Toilettengang
Toilet­ten­gang endet mit Armbruch.

Toilet­ten­gang mit Folgen

Im Frühjahr 2019 wurde eine heute knapp 70-jährige Frau wegen einer schwe­ren Hirnblu­tung in einem Kranken­haus behan­delt. Die Blutung hatte bei ihr zu Sprach­stö­run­gen und einer Lähmung auf der rechten Körper­seite geführt. Vom 6. April bis zum 3. Mai befand sie sich deshalb statio­när in ärztli­cher Behand­lung.

Doch während ihres Aufent­halts passierte ein weite­rer schwe­rer Zwischen­fall: Am Morgen des 15. April stürzte sie im Badezim­mer der Klinik und brach sich den rechten Arm. Voraus­ge­gan­gen war dem Sturz ein Toilet­ten­gang, zu dem sie von einem Pfleger vom Bett bis ins Badezim­mer beglei­tet worden war. Nachdem sie dort angekom­men war, ließ der Pfleger sie allein zurück. Wie genau es dann zum Sturz kam, ist nicht eindeu­tig geklärt. Die Angaben von Frau und die des Pflege­per­so­nals wider­spre­chen sich.

Die Frau beantragte, den Vorfall als Arbeits­un­fall anzuer­ken­nen – denn wer sich in einer medizi­ni­schen Rehabi­li­ta­ti­ons­maß­nahme befin­det, kann unter bestimm­ten Umstän­den unfall­ver­si­chert sein. Doch sowohl die Unfall­ver­si­che­rung als auch später das Sozial­ge­richt und das Landes­so­zi­al­ge­richt (LSG) Berlin-Brande­burg lehnten diesen Antrag ab.

Unfall im vermeint­lich priva­ten Bereich

Das LSG stellte klar: Ein Unfall im Kranken­haus sei nicht automa­tisch ein Arbeits­un­fall, auch nicht, wenn sich der Patient dort zur Reha aufhielte. Versi­che­rungs­schutz bestehe nur dann, wenn die Tätig­keit, bei der der Unfall passiert, Teil der Reha-Maßnahme sei. Genau das sei hier aller­dings nicht nachge­wie­sen worden.

Zwar hatte die Frau behaup­tet, es sei ärztlich empfoh­len worden, dass sie den Toilet­ten­gang als Teil ihres Mobili­täts­trai­nings selbst­stän­dig bewäl­ti­gen solle. Doch laut Gericht fänden sich keiner­lei Hinweise in der Patien­ten­akte, dass diese Empfeh­lung tatsäch­lich gemacht wurde.

Darüber hinaus sei der Toilet­ten­gang an sich ein sogenann­tes Grund­be­dürf­nis – wie auch das Schla­fen, Essen oder die Körper­pflege. Diese Tätig­kei­ten gehören grund­sätz­lich nicht zum versi­cher­ten Bereich, erklärte das Gericht. Die Tür zum Badezim­mer markiere dabei die Grenze zwischen einem mögli­cher­weise versi­cher­ten Bereich und dem priva­ten unver­si­cher­ten Raum.

Auch die Umstände des Sturzes selbst wurden im Verfah­ren geprüft. Der beglei­tende Pfleger hatte ausge­sagt, die Frau habe bereits auf der Toilette geses­sen, als er sie verließ. Die Kläge­rin selbst gab an, sie habe als letzte Erinne­rung noch die geöff­nete Toilet­ten­schüs­sel gesehen. Nun soll die Sache neu verhan­delt werden.

BSG erkennt mögli­che Absiche­rung

Das Bundes­so­zi­al­ge­richt sieht den Fall diffe­ren­zier­ter als die Vorin­stan­zen. Zwar sei der Toilet­ten­gang im priva­ten Lebens­be­reich zuzuord­nen und falle damit nicht automa­tisch unter den Schutz der gesetz­li­chen Unfall­ver­si­che­rung. Aller­dings könne dieser Schutz dennoch greifen, wenn der Unfall durch eine „kranken­haus­ty­pi­sche Gefahr“ verur­sacht worden sei – etwa durch bauli­che Mängel, unzurei­chende Hilfs­mit­tel oder fehlende Aufsicht.

Das BSG hat den Fall deshalb zur weite­ren Sachver­halts­auf­klä­rung an das Landes­so­zi­al­ge­richt zurück­ver­wie­sen. Dort soll nun geklärt werden, ob und inwie­fern beson­dere Risiken im Kranken­haus­um­feld zum Unfall beigetra­gen haben könnten. Entschei­dend sei demnach also nicht allein die Tatsa­che, dass der Unfall auf der Toilette geschah – sondern die Umstände, unter denen dies geschah.

Gesetz­li­che Grund­lage für Schutz bei Klinik­auf­ent­halt

Das Siebte Buch des Sozial­ge­setz­buchs (SGB VII) regelt die gesetz­li­che Unfall­ver­si­che­rung. Demnach sind auch Patien­tin­nen und Patien­ten während einer statio­nä­ren Behand­lung kraft des Geset­zes unfall­ver­si­chert. Voraus­set­zung ist aller­dings, dass der Unfall im Zusam­men­hang mit der versi­cher­ten Tätig­keit steht – oder im Rahmen typischer Risiken des Aufent­halts entsteht.

In § 8 SGB VII heißt es zum Arbeits­un­fall: „Wird die versi­cherte Tätig­keit im Haushalt der Versi­cher­ten oder an einem anderen Ort ausge­übt, besteht Versi­che­rungs­schutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätig­keit auf der Unter­neh­mens­stätte.“

Quelle: Bundes­so­zi­al­ge­richt vom 17.06.2025 – B 2 U 6/23 R