Dr. Joachim Henschel fragt: Was muss aus juris­ti­scher Sicht bei der Behand­lung alkoho­li­sier­ter Patien­ten beach­tet werden?

Antwort der Redak­tion: Stellt der Arzt fest, dass sein Patient Alkohol getrun­ken hat, aber der Aufklä­rung noch folgen kann und auch die Risiken einer Entlas­sung im alkoho­li­sier­ten Zustand aus der Behand­lung versteht, kann der Patient mit eindring­li­chen Warnun­gen und der Anwei­sung zum zeitwei­sen Verzicht auf das Führen von Kraft­fahr­zeu­gen entlas­sen werden. Eine genaue Dokumen­ta­tion, vom Vorlie­gen der Einsichts- und Urteils­fä­hig­keit, ist empfeh­lens­wert, ebenso die Anwesen­heit eines Zeugen. Weitere Schritte, etwa die Infor­ma­tion des Gesund­heits­am­tes, des Amtsarz­tes oder der Straßen­ver­kehrs­be­hörde sind im Fall eines erkenn­bar einsich­ti­gen Patien­ten nicht zu unter­neh­men.

Kommt der Arzt hinge­gen zu dem Schluss, dass der alkoho­li­sierte Patient die ärztli­chen Warnhin­weise ignoriert, stellt sich die Situa­tion kompli­zier­ter dar. Zunächst ist darauf hinzu­wei­sen, dass der Arzt die Behand­lung eines Kraft­fah­rers nach der Fahrerlaub­nis-Verord­nung (FeV) ableh­nen darf, wenn er Zweifel hat, ob das erfor­der­li­che Vertrau­ens­ver­hält­nis zustande kommen kann und er das alkohol- (oder drogen-)induzierte Behand­lungs­ri­siko deshalb nicht überneh­men will (Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV).

Übernimmt der Arzt hinge­gen die Behand­lung, entsteht damit einer­seits eine straf­recht­li­che relevante Garan­ten­pflicht aus voran­ge­gan­ge­nem gefähr­den­dem Tun und anderer­seits eine am Maßstab der Verkehrs­me­di­zin zu orien­tie­rende zivil­recht­li­che Sorgfalts­pflicht zur Gefah­ren­ab­wehr im Straßen­ver­kehr durch Anwen­dung von medizi­ni­schen Kennt­nis­sen und Erfah­run­gen bei verkehrs­re­le­van­ten Gesund­heits­stö­run­gen.

Diesen Verant­wor­tun­gen steht die Pflicht des Arztes zur Verschwie­gen­heit gemäß § 201 Absatz 1 Nummer 1 StGB gegen­über, nach der ein Arzt ohne Einver­ständ­nis des Patien­ten keine ihm in seiner beruf­li­chen Praxis bekannt gewor­de­nen Mängel – auch solche aufgrund von Alkohol­pro­ble­men – weiter­ge­ben darf. Das Spannungs­ver­hält­nis dieser Pflich­ten löst sich am Maßstab des straf­recht­li­chen Notstan­des gemäß § 34 StGB auf. Ein Arzt kann hiernach trotz seiner Schwei­ge­pflicht nach Abwägung der wider­strei­ten­den Inter­es­sen und Pflich­ten berech­tigt sein, die Verkehrs­be­hörde zu benach­rich­ti­gen, wenn es sicher erscheint, dass sein Patient trotz Alkohol­ein­fluss ein Fahrzeug führt und sich selbst oder unbetei­ligte Verkehrs­teil­neh­mer gefähr­det.