch die Gefahr einer Inkon­ti­nenz-assozi­ier­ten Derma­ti­tis (IAD)

Biegus: Das hängt natür­lich von der Stärke der Diarrhö ab. Aber ja, die Gefahr der Konta­mi­na­tion mit Kolibak­te­rien ist groß. Eine IAD entsteht durch den wieder­hol­ten und länge­ren Kontakt der Haut mit Urin oder Stuhl, was die Haut aufweicht und anfäl­li­ger für Reizun­gen und Infek­tio­nen macht. Bei Durch­fäl­len ist diese Exposi­tion häufi­ger und inten­si­ver, insbe­son­dere im Intim­be­reich und Gesäß.

Rechts­de­pe­sche: Das gilt mit Sicher­heit auch für die Wachko­ma­pa­ti­en­ten, die bereits unter einer chroni­schen Wunde im periana­len Bereich leiden…

Biegus: Hier gibt es in der Tat einen Zusam­men­hang. Eine dauer­hafte IAD, zum Beispiel hervor­ge­ru­fen durch den Stuhl, macht die Haut anfäl­li­ger für die Druck­ein­wir­kun­gen und begüns­tigt damit unter anderem auch bei den immobi­len Patien­ten die Entste­hung eines Dekubi­tus. Zum einen begüns­ti­gen Störun­gen des Verdau­ungs­trakts eine Konta­mi­na­tion mit Bakte­rien wie Esche­ri­chia coli, zum anderen sind immobile Patien­ten anfäl­li­ger für Druck­schä­den. Das Thema Lagerung kann in diesem Zusam­men­hang daher nicht hoch genug einge­schätzt werden.

Ebenso steht die hygie­ni­sche Reini­gung der inkon­ti­nen­ten Patien­ten im Vorder­grund. Bei all´ dem sind dann die pflege­ri­schen Quali­täts­vor­ga­ben zu beach­ten. Ich denke da zum Beispiel an die DNQP-Exper­ten­stan­dards zur Dekubi­tus­pro­phy­laxe und Konti­nenz­för­de­rung. Alles in allem komme ich nicht umhin noch einmal zu betonen, dass dies alles einen hohen Perso­nal­ein­satz erfor­dert.

Der Einsatz moder­ner Hilfs­mit­tel kann entlas­ten

Rechts­de­pe­sche: Bekannt­lich sind die Perso­nal­de­cken aber dünn. Können moderne Hilfs­mit­tel zur konti­nu­ier­li­chen Stuhl­ab­lei­tung, wie zum Beispiel das Stuhl­drai­na­ge­sys­tem „hygh-tec Basic Plus“ diese angespannte Situa­tion entlas­ten?

Biegus: Ein solches System könnte das Perso­nal entlas­ten und wäre auch für die Bewoh­ner eine Hilfe. Weniger Zeitauf­wand für regel­mä­ßige manuelle Stuhl­ab­füh­run­gen verschafft dem Pflege­per­so­nal wertvolle Zeit für andere pflege­ri­sche und klini­sche Aufga­ben.

Gleich­zei­tig wird auch das Risiko hautbe­ding­ter Kompli­ka­tio­nen gesenkt. Hinzu kommt, dass der Verbrauch an Inkon­ti­nenz­ma­te­rial ohne Stuhl­drai­na­ge­sys­teme sehr hoch ist, was nicht nur bedeu­tende Kosten verur­sacht, sondern auch die Umwelt belas­tet. Ein Draina­ge­sys­tem könnte hier Abhilfe schaf­fen, indem es die Anzahl an Vorla­gen reduziert und die Versor­gung bei hoher Stuhl­fre­quenz verbes­sert.

Rechts­de­pe­sche: Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Biegus: Es wäre wünschens­wert, wenn solche Hilfs­mit­tel, die man eher aus Klini­ken kennt, auch in der außer­kli­ni­schen ambulan­ten und statio­nä­ren Inten­siv­pflege oder spezi­ell für Wachkoma-Berei­che verfüg­bar wären, Alten­pfle­ge­heime mit einge­schlos­sen.

In Pflege­ein­rich­tun­gen sind wir häufig auf das angewie­sen, was der Bewoh­ner oder die Einrich­tung finan­zi­ell tragen kann. Gerade bei starker Diarrhö oder großem Pflege­auf­wand stoßen einfa­che Inkon­ti­nenz­ma­te­ria­lien schnell an ihre Grenzen, was das Perso­nal zusätz­lich belas­tet.

Ein Draina­ge­sys­tem könnte in vieler­lei Hinsicht helfen – es reduziert Perso­nal­res­sour­cen, schont die Haut der Patien­ten und trägt insge­samt zu einer besse­ren Versor­gungs­qua­li­tät bei. Zudem wäre es aus umwelt­tech­ni­scher Sicht sinnvoll, wenn wir weniger Inkon­ti­nenz­ma­te­rial entsor­gen müssten.
Zur Person: Katja Biegus ist exami­nierte Gesund­heits-und Kranken­pfle­ge­rin und Fachkraft für außer­kli­ni­sche Beatmung. Seit 2020 betreut sie Wachko­ma­pa­ti­en­ten.