Akzeptanz
Das Frida-Kahlo-Haus feiert 30-jähri­ges Bestehen

Die Mission: Akzep­tanz für alle und jeden. Kurz nach fünf Uhr nachmit­tags hat die Jubilä­ums­party im Frida-Kahlo-Haus die richtige Betriebs­tem­pe­ra­tur erreicht. Nach dem offizi­el­len Teil des Festes, mit Begrü­ßung, Anspra­chen, Redebei­trä­gen und kleinen Führun­gen, ging es allmäh­lich zum „gemüt­li­chen“ Teil über: Nahezu alle der 91 Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner feier­ten bei der Garten­party bei frühsom­mer­lich-schönem Wetter im Innen­hof der Einrich­tung mit, plus einige Angehö­rige, aktuelle und ehema­lige Beschäf­tigte, Presse­ver­tre­ter und weitere Gäste.

Die riesen­große Geburts­tags-Butter­creme­torte hatte die Festge­mein­schaft fast komplett verputzt; nun brachte sich das Team des Hauses am Grill- und Salat­büf­fet in Stellung. Die Sänge­rin Melanie Heizmann coverte auf der Bühne Songs von Kylie Minogue, Madonna und weite­ren inter­na­tio­na­len Megastars, der Freistil-Pianist Stephan Schlei­ner brachte Klassi­ker und moderne Stücke in neuem Gewand. Einige tanzten und sangen mit.

Akzep­tanz: Seit 30 Jahren auf Junge Pflege spezia­li­siert

„Wir sind eines der ganz wenigen Heime spezi­ell für Jüngere“, erläu­tert Heiler­zie­hungs-Pflege­rin Steffi Schlag. „Unsere Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner kommen von überall her, weil solche Einrich­tun­gen so selten sind. Auch die Möglich­kei­ten in Köln für jüngere Menschen mit Behin­de­rung sind gut – von der Barrie­re­frei­heit, den Freizeit­an­ge­bo­ten über Weiter­bil­dungs- und Arbeits­mög­lich­kei­ten bis zur guten Anbin­dung an die Unikli­nik.“

Denn das 1993, vor genau 30 Jahren, in Köln-Müngers­dorf eröff­nete Frida-Kahlo-Haus, unter Träger­schaft der evange­li­schen Claren­bach­werk gGmbH, ist spezia­li­siert auf die sogenannte „Junge Pflege“. Bei ihrer Aufnahme in die Einrich­tung sind die Bewoh­ner zwischen 18 und 50 Jahren alt.

„Natür­lich können sie dann so lange bei uns wohnen bleiben, wie sie wollen – bis zum Lebens­ende, oder bis sie selber wieder auszie­hen, was aber selten vorkommt.“ Akzep­tanz und Inklu­sion unter­schied­li­cher sexuel­ler Orien­tie­run­gen und Geschlechts-Identi­tä­ten – das ist das Ziel.

Beim Thema Statio­näre Pflege dürften die meisten Menschen an Senio­ren denken – hochbe­tagte, oftmals bettlä­ge­rige und / oder an Demenz leidende Perso­nen. Tatsäch­lich sind, laut Angaben des Malte­ser-Verban­des, 71 Prozent der 2,9 Millio­nen Pflege­be­dürf­ti­gen in Deutsch­land 75 Jahre oder älter.

Im Gegen­zug sind jedoch immer­hin knapp 17 Prozent, also rund 490.000 Menschen, unter 65 – darun­ter befin­den sich natür­lich auch Kinder und Jugend­li­che sowie junge Erwach­sene. Schwere Unfälle, ein Schlag­an­fall oder neuro­lo­gi­sche Leiden wie Multi­ple Sklerose (MS), Chorea Hunting­ton und ALS sind in diesen Alters­grup­pen typische Ursachen für die Pflege­be­dürf­tig­keit.

Aber auch Betrof­fene der körper­li­chen Auswir­kun­gen von HIV und Aids – die etwa schwere, durch die Immun­schwä­che hervor­ge­ru­fene Krank­hei­ten durch­ge­macht haben – finden sich unter der Bewoh­ner­schaft.

Pflege­plätze spezi­ell für Jüngere sind Mangel­ware

Spezi­ell auf Jüngere zugeschnit­tene statio­näre Pflege­plätze sind bislang die große Ausnahme. Man muss sie regel­recht mit der Lupe suchen: Neben dem Frida-Kahlo-Haus als die bei weitem größte Einrich­tung gibt es in Köln noch zwei Pflege­heime der Alexia­ner-Stiftung mit 48 und 32 Plätzen, die sich spezi­ell an jüngere Menschen mit Pflege­be­darf richten, jeweils im rechts­rhei­ni­schen Stadt­be­zirk Porz gelegen.

