Schweigepflicht
Dass eine Verlet­zung der Schwei­ge­pflicht nicht immer eine Kündi­gung nach sich zieht, zeigt der vorlie­gende Fall. Bild: © Mikosok | Dreamstime.com

Pflege­rin veröf­fent­licht Baby-Fotos auf Facebook

Eine Frau arbei­tete als Gesund­heits- und Kinder­kran­ken­pfle­ge­rin und war mit der pflege­ri­schen Betreu­ung eines Neuge­bo­re­nen auf der Kinder­in­ten­siv­sta­tion betraut. Die Zwillings­schwes­ter der Neuge­bo­re­nen war kurz nach der Geburt verstor­ben. Die Mutter hatte sich von den Kindern losge­sagt.

Während ihrer Arbeit fertigte die Pflege­rin immer wieder Fotos mit dem Neuge­bo­re­nen an und teilte diese auf ihrem priva­ten Facebook-Profil. Zu den Fotos schrieb sie: „So ist Arbeit doch schön“, „Kuschel­stunde – ich freue mich“ und „Rip kleines engel­chen, flieg schön mit deiner Schwes­ter durch die wolken und sei ein schutz­en­gel für die ganzen anderen pupsis. Du bist ein tapfe­rer kleiner mann, dicken knutscher“. Mit dem Kommen­tar bezog sie sich auf den Tod des Neuge­bo­re­nen.

Arbeit­ge­ber sieht Verlet­zung der Schwei­ge­pflicht

Das Teilen der Fotos hatte aller­dings Konse­quen­zen für die Pflege­rin. Ihr Arbeit­ge­ber teilte ihr mit, dass wegen der Fotogra­fien der dringende Verdacht schwer­wie­gen­der Vertrags­ver­let­zun­gen bestehe – eine Anhörung sei geplant.

Direkt nach Erhalt der Mittei­lung löschte die Pflege­rin alle Fotos mit dem Neuge­bo­re­nen von ihrem Profil. In der späte­ren Anhörung sagte sie gegen­über ihrem Arbeit­ge­ber, es sei Privat­sa­che, was sie auf Facebook posten würde. Diese Erklä­rung reichte dem Arbeit­ge­ber aller­dings nicht: er sah die Schwei­ge­pflicht verletzt und kündigte ihr frist­los.

Vor Gericht wehrt sich die Pflege­rin gegen diese Kündi­gung – mit Erfolg. Schon das Arbeits­ge­richt hat entschie­den, dass eine Kündi­gung nicht gerecht­fer­tigt war. Und auch das Landes­ge­richt Berlin-Branden­burg entschied zu Gunsten der Pflege­rin.

Pflicht­ver­let­zung ja – Kündi­gung nein

Zwar hat die Pflege­rin tatsäch­lich ihre Pflich­ten aus dem Arbeits­ver­trag verletzt. So sei sie sowohl arbeits­ver­trag­lich als auch gesetz­lich (§ 203 StGB, § 5 BDSG a. F.) dazu verpflich­tet gewesen, die Behand­lung des Patien­ten und die näheren Umstände geheim zu halten. Auch hatte sie keine Geneh­mi­gung zur Veröf­fent­li­chung der Bilder. Eine solche Berech­ti­gung ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Frau die Pfleg­schaft für das Baby überneh­men wollte, wie sie selbst vor Gericht behaup­tet hatte.

„Eine ungeneh­migte Verbrei­tung von Patien­ten­bil­dern in einem sozia­len Netzwerk wie Facebook stellt einen erheb­li­chen Verstoß gegen die Schwei­ge­pflicht dar“, so das Gericht. Hierbei sei auch unerheb­lich, ob der Perso­nen­kreis derer, die das Bild einse­hen können begrenzt werde. Jeder könne prinzi­pi­ell Kopien der Fotos anfer­ti­gen. Deshalb sei schon das Teilen der Fotos „an sich“ geeig­net, einen wichti­gen Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) für eine außer­or­dent­li­che Kündi­gung darzu­stel­len.

