Fixierung von Patienten als freiheitsentziehende Maßnahme.
Zwei Patien­ten hatten wegen der Anwen­dung freiheits­ent­zie­hen­der Maßnah­men Verfas­sungs­be­schwerde einge­legt. Bild: Stealth12/Wikimedia Commons

Bei der Fixie­rung von Psych­ia­trie­pa­ti­en­ten, die über eine längere Zeit andau­ert, ist eine richter­li­che Geneh­mi­gung erfor­der­lich – das hat das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt in Karls­ruhe am Diens­tag entschie­den. Das Gericht beruft sich dabei auf das Grund­recht auf Freiheit einer Person gemäß Artikel 104 GG. Bislang gab es keine einheit­li­che Regelung für Fixie­run­gen dieser Art, sodass in den Bundes­län­dern die Anfor­de­run­gen für die Anord­nung von Fixie­run­gen unter­schied­lich ausfal­len. Mit diesem Urteil stehen jetzt die Länder Baden-Württem­berg und Bayern in der Pflicht ihre Rechts­grund­lage für Fixie­run­gen zu erneu­ern und verfas­sungs­ge­mäß auszu­rich­ten.

Zwei Patien­ten legten Verfas­sungs­be­schwerde ein

Anlass für das Urteil waren Verfas­sungs­be­schwer­den zweier Patien­ten aus Bayern bzw. Baden-Württem­berg. Der erste Beschwer­de­füh­rer war in der Vergan­gen­heit während eines 12-stündi­gen Psych­ia­trie­auf­ent­hal­tes für insge­samt acht Stunden an sieben Punkten fixiert worden (Az.: 2 BvR 502/16). Das Bayeri­sche Unter­brin­gungs­ge­setz (BayUn­ter­brG) hat bisher keine spezi­elle Ermäch­ti­gungs­grund­lage für die Anord­nung von Fixie­run­gen dieser Art festge­legt. In der Regel wurde diese also auf Anord­nung des Arztes erlas­sen.

Die zweite Verfas­sungs­be­schwerde bezog sich auf die 5‑Punkt-Fixie­rung, die im Falle des Beschwer­de­füh­rers über mehrere Tage wieder­holt ärztlich angeord­net worden war (Az.: 2 BvR 309/15). Die baden-württem­ber­gi­schen Vorschrif­ten wurden in dem Karls­ru­her Urteil für verfas­sungs­wid­rig erklärt. Zwar genügen sie weitge­hend den Anfor­de­run­gen von Artikel 2 GG in Verbin­dung mit Artikel 104 GG. Jedoch fehlt zum einen die Verpflich­tung, dass der betrof­fene Patient auf seine Möglich­keit hinzu­wei­sen ist, dass er seine Fixie­rung nachträg­lich richter­lich überprü­fen kann. Zum anderen sieht die baden-württem­ber­gi­sche Vorschrift bislang nur eine ärztli­che, nicht aber eine richter­li­che Anord­nung für Fixie­run­gen vor.

Die Fixie­rung als letztes Mittel

Wie die Karls­ru­her Richter darleg­ten, stellt die 5‑Punkt- und 7‑Punkt-Fixie­rung über eine längere Dauer ein Eingriff in das Grund­recht auf Freiheit der Person dar. Gerade das Freiheits­gut ist ein beson­ders hohes Rechts­gut, das einen Eingriff nur aus wichti­gen Gründen zulässt. Die Fixie­rung unter­liegt daher stren­gen Anfor­de­run­gen zur Recht­fer­ti­gung eines solchen Eingriffs. Grund­lage dafür sind das Freiheits­grund­recht sowie der Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satz. Fixie­run­gen dieser Art sollen zudem nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen, wenn andere Maßnah­men nicht mehr helfen oder helfen würden. Zumal die Fixie­rung an sämtli­chen Glied­ma­ßen von Betrof­fe­nen als beson­ders belas­tend empfun­den wird.

Bayern und Baden-Württem­berg müssen nun bis zum 30. Juni 2019 dem Urteil entspre­chende Regelun­gen treffen. Bis dahin werden Fixie­run­gen in den beiden Bundes­län­dern jedoch nicht verbo­ten. Bei jeder Fixie­rung ist aber zu überprü­fen, ob und wie lange sie unerläss­lich ist. Außer­dem gilt der Richter­vor­be­halt für die 5‑Punkt- und 7‑Punkt-Fixie­rung sofort, wie es auch in anderen Bundes­län­dern bereits vorge­se­hen ist.

Die wichtigs­ten Infor­ma­tio­nen aus dem Urteil auf einen Blick:

  • Die nicht nur kurzfris­tige Fixie­rung (liegt in der Regel vor, wenn sie abseh­bar über eine halbe Stunde andau­ert) gilt als Freiheits­ent­zie­hung, so auch die 5‑Punkt- und 7‑Punkt-Fixie­rung.
  • Für eine nicht nur kurzfris­tige Fixie­rung ist gemäß Artikel 104 Absatz 2 GG eine richter­li­che Geneh­mi­gung erfor­der­lich.
  • Wird die Fixie­rung über Nacht vorge­nom­men, muss nachträg­lich am nächs­ten Morgen eine richter­li­che Geneh­mi­gung einge­holt werden.
  • Die Fixie­rung an fünf oder sieben Punkten für längere Dauer ist nicht abgedeckt von einer richter­li­chen Unter­brin­gungs­an­ord­nung. Ein Richter­vor­be­halt ist also geson­dert erfor­der­lich, auch bei einem bereits bestehen­den Freiheits­ent­zie­hungs­ver­hält­nis.
  • Auf die Fixie­rung soll nur als letztes Mittel zugegrif­fen werden, wenn keine anderen mehr helfen oder helfen würden.
  • Der Schutz der Grund­rechte des Betrof­fe­nen muss gesichert werden, etwa durch eine Eins-zu-eins-Betreu­ung bei einer Fixie­rung sämtli­cher Glied­ma­ßen. Die Gründe für die Fixie­rung müssen dokumen­tiert werden und nach Beendi­gung der Fixie­rung muss der Betrof­fene darauf hinge­wie­sen werden, dass er seine Fixie­rung nachträg­lich gericht­lich überprü­fen lassen kann.

Quelle: BVerfG