
In diesem Sinne fand vom 10. bis 12. Oktober der erste gemeinsame Kongress auf dem Messegelände in Friedrichshafen statt. In 25 wissenschaftlichen Sitzungen und neun Firmenworkshops konnten sich die fast 900 Teilnehmer über Konzepte und Maßnahmen zur Behandlung von Wunden in den drei Ländern informieren. So stellten beispielsweise in einer Sitzung Sonja Koller aus Österreich, Ida Verheyen-Cronau aus Deutschland und Maria Signer aus der Schweiz, die in den drei Ländern zum Tragen kommenden Schulungs- und Weiterbildungskonzepte für den Bereich Wundversorgung vor. Deren zum Teil stark differierenden Ansätze und Schwerpunkte führten zu einer regen Diskussion unter dem Fachpublikum. Im Anschluss berichteten Wundspezialistinnen aus den drei Ländern, wie sich ihre berufliche Laufbahn durch die Qualifikation verändert hat. In diesem Zusammenhang wurden für alle drei Länder zwei gemeinsame Probleme identifiziert: Die fehlende Anerkennung der Qualifikation im Kontext zu einer optimierten Bezahlung in den Institutionen, sowie die vergleichsweise geringe Entlohnung für geleistete Arbeit durch die Krankenkassen.
In einer separaten, eher grundlagenwissenschaftlich ausgerichteten Session, wurden neue Entwicklungen aus den drei Ländern vorgestellt. Neben der aurikulären Vagusstimulation auf die Auswirkungen auf die periphere Durchblutung – vorgetragen von Dr. Thomas Payrits (Krankenhaus Wiener Neustadt) – und PRF mit Antibiotika als lokale Wundtherapie – vorgetragen durch Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer (Medizinische Universität Wien) – zeigte Dr. Ulrich Auf dem Keller (ETH Zürich) die zentrale Bedeutung der Proteasen in der physiologischen Wundheilung und insbesondere deren gestörte Regulation in chronischen Wunden auf. Den Abschluss bildete dann Prof. Dr. Lars Steinsträßer (EVK Oldenburg), der auf der Grundlage seiner wegweisenden Forschung aufzeigen konnte, dass antimikrobielle Peptide, die teilweise auch durch Patienten selber generiert werden können, eine hoffnungsvolle Therapieoption insbesondere bei antibiotikaresistenten Bakterien wie MRSA & Co. sein könnten. In seinem Labor werden Seidenraupen gezüchtet, die durch genetische Veränderungen körpereigene Antibiotikaersatzstoffe produzieren und deren Fäden für die Wundbehandlung eine sehr interessante Alternative sein könnten.
Eine viel beachtete und diskutierte Sitzung befasste sich mit dem Einfluss der Psyche auf die Wundheilung: Dr. Elvir Cesko (Universitätsklinikum Essen) ging auf den Zusammenhang von Körper und Geist ein, der hinlänglich bekannt ist. Zwar ist in einigen Studien die positive Wirkung von Placebos bereits nachgewiesen worden. Der genaue Wirkmechanismus ist jedoch noch nicht bekannt. Diskutiert werden hier insbesondere neuroendokrinologische Faktoren, die in Teilaspekten bereits nachgewiesen worden sind. Ein zentraler Aspekt ist hierbei die Erwartung der Patienten, die durch Therapeuten wesentlich beeinflusst werden kann. Für die Wundheilung sind bislang aber nur unzureichende klinische Studien verfügbar, sodass weitere Untersuchungen unbedingt notwendig sind.
Feierlich ging es bei der Verleihung des ersten Ehrenpreises des neuen Dachverbandes zu, der an Prof. Wolfgang Hach aus Frankfurt am Main für sein Lebenswerk ging. Er wurde hiermit für seine großen Verdienste in den letzten Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum für die Fachbereiche Phlebologie, Angiologie sowie Wunddiagnostik und ‑therapie geehrt. In seinem beeindruckenden Festvortrag zeigte Prof. Hach in einem geschichtlichen Abriss der Behandlung des Ulcus cruris, wie die äußeren sozialen Bedingungen vor und nach dem zweiten Weltkrieg und später in den Jahren des Wirtschaftswunders sowohl die Strategien der Ärzte als auch die Lebensbedingungen der Patienten geprägt haben.
Der erste Wund‑D.A.CH-Kongress war im Vorfeld mit viel Spannung erwartet worden: Stimmt die Lokation, wie viele Teilnehmer würden kommen, klappt die Organisation, sind die Themen interessant. Kritiker hatten zudem die Einführung eines weiteren Kongresses dieser Größe bemängelt. Veronika Gerber, die Vorsitzende der Initiative Chronische Wunden (ICW), zieht ein positives Resümee: „Der Kongress hat Teilnehmer aus den drei Ländern zusammengebracht und viele wertvolle Diskussionen angestoßen. Die Themenauswahl war vielfältig, spannend und enthielt neue Aspekte. Die Lokation im Süden schließt eine Lücke. Ich freue mich schon auf den nächsten Kongress“.
Peter Kurz, einer der Mitorganisatoren der Veranstaltung ergänzt: „Der Kongress hatte ein hervorragendes Programm zu bieten. Das haben mir viele Teilnehmer im persönlichen Gespräch und im Auditorium bestätigt. Das hat uns für den weiteren Weg sehr bestärkt. Für unsere geplanten Projekte wie zum Beispiel den Sachverständigenbeirat, die Wunddach-Redaktion und E‑Learning haben wir volle Motivation getankt.“
Referent Andreas Schwarzkopf zeigte sich überrascht, dass die Hygiene in der Behandlung in den drei Ländern noch so unterschiedlich gehandhabt wird: „Da herrscht noch Handlungsbedarf“.