Aller­ding sei bei der Gesamt­wür­di­gung der Umstände durch­aus denkbar, dass die Pflege­rin ihr Verhal­ten in Zukunft ändern könnte, so das Gericht; trotz des Pflicht­ver­sto­ßes hätte es somit auch eine Abmah­nung getan.

Eine außer­or­dent­li­che Kündi­gung komme nur in Betracht, wenn es keinen angemes­se­nen Weg gebe, das Arbeits­ver­hält­nis fortzu­set­zen, so das Gericht.

Erneu­ter Verstoß unwahr­schein­lich

Vorlie­gend sei das aber der Fall gewesen. Beruhe die Vertrags­pflicht­ver­let­zung nämlich auf einem steuer­ba­ren Verhal­ten des Arbeit­neh­mers, sei grund­sätz­lich davon auszu­ge­hen, dass das künftige Verhal­ten schon durch Andro­hung beein­flusst werden kann.

So müsse der Arbeit­ge­ber nicht mehr damit rechnen, dass die Pflege­rin in Zukunft erneut unrecht­mä­ßig Bilder von Patien­ten auf Facebook veröf­fent­licht und damit gegen ihre Schwei­ge­pflicht verstößt. Sie habe die Fotos rasch von ihrem Profil entfernt und sich damit einsich­tig gezeigt.

Somit werden die Persön­lich­keits­rechte des Babys durch den Facebook-Auftritt der Pflege­rin nicht mehr verletzt. Zwar stimmt es, dass Dritte theore­tisch belie­big viele Kopien der Fotos hätten anfer­ti­gen können. Das halte das Gericht aller­dings für wenig wahrschein­lich, da die Bilder einen beson­de­ren Bezug zur Pflege­rin aufzei­gen und für sich genom­men wenig aussa­ge­kräf­tig sind.

Das Gericht kam zu der Überzeu­gung, dass es sich bei der strei­ti­gen Veröf­fent­li­chung der Bilder um einen einma­li­gen Vorgang gehan­delt hat, der sich aus der beson­de­ren emotio­na­len Bindung der Kläge­rin zu dem Patien­ten erklärt habe und keinen Anlass zu der Annahme biete, die Kläge­rin werde ohnehin weiter­hin ihre Schwei­ge­pflicht verletz­ten.

Keine schwer­wie­gende Persön­lich­keits­ver­let­zung

Außer­dem sei es zu keiner schwer­wie­gen­den Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zung gekom­men, da die Bilder ein Kind in sehr jungem Alter zeigten. Gesichts­züge würden sich mit der Zeit schnell verän­dern, weshalb das Baby nicht zu indivi­dua­li­sie­ren war, erklärte das Gericht. Auch, dass der Vorname des Babys auf einem der Fotos zu erken­nen war, ändere hieran nichts.

Vielmehr seien die Kommen­tare unter den Fotos dazu geeig­net gewesen, Mitge­fühl für das Baby zu wecken. Dass die Bilder den Patien­ten herab­ge­wür­digt hätten, konnte das Gericht nicht feststel­len.

Darüber hinaus konnte nicht gezeigt werden, dass die Pflege­rin in irgend­ei­ner Weise unlau­tere Ziele verfolgt hätte. Ob sie durch die Veröf­fent­li­chung der Fotos ankün­di­gen wollte, eine Pfleg­schaft für das Baby zu überneh­men, bezweifle das Gericht aller­dings.

Ferner müsse das Kranken­haus weder Rufschä­di­gung noch Schadens­er­satz­an­sprü­che befürch­ten. Auf den Fotos war nämlich nicht zu erken­nen, in welchem Kranken­haus sich das Baby aufge­hal­ten hat. Auch konnten Betrach­ter nicht davon ausge­hen, dass die Fotos unrecht­mä­ßig veröf­fent­licht wurden.

Ohnehin trage das Kranken­haus bzw. der Arbeit­ge­ber keine Verant­wor­tung für die Veröf­fent­li­chung der Bilder und könne dementspre­chend auch nicht haftbar gemacht werden.

Quelle: 17 Sa 2200/13