In der erwei­ter­ten Region gibt es ein Pflege­heim des priva­ten Trägers Korian in der Bonner Nordstadt, das über 19 Plätze für Junge Pflege in einem separa­ten Wohnbe­reich verfügt, sowie eines der Alloheim SE in Monheim zwischen Köln und Düssel­dorf: Neben den Senio­ren­plät­zen des Hauses gibt es dort 32 Zimmer, ebenfalls in einem separa­ten Wohnbe­reich, für Jüngere.

Weil die Kapazi­tä­ten so knapp sind, müssen Jüngere daher oft genug mit einem Platz im „norma­len“ Senio­ren-Pflege­heim vorlieb­neh­men – mit Mitbe­woh­nern, die überhaupt nicht ihrer Alters­klasse und Lebens­welt entspre­chen und meist völlig andere Hobbys, Inter­es­sen und Essge­wohn­hei­ten sowie einen anderen Tages­rhyth­mus haben.

Anders im Frida-Kahlo-Haus, benannt nach der weltbe­rühm­ten mexika­ni­schen Malerin, die von klein auf an Kinder­läh­mung litt, später kam noch ein schwe­rer Unfall hinzu. In ihrem Werk setzte sie sich mit Schmerz und Behin­de­rung ausein­an­der und entwi­ckelte darüber eine ungeheure seeli­sche Stärke und Kraft. 

„Es sind Bewoh­ner, mit denen man sich richtig gut unter­hal­ten kann“, beschreibt Pflege­dienst­lei­ter Patrick Schwarze einen der Unter­schiede zur Arbeit im Senio­ren­heim. „Die viel eher eigene Wünsche äußern, Kritik üben und sagen, was sie wollen.“

Teils kommen die Mitglie­der seines Teams aus der Alten­pflege, teils aus der Kranken­pflege. „Sich auf jüngere Menschen einzu­las­sen ist für viele Alten­pflege-Kräfte zunächst eine Umstel­lung.“

Bei den Aufnah­men stände die körper­li­che Behin­de­rung im Vorder­grund, bei einigen Bewoh­nern kämen jedoch auch geistige oder seeli­sche Einschrän­kun­gen hinzu, deshalb sei eine psycho­so­ziale Beglei­tung ungeheuer wichtig, ergänzt Einrich­tungs­lei­ter Thomas Stettien – das Gefühl, nicht alleine zu sein. „Acht unserer Bewoh­ner leben übrigens von Anfang an hier, seit 30 Jahren.“

Viele Freizeit­ak­ti­vi­tä­ten – von Sommer­nachts­party bis CSD

Das relativ junge Alter der Bewoh­ner­schaft wirkt sich natür­lich auch aufs Programm und die Aktivi­tä­ten des Hauses aus. Statt Volks­mu­sik- oder Bingo-Abenden, oder einfach Berie­se­lung vor dem Fernse­her, gibt es hier öfters Kreativ­kurse, Kochrun­den, Sport und Spiel, Filmabende, Lesun­gen, Debat­ten­run­den und Ausflüge ins Kino, Theater oder Museum, sowie zu Festen und Feiern im übrigen Kölner Stadt­ge­biet.

Gerne geht man im Äußeren Grüngür­tel spazie­ren – dem Wald- und Wiesen-Band, das fast das komplette links­rhei­ni­sche Kölner Stadt­ge­biet umgibt und direkt vor der Tür beginnt. In Kürze stehen ein großes gemein­sa­mes Spargel-Essen, ein Sommer­fest sowie eine Mittsom­mer­nachts-Party an.

Ein fester Teil der Haus-Philo­so­phie ist, neben der Anerken­nung der indivi­du­el­len kultu­rel­len Hinter­gründe, auch die Akzep­tanz und Inklu­sion unter­schied­li­cher sexuel­ler Orien­tie­run­gen und Geschlechts-Identi­tä­ten.

„Die Hilfs­be­reit­schaft und das Verständ­nis der Bewoh­ner unter­ein­an­der, die große gelebte Akzep­tanz und Toleranz, ist enorm“, lobt Stettien. Selbst­ver­ständ­lich besucht eine Gruppe aus dem Haus jedes Jahr den Kölner CSD – und auch auf dem jährli­chen integra­ti­ven, von LGBT-Sport­lern initi­ier­ten Fußball­tur­nier „Come-Together-Cup“ für Breitensport‑, Firmen- und Freizeit­teams ist man zu Gast, das nur ein paar Minuten Gehweite von der Einrich­tung entfernt statt­fin­det: auf den Vorwie­sen des Rhein-Energie-Stadi­ons, der Bundes­liga-Spiel­stätte des 1. FC Köln.