Bewerttungsportale
Bewer­tungs­por­tale können für Patien­ten eine gute Orien­tie­rungs­hilfe bieten. Für Ärzte bedeu­tet aber eine schlechte Bewer­tung, wirtschaft­li­chen Misserfolg. Bild: Andrey Popov | Dreamstime.com

2014 hatte aller­dings der Bundes­ge­richts­hof (BGH) entschie­den, dass das Recht auf Meinungs- und Medien­frei­heit von Jameda überwiegt. Mit Spannung wurde daher erwar­tet, ob der BGH in der Klage einer Kölner Derma­to­lo­gin mit Wunsch auf vollstän­dige Löschung ihrer Daten bzw. ihres Profils anders entschei­det.

Ausgangs­lage

Der BGH hatte mit Urteil vom 23.9.2014 (Az.: VI ZR 358/13) für das von der Beklag­ten betrie­bene Bewer­tungs­por­tal im Grund­satz entschie­den, dass eine Speiche­rung der perso­nen­be­zo­ge­nen Daten mit einer Bewer­tung der Ärzte durch Patien­ten zuläs­sig sei und Ärzte keinen Lösch­an­spruch haben.

Ärzte müssen es wegen des öffent­li­chen Inter­es­ses und im Sinne der freien Arztwahl hinneh­men, dass sie in Porta­len auftau­chen und dort bewer­tet werden. Das sei wichti­ger als das Persön­lich­keits­recht der Medizi­ner.

Mit Urteil vom 1.3.2016 (Az.: VI ZR 34/15) hielt der BGH zwar am Grund­satz der Anony­mi­tät des Bewer­ten­den fest, erlegte dem Bewer­tungs­por­tal aber deutlich weiter­ge­hende Prüfungs­pflich­ten auf, als dies bis zu diesem Zeitpunkt der Fall war.

So muss das Bewer­tungs­por­tal nach einer Beanstan­dung den Bewer­ten­den zu einer genauen Beschrei­bung der angeb­li­chen Behand­lung auffor­dern und dieser muss zukünf­tig die angeb­lich statt­ge­fun­dene Behand­lung konkret belegen (zum Beispiel durch Bonus­hefte, Rezepte).

Der BGH ging sogar noch einen Schritt weiter und verlangt, dass diese Infor­ma­tio­nen und Unter­la­gen dann auch an den Arzt weiter­ge­lei­tet werden müssen, falls es sich nicht um perso­nen­be­zo­gene Daten des Bewer­ten­den handelt, die zur Bereit­stel­lung des Telediens­tes notwen­dig waren (§ 12 Absatz 1 Teleme­di­en­ge­setz).

Die Beklagte und Ihr Geschäfts­mo­dell

Die Beklagte betreibt unter der Inter­net­adresse www.jameda.de ein Arztsu­che- und Arztbe­wer­tungs­por­tal, auf dem Infor­ma­tio­nen über Ärzte und Träger anderer Heilbe­rufe kosten­frei abgeru­fen werden können.

Nach Angaben des Münch­ner Unter­neh­mens, das zum Burda-Konzern gehört, nutzen im Monat mehr als sechs Millio­nen Patien­ten das kosten­lose Angebot, um sich online zu infor­mie­ren. Als eigene Infor­ma­tio­nen der Beklag­ten werden immer die sog. „Basis­da­ten“ eines Arztes angebo­ten. Zu ihnen gehören – soweit Jameda bekannt – akade­mi­scher Grad, Name, Fachrich­tung, Praxis­an­schrift, weitere Kontakt­da­ten sowie Sprech­zei­ten und ähnli­che praxis­be­zo­gene Infor­ma­tio­nen. Der Basis-Eintrag ist die kosten­freie Darstel­lung. Daneben sind Bewer­tun­gen abruf­bar, die Nutzer in Form eines Noten­sche­mas, aber auch in Form von Freitext­kom­men­ta­ren abgege­ben haben.

Darüber hinaus bietet die Beklagte den Ärzten den kosten­pflich­ti­gen Abschluss von Verträ­gen an (=Premium-Paket), bei denen ihr Profil – anders als das Basis­pro­fil der nicht zahlen­den Ärzte – mit einem Foto und zusätz­li­chen Infor­ma­tio­nen verse­hen wird.

Zusätz­li­cher Vorteil beim „Premium-Paket“: Es werden keine Konkur­ren­ten auf deren Profil einge­blen­det, während beim Aufruf des Profils eines nicht zahlen­den Arztes als „Anzeige“ gekenn­zeich­net die Profil­bil­der unmit­tel­ba­rer Konkur­ren­ten gleicher Fachrich­tung im örtli­chen Umfeld mit Entfer­nungs­an­ga­ben und Noten erschei­nen.

Die Kläge­rin und Ihr Anlie­gen

Die Kläge­rin ist nieder­ge­las­sene Derma­to­lo­gin und Aller­go­lo­gin. Als „Nicht­zah­le­rin“ wird sie bei Jameda mit den Basis­da­ten geführt.

Sie beanstan­dete schon im Jahr 2015 insge­samt 17 abruf­bare Bewer­tun­gen auf dem Portal der Beklag­ten und erreichte deren Löschung; wodurch ihre Gesamt­note von 4,7 auf 1,5 stieg.

