Dienstplanänderung
Der Dienst­plan: wann, wie ist er gültig bei Änderun­gen? Bild: © Ilcho Trajkov­ski | Dreamstime.com

Betriebs­rat verein­barte spezi­elle Sprin­ger­dienste

Dienst­plan­än­de­rung sorgt für Unruhe: Ein Mann ist in Schles­wig-Holstein als Notfall­sa­ni­tä­ter in Vollzeit angestellt. Der Betriebs­rat hat mit dem Arbeit­ge­ber einzelne Sprin­ger­dienste verein­bart. Wann diese statt­fin­den, soll den Mitar­bei­ten­den spätes­tens vier Tage vorher mitge­teilt werden.

Sollte eine konkrete Zutei­lung der Sprin­ger­dienste vier Tage vorher nicht möglich sein, werden die Dienste zunächst unkon­kret verteilt – also ohne genauen Zeitraum. Diese Dienste müssen dann bis 20 Uhr des Vortags vor Dienst­be­ginn mit entspre­chen­den Dienst­plan­än­de­run­gen konkre­ti­siert werden.

Konkre­ti­sierte der Arbeit­ge­ber den Dienst nicht bis dahin, konnten sich die Beschäf­tig­ten um 7.30 Uhr am Tag des Sprin­ger­diens­tes melden und ihre Einsatz­be­reit­schaft melden. Sollten sie nicht mehr einge­setzt werden, bekamen sie eine Gutschrift auf ihr Arbeits­zeit­konto in Höhe des Sprin­ger­diens­tes.

Damit dieser Prozess reibungs­los abläuft, können die Mitar­bei­ten­den den aktuel­len Dienst­plan jeder­zeit über den sogenann­ten „SelfSer­vice“ im Inter­net abrufen.

Dienst­plan­än­de­run­gen per SMS in der Freizeit

Für den genann­ten Notfall­sa­ni­tä­ter war für den 8. April 2021 ein Sprin­ger­dienst einge­tra­gen. Einen Tag vorher hatte der Mann frei und checkte deshalb nicht sein Handy.

Sein Arbeit­ge­ber jedoch wollte ihn über die Dienst­plan­än­de­rung infor­mie­ren, konnte ihn aber telefo­nisch nicht errei­chen. Schließ­lich schickte der Arbeit­ge­ber ihm eine SMS mit den konkre­ten Dienst­zei­ten am Folge­tag.

Erst am Morgen des Sprin­ger­diens­tes meldete sich der Notfall­sa­ni­tä­ter um 7.30 Uhr bei seinem Arbeit­ge­ber und zeigte seine Arbeits­be­reit­schaft. Dieser setzte ihn jedoch nicht mehr ein, nachdem zwischen­zeit­lich ein Mitar­bei­ter aus der Rufbe­reit­schaft einge­sprun­gen ist.

Der Arbeit­ge­ber erteilt dem Notfall­sa­ni­tä­ter darauf­hin eine Ermah­nung, bewer­tete den Tag als unent­schul­dig­tes Fehlen und zog elf Stunden vom Arbeits­zeit­konto ab.

Anderer Tag, gleiches Problem

Der gleiche Fall ereig­nete sich nur weniger Monate später. Wieder war der Notfall­sa­ni­tä­ter für einen nicht konkre­ti­sier­ten Sprin­ger­dienst einge­teilt. Wieder hatte er am Tag davor frei. Wieder wollte ihn der Arbeit­ge­ber am freien Tag über die Dienst­plan­än­de­rung infor­mie­ren, dass der Sprin­ger­dienst zu einem Tagdienst konkre­ti­siert wurde, mit Beginn um 6.30 Uhr.

Wieder konnte der Notfall­sa­ni­tä­ter nicht telefo­nisch erreicht werden. Auch dieses Mal wurde er über SMS und E‑Mail über den Dienst infor­miert.

Am Tag des Sprin­ger­diens­tes meldete sich der Notfall­sa­ni­tä­ter um 7.30 Uhr und zeigte seine Arbeits­be­reit­schaft – eine Stunde nach Dienst­be­ginn. Der Arbeit­ge­ber forderte ihn auf den Dienst anzutre­ten. Erst um 8.26 Uhr begann er seinen Dienst. Die Zeit von 6.30 Uhr bis dahin wurde als unent­schul­dig­tes Fehlen gewer­tet.

