Videoüberwachungssysteme im Gesundheitswesen
Ein Meer von Kontroll­mo­ni­to­ren sichert die Video-Überwa­chung

Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen und ihre Einsatz­mög­lich­kei­ten sind ein streit­ba­res Thema. Zum einen sollen sie Sicher­heit, gerade in sensi­blen Berei­chen von Kranken­häu­sern und Pflege­ein­rich­tun­gen verspre­chen.

Auf der anderen Seite stehen aber daten­schutz­recht­li­che Aspekte der Angestell­ten und Patien­ten. Aus juris­ti­scher Perspek­tive müssen deshalb bei der Video­über­wa­chung von medizi­ni­schen Berei­chen einige Dinge beach­tet werden.

Versto­ßen Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen gegen Grund­rechte?

Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen haben das Poten­zial, die Grund­rechte von betrof­fe­nen Perso­nen zu verletz­ten.

Bleibt den Patien­tin­nen oder Bewoh­nern kein Raum mehr, der nicht beobach­tet wird, kann das die Menschen­würde, die allge­meine Handlungs­frei­heit und das Recht auf Selbst­be­stim­mung einschrän­ken (Artikel 1 Absatz 1 GG in Verbin­dung mit Artikel 2 Absatz 1 GG). Gleiches gilt natür­lich auch für Besuche­rin­nen und Besucher der Einrich­tung sowie Mitar­bei­tende.

Außer­dem sieht das Recht auf infor­melle Selbst­be­stim­mung vor, dass jeder Mensch selbst darüber entschei­den können soll, welche Daten über die eigene Person wie verar­bei­tet und verbrei­tet werden sollen.

Ein weite­res Persön­lich­keits­recht, dass durch Video­über­wa­chung angegrif­fen wird, ist das Recht am eigenen Bild dar. Ähnlich wie beim Recht auf infor­melle Selbst­be­stim­mung soll auch hier jede und jeder selbst entschei­den, ob und wie Bildnisse von der eigenen Person öffent­lich darge­stellt werden.

Trotz dieser mögli­chen Rechts­ver­let­zun­gen, gibt es aber durch­aus Szena­rien, in denen Video­über­wa­chung auch im Kranken­haus oder dem Pflege­heim denkbar ist.

Wo sind Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen recht­lich erlaubt?

Damit die Grund- und Persön­lich­keits­recht der Betrof­fe­nen weitest­ge­hend verschont bleiben, gibt es einige recht­li­che Vorga­ben, die Video­über­wa­chungs­sys­teme zu erfül­len haben.

Die Daten­schutz­grund­ver­ord­nung der Europäi­schen Union nennt mehrere Merkmale, die bei der Nutzung von Video­über­wa­chung berück­sich­tigt werden müssen.

Artikel 6 Absatz 1 lit. e), f) DSGVO über die Recht­mä­ßig­keit der Verar­bei­tung von perso­nen­be­zo­ge­nen Daten sieht dabei folgen­des vor:

e) die Verar­bei­tung ist für die Wahrneh­mung einer Aufgabe erfor­der­lich, die im öffent­li­chen Inter­esse liegt oder in Ausübung öffent­li­cher Gewalt erfolgt, die dem Verant­wort­li­chen übertra­gen wurde;

f) die Verar­bei­tung ist zur Wahrung der berech­tig­ten Inter­es­sen des Verant­wort­li­chen oder eines Dritten erfor­der­lich, sofern nicht die Inter­es­sen oder Grund­rechte und Grund­frei­hei­ten der betrof­fe­nen Person, die den Schutz perso­nen­be­zo­ge­ner Daten erfor­dern, überwie­gen, insbe­son­dere dann, wenn es sich bei der betrof­fe­nen Person um ein Kind handelt

Während Absatz e) an öffent­li­che Betrei­ber gerich­tet ist, richtet sich Absatz f) an private Betrei­ber. Solche müssen ein eigenes berech­tig­tes Inter­esse vertre­ten, sofern eine Abwägung mit den Grund­rech­ten der betrof­fe­nen Perso­nen statt­ge­fun­den hat.

Zusam­men­ge­fasst ergeben sich aus den Bestim­mun­gen der DSGVO wesent­lich drei Krite­rien, die für die Prüfung von Video­über­wa­chungs­an­la­gen notwen­dig sind:

  • Wahrung berech­tig­ter Inter­es­sen,
  • Erfor­der­lich­keit,
  • Inter­es­sen­ab­wä­gung.

Die Daten­schutz­grund­ver­ord­nung (DSGVO) gibt also einiges vor, bleibt aber bei der spezi­el­len Anwen­dung der Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen weitest­ge­hend unkon­kret.

Entschei­dend ist die Inter­es­sen­ab­wä­gung zwischen demje­ni­gen, der die Video­über­wa­chung einsetzt und der Person, die gefilmt wird. Dabei dürfen keine schutz­be­dürf­ti­gen Inter­es­sen des Betrof­fe­nen überwie­gen.

Ergän­zend zur DSGVO gilt in Deutsch­land das Bundes­da­ten­schutz­ge­setz (BDSG). Dies betrifft Einrich­tun­gen im Gesund­heits­we­sen in priva­ter Träger­schaft.

