Bei der Fixierung von Psychiatriepatienten, die über eine längere Zeit andauert, ist eine richterliche Genehmigung erforderlich – das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag entschieden. Das Gericht beruft sich dabei auf das Grundrecht auf Freiheit einer Person gemäß Artikel 104 GG. Bislang gab es keine einheitliche Regelung für Fixierungen dieser Art, sodass in den Bundesländern die Anforderungen für die Anordnung von Fixierungen unterschiedlich ausfallen. Mit diesem Urteil stehen jetzt die Länder Baden-Württemberg und Bayern in der Pflicht ihre Rechtsgrundlage für Fixierungen zu erneuern und verfassungsgemäß auszurichten.
Zwei Patienten legten Verfassungsbeschwerde ein
Anlass für das Urteil waren Verfassungsbeschwerden zweier Patienten aus Bayern bzw. Baden-Württemberg. Der erste Beschwerdeführer war in der Vergangenheit während eines 12-stündigen Psychiatrieaufenthaltes für insgesamt acht Stunden an sieben Punkten fixiert worden (Az.: 2 BvR 502/16). Das Bayerische Unterbringungsgesetz (BayUnterbrG) hat bisher keine spezielle Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung von Fixierungen dieser Art festgelegt. In der Regel wurde diese also auf Anordnung des Arztes erlassen.
Die zweite Verfassungsbeschwerde bezog sich auf die 5‑Punkt-Fixierung, die im Falle des Beschwerdeführers über mehrere Tage wiederholt ärztlich angeordnet worden war (Az.: 2 BvR 309/15). Die baden-württembergischen Vorschriften wurden in dem Karlsruher Urteil für verfassungswidrig erklärt. Zwar genügen sie weitgehend den Anforderungen von Artikel 2 GG in Verbindung mit Artikel 104 GG. Jedoch fehlt zum einen die Verpflichtung, dass der betroffene Patient auf seine Möglichkeit hinzuweisen ist, dass er seine Fixierung nachträglich richterlich überprüfen kann. Zum anderen sieht die baden-württembergische Vorschrift bislang nur eine ärztliche, nicht aber eine richterliche Anordnung für Fixierungen vor.
Die Fixierung als letztes Mittel
Wie die Karlsruher Richter darlegten, stellt die 5‑Punkt- und 7‑Punkt-Fixierung über eine längere Dauer ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person dar. Gerade das Freiheitsgut ist ein besonders hohes Rechtsgut, das einen Eingriff nur aus wichtigen Gründen zulässt. Die Fixierung unterliegt daher strengen Anforderungen zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs. Grundlage dafür sind das Freiheitsgrundrecht sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Fixierungen dieser Art sollen zudem nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen, wenn andere Maßnahmen nicht mehr helfen oder helfen würden. Zumal die Fixierung an sämtlichen Gliedmaßen von Betroffenen als besonders belastend empfunden wird.
Bayern und Baden-Württemberg müssen nun bis zum 30. Juni 2019 dem Urteil entsprechende Regelungen treffen. Bis dahin werden Fixierungen in den beiden Bundesländern jedoch nicht verboten. Bei jeder Fixierung ist aber zu überprüfen, ob und wie lange sie unerlässlich ist. Außerdem gilt der Richtervorbehalt für die 5‑Punkt- und 7‑Punkt-Fixierung sofort, wie es auch in anderen Bundesländern bereits vorgesehen ist.
Die wichtigsten Informationen aus dem Urteil auf einen Blick:
- Die nicht nur kurzfristige Fixierung (liegt in der Regel vor, wenn sie absehbar über eine halbe Stunde andauert) gilt als Freiheitsentziehung, so auch die 5‑Punkt- und 7‑Punkt-Fixierung.
- Für eine nicht nur kurzfristige Fixierung ist gemäß Artikel 104 Absatz 2 GG eine richterliche Genehmigung erforderlich.
- Wird die Fixierung über Nacht vorgenommen, muss nachträglich am nächsten Morgen eine richterliche Genehmigung eingeholt werden.
- Die Fixierung an fünf oder sieben Punkten für längere Dauer ist nicht abgedeckt von einer richterlichen Unterbringungsanordnung. Ein Richtervorbehalt ist also gesondert erforderlich, auch bei einem bereits bestehenden Freiheitsentziehungsverhältnis.
- Auf die Fixierung soll nur als letztes Mittel zugegriffen werden, wenn keine anderen mehr helfen oder helfen würden.
- Der Schutz der Grundrechte des Betroffenen muss gesichert werden, etwa durch eine Eins-zu-eins-Betreuung bei einer Fixierung sämtlicher Gliedmaßen. Die Gründe für die Fixierung müssen dokumentiert werden und nach Beendigung der Fixierung muss der Betroffene darauf hingewiesen werden, dass er seine Fixierung nachträglich gerichtlich überprüfen lassen kann.
Quelle: BVerfG