Die nekro­ti­sie­rende Faszii­tis (NF) ist die schwer­wie­gendste Form eines durch Bakte­rien vermit­tel­ten Gewebe­ab­ster­bens. Ein Haupt­schul­di­ger an dieser Erkran­kung ist das Bakte­rium Strep­to­coc­cus pyoge­nes. Die Infek­tio­nen verlau­fen rasant und sind beim Erkrank­ten mit verhee­ren­den Neben­ef­fek­ten von schwe­ren Nekro­sen bis zum toxischen Schock verbun­den. Sie enden oft sogar tödlich. Wird die Infek­tion jedoch recht­zei­tig erkannt, ist sie mit einer medika­men­tö­sen Behand­lung und der Entfer­nung des betrof­fe­nen Gewebes heilbar.

Wissen­schaft­ler des Helmholtz-Zentrums für Infek­ti­ons­for­schung (HZI) haben jetzt die entschei­dende Rolle und den schüt­zen­den Effekt von erreger-spezi­fi­schen Antikör­pern im ersten Stadium der Strep­to­coc­cus-Infek­tion identi­fi­ziert. Damit könnte ein früher klini­scher Einsatz eines Cocktails an humanem Immuno­glo­bu­lin G, welcher solche spezi­fi­schen Antikör­per enthält, die Ausbil­dung von Gewebe­ne­kro­sen und ein Fortschrei­ten der Krank­heit verhin­dern.

„Fleisch­fres­sende Bakte­rien“ dringen in das Unter­haut­ge­webe ein

Strep­to­coc­cus pyoge­nes ist eine weit verbrei­tete Strep­to­kok­ken-Art und als Erreger der bakte­ri­el­len Angina, landläu­fig Mandel­ent­zün­dung genannt, bekannt. Auch hinter Schar­lach oder einer Mittel­ohr­ent­zün­dung kann das Bakte­rium stecken. Krank­heits­er­re­ger der Art Strep­to­coc­cus pyoge­nes werden jedoch auch als „fleisch­fres­sende Bakte­rien“ bezeich­net, da sie in das Unter­haut­ge­webe und die Faszien – die Weich­teil­kom­po­nen­ten des Binde­ge­we­bes – eindrin­gen und immense Zerstö­run­gen anrich­ten können. Ihre Eintritts­punkte in den Körper sind unter­schied­lich – ein Schnitt, manch­mal auch ein Stich wie von einem Dorn oder Insekt. Die nekro­ti­sie­rende Faszii­tis äußert sich beim Erkrank­ten zunächst in starken örtli­chen Schmer­zen und Fieber gefolgt von einem Anschwel­len der betrof­fe­nen Regio­nen, bis schließ­lich ganze Hautbe­rei­che abster­ben. Daher rührt auch der Name der Krank­heit.

Streptococcus pyogenes ist der Hauptauslöser der nekrotisierenden Fasziitis.
Strep­to­coc­cus pyoge­nes löst am häufigs­ten nekro­ti­sie­rende Faszii­tis aus. Bild: © HZI / Manfred Rohde

Die drama­ti­schen Auswir­kun­gen, die unklare Herkunft, das schnelle Fortschrei­ten und die kompli­zierte Diagnose dieser lebens­be­droh­li­chen Infek­ti­ons­krank­heit machten neue Forschung auf diesem Gebiet so wichtig.

Die Infek­ti­ons­krank­heit ist, sofern sie recht­zei­tig erkannt und medika­men­tös behan­delt wird, heilbar. Derzeit sind die wesent­li­chen Thera­pie­an­sätze: Antibio­tika, um die Infek­tion zu bekämp­fen, und eine hyper­bare Sauer­stoff­the­ra­pie – die Zufüh­rung von Sauer­stoff unter einem erhöh­ten Umgebungs­druck, um die Immun­ant­wort zu stärken und Bakte­rien abzutö­ten. Die Chirur­gen müssen außer­dem totes und beschä­dig­tes Gewebe entfer­nen, damit die Wunden abhei­len können. Unbehan­delt würde sich rasch ein septi­scher Schock mit Multi­or­gan­ver­sa­gen entwi­ckeln.