Für öffent­li­che Kranken­häu­ser beispiels­weise gelten hinge­gen die Daten­schutz­ge­setze der jewei­li­gen Länder. Diese orien­tie­ren sich aber maßgeb­lich an den Bestim­mun­gen des BDSG.

Videoüberwachungssysteme im Gesundheitswesen
Ein Video­über­wa­chungs­sys­tem wird instal­liert Bild: © Dmitry Kalinovsky | Dreamstime.com

Video­über­wa­chung von öffent­li­chen Räumen

Öffent­li­che Räume im Gesund­heits­we­sen sind jene Berei­che, die von jedem betre­ten werden dürfen. So etwa Treppen­häu­ser, Parkplätze, Eingangs- und Warte­be­rei­che.

Für die Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen von öffent­li­chen Räumen ist ein Blick in das Bundes­da­ten­schutz­ge­setz geboten. § 4 BDSG regelt Video­über­wa­chung öffent­lich zugäng­li­cher Räume und sieht dabei folgen­des vor:

(1) Die Beobach­tung öffent­lich zugäng­li­cher Räume mit optisch-elektro­ni­schen Einrich­tun­gen (Video­über­wa­chung) ist nur zuläs­sig, soweit sie

1. zur Aufga­ben­er­fül­lung öffent­li­cher Stellen,

2. zur Wahrneh­mung des Hausrechts oder

3. zur Wahrneh­mung berech­tig­ter Inter­es­sen für konkret festge­legte Zwecke erfor­der­lich ist und keine Anhalts­punkte bestehen, dass schutz­wür­dige Inter­es­sen der betrof­fe­nen Perso­nen überwie­gen […].

Damit schei­nen die recht­li­chen Rahmen­be­din­gun­gen für Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen klar zu sein. Doch in der Praxis kommt es immer wieder auf gewisse Feinhei­ten an.

Über die prakti­sche Anwen­dung des Geset­zes bei einem priva­ten Betrei­ber gibt ein Urteil des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts Aufschluss (BVerwG 6c 2.18). Hierbei hatte eine Zahnärz­tin in ihrer Praxis den Eingangs­be­reich und einen Teil des Flurs video­über­wacht.

Urteil: Ärztin darf Praxis nicht video­über­wa­chen

Der Bereich war während den Öffnungs­zei­ten nicht verschlos­sen und somit öffent­lich frei zugäng­lich. Die Ärztin hatte sogar ein Schild am Eingang angebracht, das auf die Video­über­wa­chung hinwies.

Der Hinweis auf die Video­über­wa­chung allein reiche aller­dings nicht aus, um eine Einwil­li­gung zur Überwa­chung der Betrof­fe­nen voraus­zu­set­zen. Außer­dem erkannte das Gericht kein berech­tig­tes Inter­esse der Zahnärz­tin.

Die Ärztin erklärte zwar, dass sie mit der Instal­la­tion Straf­ta­ten verhin­dern wollte, da der Eingangs­be­reich der Praxis nicht perso­nell besetzt war.

Für das Gericht gab es aller­dings nicht genügend Anhalts­punkte, die die Sorge vor Straf­ta­ten begrün­den würde. Ohne diesen „guten Grund“ ist die Video­über­wa­chung in der Zahnarzt­pra­xis somit unzuläs­sig.

Video­über­wa­chung in nicht-öffent­li­chen Räumen

Als nicht-öffent­li­che Räume werden solche bezeich­net, zu denen nur bestimmte Perso­nen Zugang haben. Hierbei ist es egal, ob die Räume oder Berei­che tatsäch­lich physisch abgesperrt sind oder nicht.

Dazu zählen etwa Patien­ten­zim­mer und Behand­lungs­räume, aber auch Aufwach­räume oder Säuglings­sta­tio­nen.

Die Anwen­dung von Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen für nicht-öffent­li­che Räume ist nicht eindeu­tig geregelt. Hier lohnt sich ein Blick in die Kurzpa­piere der Daten­schutz­kon­fe­renz. Diese werden regel­mä­ßig veröf­fent­licht und dienen als Ausle­gungs­hil­fen zur Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung.

In Kurzpa­pier Nummer 15 ist festge­hal­ten, dass in der Regel eine Video­über­wa­chung für Indivi­du­al­be­rei­che wie ärztli­che Behand­lungs- und Warte­räume unzuläs­sig ist. Darüber hinaus ist die Video­über­wa­chung in Sanitär­be­rei­chen ausnahms­los nicht akzep­tiert.

Video­über­wa­chung im Rahmen medizi­ni­scher Behand­lung

Doch trotz dieser relativ eindeu­ti­gen Einschät­zung gelten für das Gesund­heits­we­sen einige Ausnah­men. So etwa bei der medizi­nisch erfor­der­li­chen Video­über­wa­chung im Rahmen der Behand­lung von Patien­tin­nen und Patien­ten.

