Marcel Gutgeist fragt: Ein mir bekann­ter größe­rer Pflege­dienst steht vor dem wirtschaft­li­chen Aus. Einer meiner Freunde ist dort beschäf­tigt und berich­tet, dass unter Umstän­den ein benach­bar­tes Kranken­haus den Betrieb zu überneh­men beabsich­tigt. Was hat mein Freund zu befürch­ten?

Antwort der Redak­tion: Eine Kündi­gung Ihres Freun­des durch den Pflege­dienst­be­trei­ber ledig­lich mit dem Hinweis, dass dieser wirtschaft­li­che Schwie­rig­kei­ten hat, ist unzuläs­sig. Für eine solche betriebs­be­dingte Kündi­gung müssen vielmehr sogenannte dringende betrieb­li­che Erfor­der­nisse im Sinne des § 1 KSchG bestehen. Das heißt, die Kündi­gung muss ausdrü­cken, weshalb der Arbeits­platz nicht mehr länger bestehen kann, weil zum Beispiel mangels Aufträ­gen keine Arbeit mehr für den zu kündi­gen­den Arbeit­neh­mer vorhan­den ist. Außer­dem muss die soziale Auswahl einge­hal­ten werden. Das bedeu­tet, dass eine Art Rangliste der Beschäf­tig­ten aufzu­stel­len ist. Dabei werden unter anderem die Dauer der Betriebs­zu­ge­hö­rig­keit, das Lebens­al­ter, die Famili­en­si­tua­tion berück­sich­tigt. Wird dies alles außer Acht gelas­sen und erfolgt die Kündi­gung willkür­lich, ist sie sozial­wid­rig und damit unwirk­sam.

Sollte der Pflege­dienst von dem Kranken­haus übernom­men werden, greift die Arbeit­neh­mer­schutz­vor­schrift des § 613a BGB ein. Hier ist festge­legt, dass der Arbeit­neh­mer aufgrund eines Inhaber­wech­sels nicht seinen Arbeits­platz verlie­ren soll. Vielmehr geht das Arbeits­ver­hält­nis, dass zwischen ihm und dem ehema­li­gen Arbeit­ge­ber bestand – vorbe­halt­lich des Wider­spruchs durch den Arbeit­neh­mer – grund­sätz­lich auf den neuen Betriebs­in­ha­ber über.

Prinzi­pi­ell gilt diese arbeits­recht­li­che Situa­tion auch für den Fall, das der Inhaber des Pflege­diens­tes bereits wegen Zahlungs­un­fä­hig­keit das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net haben sollte. Eine Insol­venz des Arbeit­ge­bers hat auf die Anwend­bar­keit der arbeits­recht­li­chen Vorschrif­ten keine Auswir­kung. § 108 Abs. 1 InsO legt dies eindeu­tig auch für den Kündi­gungs­schutz und die Arbeit­neh­mer­rechte bei Betriebs­über­gang fest. Aller­dings sind die Arbeit­neh­mer­inter­es­sen gegen­über den Inter­es­sen der Insol­venz­gläu­bi­ger nachran­gig. Das heißt, erst nach der Befrie­di­gung dieser Forde­run­gen könnte der betrof­fene Arbeit­neh­mer seine Lohnan­sprü­che durch­set­zen. Zu prüfen wäre im Falle der Insol­venz aller­dings auch, ob die Bundes­an­stalt für Arbeit für die offenen Löhne Insol­venz­geld zu bewil­li­gen hat (§ 165 SGB III).