„Unser medizinisches Zentrum hat 24 Stunden am Tag geöffnet“, betonen Diego Pérez Sabata, der gerade diensthabende Arzt im Centro de Salud der Gemeinde Tejeda, sowie sein Kollege während der Schicht, der studierte Pfleger Antonio. „Ein Pfleger und ein Arzt sind hier rund um die Uhr anwesend“, erläutern sie auf Spanisch der 40-köpfigen Teilnehmergruppe der Winterakademie 2025 auf Gran Canaria, die sich mit auf die Exkursion in die Berge der Atlantikinsel begeben haben.
„Ein weiteres Centro de Salud betreiben wir mit dem gleichen Team in unserer Nachbargemeinde Artenara, dieses ist jedoch nur von 8 bis 20 Uhr auf.“ Heute, bis zum Mittag, seien schon zehn bis zwölf Patienten dagewesen, jedoch sämtlich auf Termin. „Operationen machen wir hier natürlich nicht. Diese finden im Krankenhaus von Las Palmas statt.“
Centro de Salud: Entschleunigung im gebirgigen Zentrum von Gran Canaria
Auf der Winterakademie 2025, die im Hotel Corallium Dunamar an der Playa del Inglés stattfindet, ging es diesmal für die Teilnehmenden richtig hoch hinaus: in die Berggemeinde Tejeda, auf über 1000 Metern Höhe in der gebirgigen Mitte von Gran Canaria gelegen. Zur Unterstützung des Ausflugs konnte in diesem Jahr wieder auf die bewährte Hilfe von Dr. Alia Pérez-Wehbe zurückgegriffen werden, die bei der Organisation und Planung geholfen hat.
Schon die Anfahrt ist ein Abenteuer – und ein echtes Erlebnis: Knapp zwei Stunden über unzählige Serpentinen benötigt man per Bus vom äußersten Inselsüden bis zum „Dach“ von Gran Canaria. In trocken-halbwüstenartiger Vegetation gestartet, wird die Landschaft mit zunehmender Höhe nach und nach immer grüner; schließlich säumen Feldterrassen und Mandelbäume die Landschaft, die zu dieser Jahreszeit in voller Blüte stehen. Mandeln und die Erzeugnisse hieraus, wie Marzipan oder der süße Aufstrich Bienmesabe, sind eine große Spezialität des kleinen Ortes; die Mandelblüte wird mit mehreren rauschenden Festen gefeiert.
Auf dem Dach der Atlantikinsel erwartet einen ein malerischer, ruhiger Ort, in dem die Uhren merklich langsamer gehen als im quirligen Inselsüden: Auch aus der Hauptstadt Las Palmas dauert die Anreise mindestens eine Stunde, ebenfalls in einer langwierigen Serpentinenfahrt. Der sanft in die Hänge der Bergketten geschmiegte, agrarisch geprägte Ort besteht aus weißen Häusern mit orangefarbenen Dachziegeln. Wer Trubel sucht, ist hier eindeutig falsch: Wenn überhaupt, ist Tejeda bei Wander‑, Erholungs- und Alternativ-Urlaubern beliebt – sowie bei Radfahrer-Gruppen, die den Ort als Bergankunft ihrer sportlich ambitionierten Tagestour wählen.
Nur knapp 4000 Personen leben insgesamt in Tejeda sowie dem westlich benachbarten Artenara. „Rund 40 Prozent der Bevölkerung sind über 65 Jahre alt“, betont Pérez Sabata. Dies hat Auswirkungen auf den Behandlungsalltag: Es gebe viele chronische Patienten, etwa Diabetiker oder Personen mit Bluthochdruck oder chronischen Wunden. „Wir machen hier Wundversorgung, oder beispielsweise Augen-Hintergrundmessungen und Lungenfunktionstests“, erzählt Antonio, der als Enfermero (Pflegekraft) einen Bachelor-Abschluss besitzt und vier Jahre hierfür studiert hat.
Bemerkenswert: Die weitaus meisten Routine-Aufgaben, einschließlich der Gabe von Injektionen oder einem Großteil der Analyse von Messwerten bei Patienten, übernimmt in Spanien die Pflegekraft; sie arbeitet in den Centros de Salud im Team mit dem diensthabenden Arzt. „Auch Pflegehilfsmittel oder Verbandmaterial kann ich selbstständig verschreiben, die Medikamente dagegen der Arzt.“
Pflegekräfte arbeiten deutlich selbstständiger als in Deutschland
Das Aufgabenspektrum und die Kompetenzen der Pflegekraft machen den gegenüber Deutschland deutlich höheren Stellenwert des Berufsbildes der Pflege deutlich, sowie die größere Selbstständigkeit bei der Arbeit. Dies schlägt sich auch in der Bezahlung nieder, die zwischen Arzt und Pflegekraft lediglich rund 1000 Euro Unterschied im Monat ausmacht. Insgesamt fünf Ärzte und fünf Pflegekräfte machen das Team des Centros de Salud aus, das zugleich das Filialzentrum in Artenara mitbetreut.
Einen sehr großen Unterschied zu Deutschland gibt es auch in der Zuständigkeit innerhalb des Systems: Als, quasi, institutionalisierte Hausarztpraxen, sind die Centros de Salud generell die erste, verpflichtende Anlaufstelle für Patienten bei fast allen Beschwerden – akute, lebensbedrohliche Notfälle natürlich ausgenommen. Von dort aus werden sie auf die medizinischen Fachbereiche verteilt. „Mittwochs kommt für Schwangere eine Hebamme bei uns auf Sprechstunde. Und alle zwei Wochen ist ein Spezialist für Ultraschall hier.“
Ein weiterer großer Unterschied zu Deutschland ist das je nach Wohnort fest zuständige Krankenhaus – das sich für den Nordteil der Insel in Las Palmas befindet, für die Einwohner des Insel-Südens in Maspalomas. „In Artenara gibt es außerdem ein Seniorenheim, und in beiden Orten eine Apotheke.“ Für Kinderheilkunde ist hingegen die Kinderklinik in Teror, ebenfalls im Norden der Insel gelegen, zuständig. Im Centro de Salud werden für junge Patienten lediglich kleine Routineaufgaben erledigt – oder natürlich auch im Notfall tätig geworden.