Wegovy-Injektion
Abneh­men mit nur einem Piks pro Woche? Ein Diabe­tes­meit­tel soll es möglich machen. Bild: Marco Di Bella mit Material von Eugene Bochkarev/Dreamstime.com und Skitterphoto/Pixabay.com

Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Sich einmal pro Woche eine Spritze in den Bauch setzen, und die Pfunde purzeln von ganz alleine. Genau dies begrün­det die Aufre­gung um das Präpa­rat Ozempic, das in erster Linie ein Medika­ment für Menschen mit Typ-2-Diabe­tes ist. Um bis zu 15 Prozent soll laut diver­ser Studien, unter anderem im renom­mier­ten „New England Journal of Medicine“, die Gewichts­ab­nahme bei Proban­den nach einigen Wochen betra­gen haben.

Wegen seiner gleich­zei­tig gewichts­re­du­zie­ren­den (Neben-)Wirkung ist ein Hype um das Diabe­tes-Mittel entstan­den, befeu­ert von Promi­nen­ten wie dem US-Unter­neh­mer Elon Musk sowie dem Model und Schau­spie­le­rin Kim Karda­shian, die Ozempic selbst angewen­det haben und in den Social-Media-Kanälen davon berich­te­ten.

Zahlrei­che „nur“ an Überge­wicht oder Fettlei­big­keit leidende Menschen ahmen es ihnen nach und lassen sich das Medika­ment im sogenann­ten „Off-Label-Use“, also abseits der eigent­li­chen Zweck­be­stim­mung des Medika­ments, von ihren Ärzten verschrei­ben – was wiederum zur Folge hat, dass das Medika­ment knapp wird und tatsäch­lich an Diabe­tes Erkrankte Probleme haben, an das Arznei­mit­tel zu kommen.

Dementspre­chend wendet sich die Deutsche Diabe­tes-Gesell­schaft in einer von ihr mitge­tra­ge­nen Stellung­nahme gegen die Verschrei­bung an „nur“ Überge­wich­tige oder Adipöse ohne gleich­zei­tige Diabe­tes: „Um die Versor­gung von Patien­tin­nen und Patien­ten mit Typ-2-Diabe­tes bedarfs­ge­recht sicher­stel­len zu können, soll der Einsatz der Produkte außer­halb der zugelas­se­nen Indika­tio­nen nur im Rahmen von klini­schen Studien durch­ge­führt werden“, heißt es darin.

Alter­na­tiv­prä­pa­rat zu Ozempic mit gleichem Wirkstoff noch nicht erhält­lich

Bereits im März dieses Jahres warnte die Bundes­ver­ei­ni­gung Deutscher Apothe­ker­ver­bände (ABDA) per Infor­ma­ti­ons­schrei­ben vor einer Ozempic-Knapp­heit, und hielt Apothe­ker dazu an, bei Abgabe des Medika­ments genau hinzu­schauen und Patien­ten über Alter­na­ti­ven aufzu­klä­ren.

Produ­ziert wird Ozempic vom dänischen Pharma-Unter­neh­men Novo Nordisk. Seit 2017 ist Ozempic zur Behand­lung von Diabe­tes melli­tus in den Verei­nig­ten Staaten zugelas­sen, seit 2018 auch in der Europäi­schen Union. Es ist verschrei­bungs­pflich­tig, also nicht rezept­frei erhält­lich. Semaglutid, der Wirkstoff in Ozempic, fördert die Freiset­zung von Insulin im Körper, sorgt gleich­zei­tig aber für ein Sätti­gungs­ge­fühl – unter anderem, weil es die Entlee­rung des Magens verlang­samt und als Hirn-Boten­stoff dämpfend auf das Appetit­emp­fin­den einwirkt.

Ein ebenfalls auf dem Wirkstoff Semaglutid basie­ren­des Medika­ment, jedoch spezi­ell auf Abnehm­wil­lige zugeschnit­ten, ist Wegovy, das seit 2021 in den USA und seit 2022 in der EU zugelas­sen ist. Aller­dings ist es bis heute noch nicht auf dem deutschen Markt erhält­lich – was die Knapp­heit bei Ozempic verschärft: Wegovy wird ebenfalls von Novo Nordisk produ­ziert.

Noch dazu wird Wegovy pro Anwen­dung deutlich teurer sein als Ozempic. Von den Kassen übernom­men würden die Kosten aller Wahrschein­lich­keit nach nicht.

Wegovy-Pen
Ein Pen-Injek­tor mit Wegovy: Insge­samt werden fünf verschie­dene Varian­ten mit Wochen­do­sen von 0,25 mg bis 2,4 mg angebo­ten. Bild: Novo Nordisk

Mehrheit der Deutschen würde gerne weniger wiegen

Die Zielgruppe für Abnehm­prä­pa­rate ist derweil riesen­groß: In Deutsch­land ist laut einer auf Selbst­aus­künf­ten der Befrag­ten basie­ren­den Studie aus dem Jahren 2019/20 fast jede zweite Frau und sogar mehr als 60 Prozent der Männer überge­wich­tig; knapp ein Fünftel der Deutschen weisen demnach eine Adipo­si­tas (Fettlei­big­keit) auf – haben also einen Body-Mass-Index von 30 oder darüber.

Laut einer Studie des Markt­for­schungs­un­ter­neh­men Appinio von Anfang des Jahres möchten 71 Prozent der Frauen, 48 Prozent der Männer – von allen Befrag­ten, nicht nur der tatsäch­lich Überge­wich­ti­gen – aktuell abneh­men. Auf der anderen Seite ist bei rund 4,6 Millio­nen Menschen zwischen 18 und 79 Jahren, 7,2 Prozent, bereits eine Diabe­tes melli­tus diagnos­ti­ziert worden.

Gefahr von erheb­li­chen Neben­wir­kun­gen

Neben den hohen Kosten sind die, bei der Anwen­dung von Wegovy mögli­cher­weise auftre­ten­den, Neben­wir­kun­gen zu berück­sich­ti­gen. Die European Medici­nes Agency [PDF] nennt als „sehr häufig“ (bei mehr als einem von zehn Anwen­dern) auftre­tende Begleit­erschei­nun­gen Durch­fall, Erbre­chen und Übelkeit.

Auch Verstop­fung, Völle­ge­fühl, Müdig­keit, Bauch­krämpfe und Kopfschmer­zen werden als mögli­che Neben­wir­kun­gen genannt, im schlimms­ten Fall eine Bauch­spei­chel­drü­sen­ent­zün­dung. Neuer­dings steht das Präpa­rat auch im Verdacht Suizid­ge­dan­ken auszu­lö­sen.

Zudem wirkt das Medika­ment nur so lange gewichts­re­du­zie­rend, wie man es einnimmt – hinzu kommt die genannte, ethisch bedenk­li­che Konkur­renz zu Diabe­ti­kern, die auf das Mittel tatsäch­lich im Rahmen ihrer Thera­pie angewie­sen sind. Vielleicht also sind eine Ernäh­rungs­um­stel­lung und Bewegung doch die lohnen­de­ren Wege zur Wunsch­fi­gur…