Klage gegen Arbeit­ge­ber

Der Mann klagte schließ­lich auf die Berück­sich­ti­gung der nicht geleis­te­ten Arbeits­stun­den in seinem Arbeits­zeit­konto sowie auf Entfer­nung der Abmah­nung aus der Perso­nal­akte. Nach Ansicht des Notfall­sa­ni­tä­ters sei er nicht dazu verpflich­tet, kurzfris­tige Dienst­plan­än­de­run­gen in seiner Freizeit zu überprü­fen.

Erstin­stanz­lich wurde die Klage abgewie­sen. Das LAG Schles­wig-Holstein hat das Urteil in zweiter Instanz teilweise abgeän­dert und den Arbeit­ge­ber zur Gutschrift von elf Arbeits­stun­den und von 0,75 Arbeits­stun­den sowie zur Entfer­nung der Abmah­nung aus der Perso­nal­akte verur­teilt.

Revision zu Gunsten des Arbeit­ge­bers

In der Revision vor dem Bundes­ar­beits­ge­richt begehrte der Arbeit­ge­ber das erstin­stanz­li­che Urteil wieder herzu­stel­len. Das Gericht bewerte die Revision als begrün­det.

Auf Grund­lage des § 615 Satz 1, § 611a Absatz 2 in Verbin­dung mit §§ 293 ff. BGB habe der Notfall­sa­ni­tä­ter nicht das Recht, dass ihm die Zeit für den ersten Sprin­ger­dienst vom 8. April als Gutschrift auf sein Arbeits­zeit­konto übertra­gen wird.

Der Mann habe seine Arbeits­leis­tung nicht ordnungs­ge­mäß angebo­ten, weshalb der Arbeit­ge­ber auch nicht in Annah­me­ver­zug geraten ist. Entspre­chend mussten die Zeiten auch nicht gutge­schrie­ben werden.

Leistungs­an­ge­bot des Notfall­sa­ni­tä­ters war nicht ordnungs­ge­mäß

In einem Arbeits­ver­hält­nis muss der Arbeit­neh­mer nach § 106 Satz 1 GewO Leistung grund­sätz­lich tatsäch­lich anbie­ten, wie sie zu bewir­ken ist. Also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise.

Für ein ordnungs­ge­mä­ßes Angebot hätte er also bei einem Dienst­be­ginn um 6.30 Uhr bereits um 6.00 Uhr auf der Wache seine Arbeits­leis­tung anbie­ten müssen.

Die vorhe­rige Konkre­ti­sie­rung des Diens­tes durch den Arbeit­ge­ber erkannte das Gericht als wirksam an. Der Notfall­sa­ni­tä­ter war also an die Weisung des Arbeit­ge­bers gebun­den.

Arbeit­neh­mer musste auch in seiner Freizeit aufs Handy schauen

Der Mann kann sich auch nicht darauf berufen, von der wirksa­men Dienst­plan­än­de­rung keine Kennt­nis gehabt zu haben. Nach § 241 Absatz 2 BGB ist jede Partei des Arbeits­ver­trags zur Rücksicht­nahme auf die Rechte, Rechts­gü­ter und Inter­es­sen ihres Vertrags­part­ners verpflich­tet.

Diese Pflicht beinhal­tet auch, dass im Zusam­men­wir­ken mit dem anderen Teil des Vertra­ges die Voraus­set­zun­gen für die Durch­füh­rung des Vertrags geschaf­fen werden müssen. Erfül­lungs­hin­der­nisse dürfen die Vertrags­par­teien also nicht entste­hen lassen oder müssen diese besei­ti­gen. Dem ist der Notfall­sa­ni­tä­ter nicht nachge­kom­men.

Somit gibt es kein absolu­tes „Recht auf Unerreich­bar­keit“. Ist dem Arbeit­neh­mer also auf der Grund­lage der betrieb­li­chen Regelun­gen bekannt, dass der Arbeit­ge­ber die Arbeits­leis­tung für den darauf­fol­gen­den Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkre­ti­sie­ren wird, ist er verpflich­tet, eine solche, per SMS mitge­teilte Weisung auch in seiner Freizeit zur Kennt­nis zu nehmen.

Quelle: BAG vom 23.8.2023 – 5 AZR 349/22