Uniklinik Köln
Unikli­nik Köln – Finan­zie­rung gesichert Bild: HOWI/Wikimedia Commons

Das Klinik­ster­ben in Deutsch­land – schrei­tet es weiter voran? Ende Januar 2021, auf dem Höhepunkt der Pande­mie, demons­trie­ren Klinik­mit­ar­bei­ter vor dem Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium in Berlin. Die Bundes­re­gie­rung hatte zwar verspro­chen, eine Überlas­tung der Kranken­häu­ser mit allen Mitteln zu vermei­den. Denn jedes Klinik­bett zähle. Trotz­dem wurden schon im Jahr 2020 genau 20 Klini­ken dicht­ge­macht – trotz Corona. Und es sollen nicht die letzten sein.

Corona-Spezi­al­kli­nik mit 190 Mitar­bei­tern geschlos­sen

Man schaue sich nur das Beispiel des Kranken­hau­ses in Ingel­heim an. Erst noch zur Corona-Spezi­al­kli­nik aufge­rüs­tet. Und dann Ende Dezem­ber geschlos­sen. Nach 80 Jahren. Alles muss raus. Auch die 190 Mitar­bei­ter: alle entlas­sen – auf dem Höhepunkt der zweiten Welle.

1.914 Kranken­häu­ser in Deutsch­land versor­gen jährlich 21 Millio­nen statio­näre Patien­ten und rund 20 Millio­nen ambulante Behand­lungs­fälle mit 1,3 Millio­nen Mitar­bei­tern. Die Zahl der Häuser hat zuletzt stark variiert, – hier eine Übersicht der letzen Jahre:

  • 2009: 2084
  • 2010: 2064
  • 2011: 2045
  • 2012: 2017
  • 2013: 1996
  • 2014: 1980
  • 2015: 1956
  • 2016: 1951
  • 2017: 1942
  • 2018: 1925
  • 2019: 2014
  • 2020: 1914

Die Ausgleichs­zah­lun­gen des Bundes haben den Trend angeb­lich gestoppt. Das erklärt der Vorstands­vor­sit­zende der DKG, Dr. Gerald Gaß: „Ausgleich­zah­lun­gen, Hilfen für den Aufbau von Inten­siv­bet­ten und andere Leistun­gen waren während der Pande­mie unver­zicht­bar, um die Kranken­häu­ser und das Gesund­heits­we­sen in einer Ausnah­me­si­tua­tion trotz­dem leistungs­fä­hig zu halten.

Das ist in Deutsch­land gelun­gen wie in wenigen anderen Ländern der Welt. Mit den Ausgleichs­zah­lun­gen und den Hilfen für den Aufbau von Inten­siv­bet­ten haben sich Kranken­häu­ser nicht berei­chert. Vielmehr haben die Zahlun­gen verhin­dert, dass während der Pande­mie Kranken­häu­ser schlie­ßen und Beschäf­tigte in Kurzar­beit geschickt werden mussten.“

Dass Betten freige­hal­ten und Beatmungs­ka­pa­zi­tä­ten in der Anfangs­phase der Pande­mie massiv aufge­baut werden sollten, sei politisch gewollt und richtig, so Gaß weiter. Alle Maßnah­men seien unter hohem Zeitdruck gesche­hen. Und vor dem Hinter­grund der schreck­li­chen Bilder aus Ländern, in denen die Behand­lungs- und Beatmungs­ka­pa­zi­tä­ten nicht ausreich­ten und Menschen ohne adäquate medizi­ni­sche Behand­lung sterben mussten. Eine Priori­sie­rung von Beatmungs­plät­zen für schwer kranke COVID-Patien­ten sollte in Deutsch­land um jeden Preis vermie­den werden, so die Kranken­haus­ge­sell­schaft.

Kritik vom Bundes­rech­nungs­hof

Kritik kam zuletzt vom Bundes­rech­nungs­hof. Der sah grund­le­gende Defizite bei der Kranken­haus­pla­nung in Deutsch­land und forderte eine Grund­ge­setz­än­de­rung, die die Verant­wort­lich­kei­ten zwischen Bund und Ländern neu regelt.

„Eine in die Zukunft ausge­rich­tete Planung, zum Beispiel unter Berück­sich­ti­gung der Demogra­fie, Morbi­di­tät und des medizi­ni­schen Fortschritts, ist kaum vorhan­den“, heißt es in einem Bericht des Bundes­rech­nungs­hofs. Die gegen­wär­tige Kranken­haus­struk­tur sei nicht effizi­ent, bemän­gelt der Rechnungs­hof weiter. „40 Prozent der Kranken­häu­ser verzeich­nen Verluste, für über ein Zehntel besteht erhöhte Insol­venz­ge­fahr.“

In Deutsch­land sind grund­sätz­lich die Länder für die Planung von Klinik­ka­pa­zi­tä­ten und auch für die notwen­di­gen Inves­ti­tio­nen zustän­dig. Aus Sicht des Bundes­rech­nungs­hof kommen die Länder „ihrer Inves­ti­ti­ons­ver­pflich­tung bei den Kranken­häu­sern seit Jahren nur unzurei­chend nach.“

Neue Behand­lungs­plätze ein Glücks­fall

Die Kranken­haus­ge­sell­schaft hält dagegen: „Dass viele neu geschaf­fene und freige­hal­tene Behand­lungs­plätze letzt­lich nicht gebraucht wurden, ist ein Glücks­fall und war so nicht vorher­seh­bar“, sagt Gaß. „Wer heute behaup­tet, Kranken­häu­ser hätten sich ungerecht­fer­tigt an Ausgleichs­zah­lun­gen berei­chert, nährt Falsch­be­haup­tun­gen und verkennt die Ausnah­me­si­tua­tion, in der wir uns noch vor wenigen Monaten befun­den haben. Das Finan­zie­rungs­sys­tem der deutschen Kranken­häu­ser basiert im Wesent­li­chen auf leistungs­ab­hän­gi­ger Vergü­tung. Fallen Leistun­gen z.B. durch notwen­dige Freihal­tun­gen weg, müssen Kosten für den laufen­den Betrieb trotz­dem finan­ziert werden. Ohne Ausgleichs­zah­lun­gen wären viele Klini­ken daran geschei­tert, diese Kosten zu refinan­zie­ren. Das hätte zu einem weite­ren Klinik­ster­ben mitten in der Pande­mie geführt.“