Die Forscher klären Rolle von spezi­el­len Antikör­pern auf

Bisher war den Forschern noch unklar, warum sich bei einigen Patien­ten eine nekro­ti­sie­rende Faszii­tis (NF) mit Gewebe­ne­kro­sen entwi­ckelt und bei anderen nicht. „Die Entwick­lung einer NF ist charak­te­ri­siert durch ein komple­xes Zusam­men­spiel zwischen dem Immun­sys­tem des Wirtes und dem Patho­gen, welches eine Vielzahl von Virulenz­fak­to­ren produ­ziert, um die Immun­ant­wort zu umgehen oder sie zu manipu­lie­ren“, sagt Dr. Andreas Itzek, Wissen­schaft­ler im Team der an der Studie betei­lig­ten Forschungs­gruppe und Leiter der Studie. „Zu diesen Virulenz­fak­to­ren gehören auch die Exoto­xine von Strep­to­coc­cus pyoge­nes – spezi­elle Giftstoffe, die das Bakte­rium abson­dert.“

Den HZI-Forschern ist es nun gelun­gen, die Rolle von spezi­el­len patho­gen-spezi­fi­schen Antikör­pern und spezi­ell solchen, die die Exoto­xine von Strep­to­coc­cus pyoge­nes neutra­li­sie­ren können, bei der Entwick­lung der nekro­ti­sie­ren­den Faszii­tis aufzu­klä­ren. Dazu unter­such­ten sie Plasma­pro­ben und bakte­ri­elle Isolate von Patien­ten mit dieser klini­schen Infek­tion im Vergleich zu Proben von Patien­ten mit einer nicht nekro­ti­sie­ren­den Weich­teil­in­fek­tion mit Strep­to­coc­cus pyoge­nes. „Alle Patien­ten mit einer NF zeigten einen Mangel an spezi­fi­schen Antikör­pern gegen den Erreger Strep­to­coc­cus pyoge­nes und die Mehrheit seiner Exoto­xine in der Anfangs­phase der Infek­tion. Dies bedeu­tet einen bisher überse­he­nen Status der serolo­gi­schen Empfind­lich­keit bei Patien­ten mit einer nekro­ti­sie­ren­den Faszii­tis, der poten­zi­ell mit dem Fortschrei­ten der Krank­heit verbun­den ist“, sagt Andreas Itzek. Demge­gen­über scheint ein schon existie­ren­der Antikör­per-Titer gegen die von Strep­to­coc­cus pyoge­nes ausge­schie­de­nen Exoto­xine zu verhin­dern, dass ein irrever­si­bles Fortschrei­ten einer milden Gewebe­infek­tion in eine schwere nekro­ti­sie­rende Faszii­tis erfolgt.

„Beson­ders wichtig für eine zukünf­tige Thera­pie ist die Erkennt­nis aus der Studie, dass die klini­sche Anwen­dung von intra­ve­nö­sem Immun­glo­bu­lin G in der Frühphase der Infek­tion diesen beobach­te­ten Antikör­per­man­gel ausglei­chen kann“, sagt Dietmar Pieper. Erfolgt die Thera­pie mit Immun­glo­buli G aber zu spät und die Gewebe­ne­krose hat sich schon entwi­ckelt, dann ist der Gewebe­zer­fall nicht mehr aufzu­hal­ten.

Die Studie wurde in Koope­ra­tion mit Klini­kern der Univer­si­täts­kran­ken­häu­ser in Bergen (Norwe­gen), Göteburg und Stock­holm (Schwe­den) sowie Kopen­ha­gen (Dänemark) durch­ge­führt und vor kurzem im Journal of Infec­tious Disea­ses veröf­fent­licht.

Quelle: HZI