Dr. Petra Hünnighausen fragt: Was habe ich zu beachten, wenn ich mit dem Rettungswagen im Einsatz bin und Sonderrechte in Anspruch nehme? Wie sind Verkehrsverstöße zu rechtfertigen, wenn ich als Hausärztin zu einem Notfall gerufen werde?
Antwort der Redaktion: Bei einem Rettungswageneinsatz sind deren Fahrer in dringenden Notfällen von der Straßenverkehrsordnung (StVO) befreit (§ 35 Abs. 5a StVO). Zur Rettung von Menschenleben oder zur Abwehr schwerer gesundheitlicher Schäden stehen diesen „Sankra-Fahrern“ sogenannte Sonderrechte zu. Hierunter versteht man die Befreiung von einzelnen Pflichten der StVO. Die generelle Änderung oder Aufhebung von Verkehrsregeln und ‑geboten (z.B. Vorfahrtsregeln) ist damit aber nicht verbunden. Diese „Sonderrechte“ schränken lediglich die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer zugunsten des Sonderrechtsfahrers ein. Um eine zivilrechtliche Haftung oder strafrechtliche Verfolgung auszuschließen, hat der Sankra-Fahrer stets eine besondere Sorgfalt walten zu lassen. So ist das Einfahren in den Kreuzungsbereich trotz roter Ampel nur dann „erlaubt“, wenn der Fahrer sich unter Betätigung des Blaulichts und des Einsatzhorns davon überzeugt hat, dass die anderen Verkehrsteilnehmer beides wahrnehmen konnten. Andernfalls haftet der Fahrer/Halter des Dienstfahrzeugs.
Bei selbständigen Ärzten, die zu einem Patienten fahren, gelten im Grunde die gleichen Regelungen. Im Gegensatz zu Unfallrettungsfahrzeugen verfügt der praktische Arzt jedoch nicht über Blaulicht oder Martinshorn. Verkehrsverstöße des Arztes sind daher nur im Wege des sogenannten rechtfertigenden Notstands gemäß §§ 34 StGB, 16 OWiG gerechtfertigt, wenn der Arzt nach pflichtgemäßer Interessen- und Güterabwägung – Leben und Gesundheit des Patienten einerseits, Verkehrssicherheit andererseits – zu dem Ergebnis kommt, dass bei seinem Patienten eine Gefahrensituation vorliegt, die eine Übertretung formaler Verkehrsvorschriften als verhältnismäßig und angemessen erscheinen lässt.
Dies wiederum ist nicht mehr der Fall, wenn eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer zu gewärtigen ist. Im Übrigen kann der Arzt sich auch nicht auf einen Notstand berufen, wenn die Gefahr für seinen Patienten, z.B. durch Herbeirufen eines Krankenwagens, ebenso schnell behoben oder vermieden werden kann.