Die Imple­men­tie­rung der neuen Technik in den Klinik­all­tag und die Thera­pie bringt für Ärzte wie Patien­ten große Vorteile, zeigt Prof. Dr. Clemens Becker, Chefarzt der Klinik für Geria­tri­sche Rehabi­li­ta­tion am Robert-Bosch-Kranken­haus in Stutt­gart auf. Er versucht Ärzten wie Patien­ten die Scheu vor neuer Technik zu nehmen.

Mehr als 41 Millio­nen Deutsche besit­zen laut Statis­tik ein Smart­phone. Gut jeder Dritte nutzt es, um E‑Mails zu checken, zu chatten, in sozia­len Netzwer­ken zu surfen – oder auch das eigene Sport­trai­ning zu erfas­sen. Apps wie „Runta­stic“ oder „Fitbit“ liegen im Trend. 73 Prozent der Freizeit­sport­ler zwischen 14 und 29 Jahren setzen auf digitale Daten­er­fas­sung, wie eine Umfrage des Bundes­ver­bands Infor­ma­ti­ons­wirt­schaft, Telekom­mu­ni­ka­tion und neue Medien (Bitkom) ergab.

Die Geria­ter sind bisher noch nicht begeis­tert

Aber auch am anderen Ende des Alters­spek­trums wächst langsam das Inter­esse: Spezi­ell angepasste Apps können im Klinik­all­tag helfen, den Gesund­heits­zu­stand betag­ter Patien­ten zu dokumen­tie­ren. „In der Geria­trie als sprech- und perso­nen­zen­trier­tes Fach, mit Patien­ten die meist über 80 Jahre alt sind, wird meist noch auf die herkömm­li­che Methode gesetzt, also auf Stift, Zettel und Stopp­uhr. Dabei ließe sich all dies ohne weite­res auf dem Smart­phone machen – und zwar sehr viel präzi­ser“, sagt Prof. Clemens Becker.

Trotz­dem hält sich der Enthu­si­as­mus unter Geria­tern bislang in Grenzen. „Das wirft die grund­sätz­li­che Frage auf: Kann es sich die Alters­me­di­zin leisten, sich von diesen neuen Entwick­lun­gen abzukop­peln oder sie sogar zu ignorie­ren?“, überlegt Becker. Ein Argument gegen die neue Technik war bislang der Kosten­fak­tor; noch bis vor kurzer Zeit war dieser sehr hoch. Doch dank der wachsen­den Nachfrage im Verbrau­cher­sek­tor haben Unter­neh­men wie Apple, Google und Co. die Entwick­lung voran­ge­trie­ben.

Blumen und Marien­kä­fer dürfen nicht zertre­ten werden

In der Klinik für Geria­tri­sche Rehabi­li­ta­tion am Robert-Bosch-Kranken­haus in Stutt­gart hat die neue Zeit bereits Einzug gehal­ten: Seit knapp zwei Jahren nutzen Becker und sein Team spezi­ell angepasste medizi­ni­sche Apps und Compu­ter­pro­gramme. Doch nicht nur im Assess­ment, auch in der Physio- und Ergothe­ra­pie betag­ter Patien­ten kommen digitale Hilfs­mit­tel zum Einsatz. Klassi­sche Übungen sind oft repeti­tiv und dadurch eintö­nig. Compu­ter­pro­gramme können dagegen für Abwechs­lung und motiva­tio­nale Anreize sorgen.

Ein Beispiel: Balance­trai­ning durch Exergames. So wird in den Nieder­lan­den in der Geria­trie das sogenannte Maulwurf­spiel einge­setzt, bei dem Patien­ten auf virtu­elle Erdhü­gel treten müssen, um den Rasen vor der Zerstö­rung durch die Tunnel­gra­ber zu bewah­ren. Blumen oder Marien­kä­fer dürfen dabei nicht getrof­fen werden. Dies erfor­dert Geschick, Balance, Augen­maß und schnelle Reaktio­nen, wodurch nicht nur der Gleich­ge­wichts­sinn, sondern auch kogni­tive Fähig­kei­ten geschult werden. Im Gegen­satz zu einem kommer­zi­el­len Wii- oder Playsta­tion-Spiel muss hier das gesamte Körper­ge­wicht verla­gert werden, damit das System die Aufgabe als erfüllt erkennt. Aber der Ehrgeiz der betag­ten Rentner ist hoch, dem Maulwurf ein Schnipp­chen zu schla­gen. Sie erzie­len deutlich bessere Trainings­er­folge, als ohne Compu­ter­spiel in simplen Trainings­ein­hei­ten – und haben dabei deutlich mehr Spaß.