Gleich­wohl fühlt sich die Kläge­rin durch das Geschäfts­mo­dell von Jameda benach­tei­ligt. Bei Abruf ihres Profils auf dem Portal der Beklag­ten werden die Werbe­an­zei­gen anderer zahlen­der Fachkol­le­gen aus der Umgebung einge­blen­det. Dadurch würden „Patien­ten, die sich für die Kläge­rin inter­es­sie­ren, gezielt von ihr wegge­lockt“, argumen­tiert ihre Anwäl­tin. Die Kläge­rin fordert von Jameda die vollstän­dige Löschung ihres Profils und ihrer Daten.

Die Entschei­dung des BGH

Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffas­sung des BGH sind perso­nen­be­zo­gene Daten nach § 35 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 Bundes­da­ten­schutz­ge­setz (BDSG) zu löschen, wenn ihre Speiche­rung unzuläs­sig ist, was vorlie­gend der Fall gewesen sei.

Der vorlie­gende Fall unter­scheide sich von dem Fall aus 2014 (Az.: VI ZR 358/13) in einem entschei­den­den Punkt. Durch ihre Praxis der Sonder­kon­di­tio­nen für zahlende Ärzte verlasse die Beklagte ihre Stellung als „neutra­ler“ Infor­ma­ti­ons­mit­t­ler.

Während sie bei den nicht zahlen­den Ärzten dem ein Arztpro­fil aufsu­chen­den Inter­net­nut­zer die „Basis­da­ten“ nebst Bewer­tung des betref­fen­den Arztes anzeige und ihm mittels des einge­blen­de­ten Querbal­kens „Anzeige“ Infor­ma­tio­nen zu örtlich konkur­rie­ren­den Ärzten biete, lasse sie auf dem Profil ihres „Premium“-Kunden – ohne dies dort dem User hinrei­chend offen­zu­le­gen – solche über die örtli­che Konkur­renz unter­rich­ten­den werben­den Hinweise nicht zu.

Gibt Jameda somit ihre Objek­ti­vi­tät zuguns­ten ihres Werbe­an­ge­bots auf, dann könne sie ihre auf das Grund­recht der Meinungs- und Medien­frei­heit gestützte Rechts­po­si­tion gegen­über dem Recht der Kläge­rin auf Schutz ihrer perso­nen­be­zo­ge­nen Daten auch nur mit gerin­ge­rem Gewicht geltend machen.

Das führe hier zu einem Überwie­gen der Grund­rechts­po­si­tion der Kläge­rin, sodass ihr ein „schutz­wür­di­ges Inter­esse an dem Ausschluss der Speiche­rung“ ihrer Daten (§ 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 BDSG) zuzubil­li­gen sei.

Reaktion Jameda

Trotz des Urteils wird Jameda nach eigenen Angaben kein Arztpro­fil löschen: Anzei­gen (der Premium-Kunden) auf Arztpro­fi­len, die Grund für das Urteil gewesen waren, seien nach den Vorga­ben der Bundes­rich­ter aus Karls­ruhe mit sofor­ti­ger Wirkung entfernt worden. Das konkrete Anzei­gen­mo­dell existiert nun nicht mehr und damit entfalle auch der Lösch­grund.

Fazit

Inter­net-Bewer­tungs­por­tale erfreuen sich großer Beliebt­heit. Für viele Patien­ten sind die Angaben hilfreich auf der Suche nach einem Medizi­ner. Diesem Segen von Bewer­tungs­por­ta­len steht der Fluch gegen­über, wenn es zu einer Diffa­mie­rung oder Benach­tei­li­gung von Perso­nen ausge­nutzt wird.

Das oben darge­stellte Grund­satz­ur­teil gilt auch für andere Bewer­tungs­por­tale, wenn sie den Boden der Neutra­li­tät verlas­sen. Im Umkehr­schluss folgt, dass bei neutra­ler Darstel­lung der Ärzte die vom BGH angeführte Grund­rechts­ab­wä­gung wieder zuguns­ten der Bewer­tungs­por­tale ausfällt.

Stand heute werden die Ärzte also auch in Zukunft bei neutra­len Porta­len weiter­hin mit Kritik leben müssen und in der Konse­quenz des Urteils ist ihnen angera­ten, ihr Profil auf Jameda etc. in regel­mä­ßi­gen Abstän­den zu prüfen.

Betrof­fene sollten sich im Fall von unange­mes­se­nen oder unwah­ren Kommen­ta­ren an den Betrei­ber des jewei­li­gen Portals wenden, um entspre­chende Beiträge löschen zu lassen.
Entschei­det sich ein Arzt für eine Gegen­dar­stel­lung, empfeh­len wir, diese nicht emotio­nal im „ersten Ärger“ zu schrei­ben, sondern eine Nacht darüber zu schla­fen und dann am nächs­ten Tag mit klaren Gedan­ken ein möglichst sachli­ches State­ment zu verfas­sen.

Für unseren anfangs erwähn­ten Inter­nis­ten bleibt zu hoffen, dass der mündige Portal­nut­zer die richti­gen Schlüsse aus dessen Bewer­tungs­ver­lauf zieht.