Heimsterben
Die Parkre­si­denz, ein Senio­ren­heim in Bad Honnef Bild: © David Esser | Dreamstime.com

Angesichts sich immer weiter verschlech­tern­der Rahmen­be­din­gun­gen – hohe Infla­tion, chroni­scher Perso­nal­man­gel in der Pflege, höhere Eigen­be­träge für Pflege­be­dürf­tige und ihre Angehö­ri­gen, die Nachwir­kun­gen der Corona­pan­de­mie wie Kündi­gungs­wel­len beim Perso­nal und den zahlrei­chen pande­mie­be­ding­ten Todes­fäl­len von Heimbe­woh­nern – hat der Arbeit­ge­ber­ver­band Pflege (AGVP) vor einem „Heimster­ben“ in Deutsch­land gewarnt.

Rund 200 Insol­ven­zen seit Jahres­be­ginn – darun­ter auch überre­gio­nal tätige Unter­neh­men

Bereits seit Jahres­an­fang habe es in der Pflege rund 200 Schlie­ßun­gen und Insol­ven­zen gegeben. Mit den priva­ten Unter­neh­men Curata und Convivo sowie der Hansa-Gruppe befin­den sich unter den Insol­venz­fäl­len auch überre­gio­nal tätige Unter­neh­men, die eine Vielzahl von Heimen mit jeweils insge­samt Tausen­den Pflege­plät­zen unter­hiel­ten. Auch der Senio­ren­heim- und ‑wohnan­la­gen-Bauträ­ger Primus Concept Holding aus München, mit Projek­ten in Planung und Bau im Volumen von rund 240 Millio­nen Euro, befin­det sich unter den Unter­neh­men in finan­zi­el­len Nöten.

AGVP-Präsi­dent Thomas Greiner forderte von der Politik eine Finanz­spritze für die Heime sowie die Abschaf­fung unrea­lis­ti­scher Perso­nal­schlüs­sel. Außer­dem müssten Pflege­kas­sen, Länder und Kommu­nen ihren gesetz­li­chen Finan­zie­rungs­pflich­ten nachkom­men, anstatt – wie bislang verbrei­tet – antei­lige Zahlun­gen für Pflege­be­dürf­tige stark verzö­gert zu leisten und die Heime bei der Mitfi­nan­zie­rung von Inves­ti­ti­ons­kos­ten im Stich zu lassen.

„Kalku­lie­ren mit Belegungs­zah­len, die nicht stimmen; mit Perso­nal, das wir nicht haben“

Von Seiten der Bundes­re­gie­rung gelte es, in den Krisen­mo­dus zu schal­ten und Pflege­heime von nicht mehr erfüll­ba­ren Planzie­len zu befreien. „Wir müssen uns in der Pflege­po­li­tik von Illusio­nen verab­schie­den und der Wirklich­keit zuwen­den. Derzeit kalku­lie­ren wir mit Belegungs­zah­len, die nicht mehr stimmen, mit Perso­nal, das wir nicht haben, und betrach­ten uns als Magnet für auslän­di­sche Fachkräfte, der wir nicht sind“, verdeut­lichte er.

Derzeit sei eine Belegung von 96 bis 98 Prozent erfor­der­lich, um die gesetz­lich vorge­schrie­bene wirtschaft­li­che Betriebs­füh­rung zu ermög­li­chen. Die durch­schnitt­li­che Belegung liege aber zum Beispiel bei den AGVP-Mitglieds­un­ter­neh­men ledig­lich bei 82 Prozent. Häufig führe der Fachkräf­te­man­gel dazu, dass Inter­es­sen­ten für einen Heimplatz abgewie­sen werden müssten.

Heimster­ben: Mit Phantom-Pflege­kräf­ten arbei­ten?

Hier gelte es, sich ehrlich zu machen, so Greiner. „Alle reden vom Arbeits­kräf­te­man­gel, aber in der Alten­pflege werden Perso­nal­vor­ga­ben gemacht, als gäbe es in den Heimen eine Bewer­ber­schwemme. Hier wird mit Phantom-Pflege­kräf­ten geplant – bis zum bösen Erwachen, wenn die Betrei­ber wegen Perso­nal­man­gels das Heim schlie­ßen müssen. Wir müssen uns von diesem Goldstan­dard verab­schie­den.“ Es gelte flexi­ble Regelun­gen zu treffen, die sich an der Wirklich­keit orien­tie­ren, anstatt an Perso­nal­schlüs­seln, „die in Theorie­stu­ben erdacht wurden“, so der AGVP-Präsi­dent weiter.

Leich­tere Anerken­nung von auslän­di­schen Fachkräf­ten

Als Teil der Lösung für den Fachkräf­te­man­gel setzt sich der AGVP dafür ein, auslän­di­schen Pflege­kräf­ten den beruf­li­chen Start in Deutsch­land zu erleich­tern und die Hürden hierfür zu senken. Denn derzeit verspiele Deutsch­land seine Chancen mit starren Bürokra­tie-Hürden und Einzel­fall­prü­fun­gen; in dieser Zeit würden sich emigra­ti­ons­wil­lige Pflege­kräfte für ein anderes Land entschei­den, das bessere Bedin­gun­gen biete und eine schnel­lere Einwan­de­rung ermög­li­che.

Der 2009 gegrün­dete AGVP e.V. vertritt nach eigenen Angaben 955 Mitglieds­un­ter­neh­men mit rund 80.000 Mitar­bei­tern, darun­ter die namhaf­tes­ten und größten Unter­neh­men der Alten­pflege.