Mit Blick auf Artikel 9 Absatz 2 h) DSGVO dürfen perso­nen­be­zo­gene Daten für die medizi­ni­sche Diagnos­tik, die Versor­gung oder Behand­lung im Gesund­heits- oder Sozial­be­reich verar­bei­tet werden.

Auch die Video­über­wa­chung in beispiels­weise Aufwach­räu­men kann durch die DSGVO gerecht­fer­tigt werden. Artikel 9 Absatz 2 c) sieht hierbei vor, dass die Verar­bei­tung perso­nen­be­zo­ge­ner Daten zum Schutz lebens­wich­ti­ger Inter­es­sen der betrof­fe­nen Person erfor­der­lich sein kann. Das gilt, sofern die Person aus körper­li­chen oder recht­li­chen Gründen außer­stande ist, ihre Einwil­li­gung zu geben.

Video­über­wa­chung im Patien­ten­zim­mer

Grund­sätz­lich sind Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen in nicht-öffent­li­chen Berei­chen wie dem Patien­ten­zim­mer also unzuläs­sig – außer bei spezi­el­len Ausnah­me­re­ge­lun­gen wie im vorigen Abschnitt darge­stellt.

Video­über­wa­chung im Patien­ten­zim­mer ist deshalb nur denkbar, wenn eine ausdrück­li­che Einwil­li­gung nach Art. 7 DSGVO besteht. Voraus­set­zung hierfür ist aller­dings, dass weniger einschnei­dende Mittel bereits ausge­schöpft wurden.

Mit Blick in die Begriffs­be­stim­mung aus Art. 4 Nummer 11 DSGVO wird klar, welche Bedin­gun­gen erfüllt sein müssen, damit von einer recht­lich wirksa­men Einwil­li­gung gespro­chen werden kann.

Demnach ist eine Einwil­li­gung eine „freiwil­lige, in infor­mier­ter Weise und unmiss­ver­ständ­lich abgege­bene Willens­be­kun­dung in Form einer Erklä­rung oder einer sonsti­gen eindeu­ti­gen bestä­ti­gen­den Handlung“.

Video­über­wa­chung bei Freiheits­ent­zie­hen­den Maßnah­men

Einen Sonder­fall bei der Video­über­wa­chung im Patien­ten­zim­mer stellen Situa­tio­nen dar, bei denen freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men angewen­det werden.

Eine Fixie­rung stellt einen schwer­wie­gen­den Eingriff in die Grund­rechte der betrof­fe­nen Person dar. Gerade für länger­fris­tige Fixie­run­gen gibt es somit hohe Anfor­de­run­gen, die auch die Durch­füh­rung betref­fen.

Nach Entschei­dung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 24. Juli 2018 ist bei Gurtfi­xie­run­gen eine angemes­sene Überwa­chung der Maßnahme erfor­der­lich. Das Gericht setzt hierbei eine Eins-zu-Eins-Betreu­ung voraus.

Das bedeu­tet theore­tisch eine Dauer­sitz­wa­che pro Bett. Eine sehr perso­nal­in­ten­sive Vorgabe, bei der die Frage nahe steht, ob dies nicht auch durch eine dauer­hafte Video­über­wa­chung möglich wäre.

Zumin­dest für Nordrhein-Westfa­len hat das landes­ei­gene PsychKG hierbei eine klare Vorgabe. In § 20 Absatz 3 steht:

„Eine Beobach­tung durch Einsatz techni­scher Mittel zur Anfer­ti­gung von Bildauf­nah­men und Bildauf­zeich­nun­gen sowie zum Abhören und Aufzeich­nen des gespro­che­nen Wortes ist verbo­ten. Eine Beobach­tung im Rahmen beson­de­rer Siche­rungs­maß­nah­men darf ausschließ­lich durch den Einsatz von Perso­nal erfol­gen. Bei Fixie­run­gen ist eine ständige persön­li­che Bezugs­be­glei­tung sowie die Beobach­tung mit konti­nu­ier­li­cher Kontrolle der Vital­funk­tio­nen sicher­zu­stel­len“.

In NRW sind somit Video­über­wa­chung bei länger­fris­ti­gen Gurtfi­xie­run­gen ausge­schlos­sen. Ähnlich formu­liert es auch das PsychKHG von Baden-Württem­berg:

„Bei Siche­rungs­maß­nah­men […] ist grund­sätz­lich eine Eins-zu-eins-Betreu­ung durch thera­peu­ti­sches oder pflege­ri­sches Perso­nal zu gewähr­leis­ten“.

Auch das Bayeri­sche PsycKHG sieht eine unmit­tel­bare Beobach­tung vor:

„Die unter­ge­brachte Person ist auf gefähr­li­che Gegen­stände zu durch­su­chen und im Fall der Fixie­rung durch geeig­nete Beschäf­tigte ständig und unmit­tel­bar zu beobach­ten“.

Die recht­li­chen Vorga­ben für die Überwa­chung von Fixie­run­gen ist zwar Länder­sa­che, jedoch weitest­ge­hend einheit­lich geregelt. Demnach sind Video­über­wa­chungs­sys­teme im Gesund­heits­we­sen bei Gurtfi­xie­run­gen nicht denkbar.