„Wann ist das passiert und warum?“ fragt Andrea Würtz im Gespräch mit der Rechtsdepesche. Und weiter: „Ich weiß es nicht. Irgendwann ist da was gekippt.“
Kipppunkt in der Altenpflege?
Ein Kipppunkt in der Achtung und dem Respekt den alten Mitmenschen gegenüber? Ja, genau das. Wir rätseln.
Auch im Dialog finden wir keine einfache Erklärung. Natürlich nicht, das Thema Altenpflege und die Erosion der Umgangsformen in Deutschland sind schlicht zu komplex. Einfache Erklärungen sind ohnehin gefährlich und Stilmittel Nummer eins aller Populisten.
Andrea Würtz aber betrachtet das Problem Seniorenpflege in seiner Ganzheit. Ihr Buch ist eine detaillierte und konstruktive Abhandlung über den Abriss des Gesundheitssystems im exemplarischen Teilbereich der Altenpflege. Ja, so drastisch kann man das sagen.
Die examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin Andrea Würtz deckte 2020 die menschenunwürdigen Verhältnisse in einer Seniorenresidenz in Schliersee auf.
Seither ist sie aus den Medien nicht mehr wegzudenken. Sie schreibt in Zeitschriften und Online-Medien, steht in Talkshows Rede und Antwort, filmte gemeinsam mit Günter Wallraff und wurde als „die“ Whistleblowerin in der Altenpflege bezeichnet. Gemeinsam mit Bastian Klamke legt sie nun ihr erstes Buch vor.
Die beiden Autoren wollen zeigen, was in der Altenpflege jetzt noch möglich ist, was Pflegekräfte selbst tun können, statt zu jammern oder auf die Politik zu warten:
- Welche Möglichkeiten haben Pflegekräfte, um gegen Missstände vorzugehen?
- Wo lässt sich Hilfe holen, wenn (fast) gar nichts mehr geht?
- Wie können Pflegekräfte ihre Verantwortung gegenüber den Bewohnern wirklich wahrnehmen?
Würtz und Klamke verschweigen nicht, wie miserabel der aktuelle Zustand der Altenpflege in Deutschland ist.
Sie beschönigen nicht, sie wiegeln nicht ab, sie wischen nicht weg. Ihr Weg ist ein anderer: Sie rufen zum Kampf auf. Es gibt kein „Weiter so“ mehr, sondern ab sofort ein „So nicht!“
Der Kampf gegen die Deprofessionalisierung der Pflege muss jetzt begonnen werden. Aber er muss von den Pflegekräften selbst angestoßen werden, mit Mut, Leidenschaft und Stärke. Genau diesen Rückhalt kann dieses Buch bieten – und vor allem: inspirieren!
Es versteht sich ausdrücklich als Aufforderung zum Kampf, statt zur Kündigung. Besonders charmant an diesem Werk sind die pointierten und größtenteils sehr humorvollen Cartoons von Bastian Klamke. Sie flankieren die pointierten Texte auf geschmackvolle Art. Ein Lesespaß – trotz der Dramatik – nicht nur für Kenner der Szene!