Pflegeskandal
Andrea Würtz bei ihrem Redak­ti­ons­be­such in Köln Bild: Alexan­der Meyer-Köring

Konkret geht es ihr um die Aufar­bei­tung der straf­recht­lich relevan­ten Verge­hen und Verbre­chen, die in der Senio­ren­re­si­denz Schlier­see zu bekla­gen sind. Auf Betrei­ben der engagier­ten Verfech­te­rin für die Rechte von pflege­be­dürf­ti­gen Menschen hat das Landrats­amt Miesbach (die zustän­dige Fachstelle für Pflege- und Behin­der­ten­ein­rich­tun­gen – Quali­täts­ent­wick­lung und Aufsicht – (FQA), vormals Heimauf­sicht) im April 2020 Straf­an­trag bei der Staats­an­walt­schaft München II wegen Tötungs- und Körper­ver­let­zungs­de­lik­ten gestellt.

Pflege­skan­dal Schlier­see: 17 Tötungs­de­likte

Paral­lele Straf­er­mitt­lun­gen wegen Abrech­nungs­be­tru­ges gegen die Verant­wort­li­chen der 140-Betten umfas­sen­den Pflege­ein­rich­tung in den bayeri­schen Alpen hat die Zentral­stelle zur Bekämp­fung von Betrug und Korrup­tion im Gesund­heits­we­sen (ZKG) bei der General­staats­an­walt­schaft Nürnberg einige Monate später aufge­nom­men. Basis der staats­an­walt­li­chen Ermitt­lun­gen sind mindes­tens 88 Fälle von schwe­rer Körper­ver­let­zung, von denen 17 Vorwürfe als Tötungs­de­likte verfolgt werden.

Ursprüng­lich als sozial­me­di­zi­ni­sche Assis­tenz, im April 2020 aber als Pande­mie­be­auf­tragte des Gesund­heits­am­tes erlebte die Pflege­ex­per­tin Andrea Würtz die eklatan­ten Missstände in der Senio­ren­re­si­denz Schlier­see und sah die kriti­schen Gesund­heits­zu­stän­den der Bewoh­ner, da sie aufgrund eines Ausbruchs­ge­sche­hens in der Senio­ren­re­si­denz für die Reihen­tes­tun­gen beauf­tragt wurde.

Die Liste der augen­schein­li­chen Missstände ist lang. Durch vermut­lich fehlende Arztbe­su­che, unter­blie­bene Prophy­la­xen und Lagerun­gen, Mangel­er­näh­run­gen, Exiko­sen, sexuel­len Missbrauch, gravie­rende Hygie­ne­män­gel, unvoll­stän­dige Dokumen­ta­tio­nen und anderes mehr ist die körper­li­che Unver­sehrt­heit vieler Bewoh­ner erheb­lich verletzt worden – manche haben ihr Leben verlo­ren.

Die Suche nach den straf­recht­li­chen Verant­wort­lich­kei­ten geht nun bald in das dritte Jahr. Insge­samt werden vier Beschul­digte von der Staats­an­walt­schaft ins Visier genom­men, darun­ter die frühere Heimlei­tung und zwei Residenz-Mitar­bei­ter. Bei ihrem Besuch in der Redak­tion der Rechts­de­pe­sche beschrieb Andrea Würtz die Situa­tion in der Senio­ren­re­si­denz Schlier­see mit den Worten: „Ein Großteil der Menschen, denen wir im Heim begeg­ne­ten, befand sich in einem jämmer­li­chen Zustand“.

Pflegeskandal
Andrea Würtz bei der Rechts­de­pe­sche im Gespräch mit Prof. Dr. Volker Großkopf Bild: Vinesh Chanana

Der Schlier­seer Pflege­heim­skan­dal wirft eine Fülle von Fragen über den Zustand des gegen­wär­ti­gen Pflege­sys­tems, unsere Verant­wor­tung gegen­über der älteren Genera­tion, die Bagatel­li­sie­rung von Missbräu­chen, das Versa­gen der Kontroll­in­stan­zen und damit den unzurei­chen­den Schutz der Opfer auf. Die Antwor­ten hierauf lassen sich den gelten­den Geset­zen entneh­men.

Die Offen­ba­rung von gravie­ren­den Pflege­män­geln – seien es Perso­nal­not oder unhalt­bare Pflege­zu­stände – darf nicht unter­drückt werden. Der Mut der Hinweis­ge­ber muss unter­stützt werden. Die Rechts­de­pe­sche wird Andrea Würtz in Zukunft bei der juris­ti­schen Einord­nung der Vorgänge zur Seite stehen. Schauen Sie sich die Positio­nie­rung von Andrea Würtz an und folgen Sie #Für die Pflege.