Fruchtfliegen, Kälte
Wenn man bei Fruch­flie­gen ein bestimm­tes Gen ausschal­tet, setzen die Tiere weniger Fett an und sind kälte­emp­find­li­cher. Bild: skeeze/Pixabay.com

Ob ein Mensch Fettpols­ter ansetzt oder schlank bleibt, ist nicht allein eine Frage der Ernäh­rung oder des Willens: Wissen­schaft­ler wissen, dass der Hang zur Fettlei­big­keit auch in den Genen festge­schrie­ben sein kann. Jedoch sind nicht alle hierfür verant­wort­li­chen Erban­la­gen bislang identi­fi­ziert.

„Wir haben das THADA-Gen bei Frucht­flie­gen ausge­schal­tet“

Beson­ders anfäl­lig für Fettlei­big­keit schei­nen Menschen zu sein, die in wärme­ren Klima­zo­nen leben. „Eine gängige Theorie besagt, dass ein gedros­sel­ter Stoff­wech­sel und damit gerin­gere Wärme­pro­duk­tion eine Anpas­sung an die warme Umgebung sind. Die überschüs­sige Energie wird dann in Form von Fettpols­tern gespei­chert“, sagt Aurelio Teleman vom Deutschen Krebs­for­schungs­zen­trum (DKFZ). „Wenn das zutrifft, müsste es Gene geben, die die Balance zwischen Wärme­pro­duk­tion und Fettspei­che­rung steuern. Und diese Gene sollten sich bei verschie­de­nen Menschen – abhän­gig vom Breiten­grad – unter­schei­den.“

Ein Kandi­dat für ein solches Balance-Gen war THADA: Große Unter­su­chun­gen hatten bereits gezeigt, dass Menschen aus verschie­de­nen Klima­zo­nen sich in diesem Gen beson­ders stark unter­schei­den. Das bedeu­tet, dass die Erban­lage starker evolu­tio­nä­rer Anpas­sung unter­liegt. „Wir hatten aller­dings keine Vorstel­lung davon, welche Funktion oder Aufgabe THADA im Organis­mus ausübt und ob es tatsäch­lich in die Stoff­wech­sel­re­gu­la­tion eingreift. Um das heraus­zu­fin­den, haben wir das Gen bei Frucht­flie­gen ausge­schal­tet“, sagt der Stoff­wech­sel­ex­perte Teleman.

„Calcium-Signale sind ein wichti­ges Steuer­ele­ment des Energie­stoff­wech­sels“

Fliegen ohne THADA fressen viel, setzen Fett an und produ­zie­ren weniger Wärme, sodass sie schnell unter Kälte leiden. Nach einigen Stunden im Kühlschrank sind Frucht­flie­gen erstarrt. Während sich die norma­len Fliegen rasch erholen, brauch­ten die Tiere ohne THADA dafür deutlich länger.

THADA beein­flusst ein Protein, das Calcium aus dem Zellplasma in zellu­läre Speich­er­de­pots pumpt. Diese Pumpleis­tung steigt drama­tisch an, wenn THADA fehlt. Wenn die Forscher die Leistung der Calcium-Pumpe experi­men­tell drosseln, kompen­siert dies den THADA-Verlust und schützt die Fliegen vor Fettlei­big­keit.

Fettlei­big­keit und Kälte­emp­find­lich­keit

Die neuent­deck­ten Funktio­nen von THADA sind offen­bar keine Spezia­li­tät des Fliegen-Stoff­wech­sels: Das THADA-Gen des Menschen kann in der Frucht­fliege den Verlust des Fliegen-THADA kompen­sie­ren, was dafür spricht, dass das Gen in beiden Arten vergleich­bare Funktio­nen ausübt. Schal­te­ten die Forscher THADA in mensch­li­chen Tumor­zel­len in der Kultur­schale aus, so führte dies, wie bei der Fliege, zu stärke­ren Calcium-Signa­len.

Die neuent­deck­ten Funktio­nen von THADA können helfen, die evolu­tio­nä­ren Hinter­gründe der derzei­ti­gen weltwei­ten Überge­wichts-Epide­mie zu verste­hen. Beson­ders aufschluss­reich dabei ist der kombi­nierte Einfluss auf Fettlei­big­keit und Kälte­emp­find­lich­keit. „THADA zählt zu den Genen, in denen sich seit der Trennung von Neander­ta­ler und moder­nem Menschen die meisten Unter­schiede angehäuft haben. Auch später, als sich die moder­nen Menschen über verschie­dene Klima­zo­nen verbrei­tet haben, unter­lag THADA weiter­hin starker evolu­tio­nä­rer Anpas­sung“, erklärt Teleman. „Unsere Ergeb­nisse legen nahe, dass sich die Menschen an verschie­dene Klima­zo­nen anpas­sen mussten, was ihre Veran­la­gung zur Fettlei­big­keit geför­dert hat.“

„Fettlei­big­keit ist ein Risiko­fak­tor bei zahlrei­chen Krebs­er­kran­kun­gen“

Die Veran­la­gung für krank­haf­tes Überge­wicht ist beson­ders bei Menschen in warmen Teilen der Welt verbrei­tet. Dort kann ein reduzier­ter Stoff­wech­sel helfen, eine Überhit­zung des Körpers zu vermei­den. „In Kombi­na­tion mit unserer moder­nen Ernäh­rungs­weise führt dieser gedros­selte Energie­ver­brauch jedoch schnell zur Fettlei­big­keit“, ist das Fazit des Stoff­wech­sel­ex­per­ten.

Die neuen Ergeb­nisse lassen auch Krebs­exper­ten aufhor­chen: Verschie­dene Defekte des THADA-Gens stehen mit einem erhöh­ten Risiko für bestimmte Krebs­er­kran­kun­gen im Zusam­men­hang, etwa mit akuten Leukämien, Schild­drü­sen­krebs, Prostata- und Darmkrebs. „Fettlei­big­keit ist ein bekann­ter, wichti­ger Risiko­fak­tor bei zahlrei­chen Krebs­er­kran­kun­gen. Ob die Assozia­tion von THADA-Gende­fek­ten und dem gestei­ger­ten Risiko für bestimmte Krebs­ar­ten durch den Einfluss THADAS auf den Energie­stoff­wech­sel zustande kommt oder ob sie mit einer bislang noch unbekann­ten Funktion des Gens in Verbin­dung steht, können wir bislang noch nicht sagen.“

Quelle: idw