Der Kranken­haus­keim Pseudo­mo­nas aerugi­nosa kann gerade bei geschwäch­ten Menschen unter anderem schwere Wundin­fek­tio­nen sowie Infek­tio­nen der Lunge und der Harnwege auslö­sen. Pseudo­mo­nas schafft es dabei immer wieder, Angriffe des Immun­sys­tems und Antibio­tika-Thera­pien zu überdau­ern. Ein Schlüs­sel zum Erfolg dieses hartnä­cki­gen Erregers ist sein komple­xes Kommu­ni­ka­ti­ons­sys­tem: Über verschie­denste Signal­stoffe stimmen sich die Bakte­rien unter­ein­an­der ab und steuern so auch Infek­ti­ons­pro­zesse.

Wissen­schaft­ler des Helmholtz-Zentrums für Infek­ti­ons­for­schung (HZI) in Braun­schweig und des Helmholtz-Insti­tuts für Pharma­zeu­ti­sche Forschung Saarland (HIPS) in Saarbrü­cken haben nun heraus­ge­fun­den, wie die Bakte­rien die große Vielfalt an Signal­mo­le­kü­len herstel­len: Indem ein einzi­ger Prote­in­kom­plex seine Form verän­dert, kann er Moleküle unter­schied­li­cher Größe zu Signal­stof­fen verar­bei­ten. Wenn es gelingt, einen Hemmstoff für diesen Komplex zu entwi­ckeln, könnte dessen Bewegung einge­fro­ren und die Kommu­ni­ka­tion der Bakte­rien unter­bro­chen werden.

Pseudo­mo­na­den können sich überall ansie­deln

Mithilfe verschie­de­ner Tricks passt sich der Krank­heits­er­re­ger Pseudo­mo­nas aerugi­nosa (P. aerugi­nosa) seiner Umgebung perfekt an. Ob Lunge, Auge, Harntrakt, eine offene Wunde oder ein Implan­tat – Pseudo­mo­na­den können sich überall ansie­deln und vermeh­ren. Sie schaf­fen es sogar, sich gegen die meisten Antibio­tika zu behaup­ten, indem sie sich entwe­der in einem dichten Biofilm abschir­men oder die Giftstoffe einfach mit kleinen Pumpen aus ihrem Innern beför­dern. Zu welchen effek­ti­ven Überle­bens­stra­te­gien die Bakte­rien greifen, stimmen sie unter­ein­an­der ab. Dazu setzen sie verschie­denste Signal­mo­le­küle frei, die beim Überschrei­ten eines bestimm­ten Grenz­wer­tes („Quorum“) die entspre­chende Reaktion der Bakte­rien auslö­sen. Diese Art der Kommu­ni­ka­tion wird „Quorum Sensing“ genannt – und zu allem Überfluss besitzt P. aerugi­nosa dafür gleich drei verschie­dene Systeme, die mitein­an­der in Verbin­dung stehen.

Pseudomonas aeruginosa.
Der Kranken­haus­keim Pseudo­mo­nas aerugi­nosa schützt sich in dichten Biofil­men vor Antibio­tika und Angrif­fen des Immun­sys­tems (grün = lebende Pseudo­mo­nas-Zellen; rot = tote Zellen). Bild: TWINCORE/Janne Thöming

Ihre Anpas­sungs­fä­hig­keit macht P. aerugi­nosa beson­ders schwer zu behan­deln. Daher suchen Forscher weltweit nach Eigen­schaf­ten, die für diese Bakte­rien spezi­fisch sind und sich als Angriffs­punkte für neuar­tige Medika­mente eignen. Ein vielver­spre­chen­des Ziel ist eines der Kommu­ni­ka­ti­ons­sys­teme – das sogenannte pqs-System (für Pseudo­mo­nas Quino­lone Signal), das in dieser Form nur in P. aerugi­nosa vorkommt. Schon lange ist bekannt, dass dieses System mit einem breiten Spektrum von Signal­mo­le­kü­len arbei­tet –nicht aber, wie die Vielfalt dieser Moleküle im Detail entsteht. „Seit einigen Jahren wissen wir, dass ein Komplex aus den Prote­inen PqsB und PqsC für die Signal­viel­falt bei Pseudo­mo­nas aerugi­nosa verant­wort­lich ist“, sagt Prof. Wulf Blanken­feldt, der am HZI die Abtei­lung „Struk­tur und Funktion der Prote­ine“ leitet. „Dabei dient PqsB als Stabi­li­sa­tor, während PqsC die chemi­sche Reaktion durch­führt: Es bildet Moleküle ähnli­cher Struk­tur mit unter­schied­lich langen Fettsäu­re­an­hän­gen, wobei die genauen moleku­la­ren Grund­la­gen dafür bislang unbekannt waren.“

Um dem vielsei­ti­gen Prote­in­kom­plex in die Trick­kiste zu schauen, hat Florian Witzgall, Dokto­rand in Blanken­feldts Abtei­lung, den Prote­in­kom­plex aufwen­dig gerei­nigt, kristal­li­siert und die dreidi­men­sio­nale Struk­tur von PqsBC mithilfe der Röntgen­struk­tur­ana­lyse entschlüs­selt. Das Ergeb­nis: „Der Komplex PqsBC formt eine Art Tunnel, der mal geöff­net und mal geschlos­sen ist“, sagt Witzgall. In der Struk­tur­ana­lyse konnte er auch verschie­dene Zwischen­zu­stände identi­fi­zie­ren und davon ablei­ten, dass genau die Berei­che des Prote­in­kom­ple­xes beweg­lich sind, die die Binde­stelle für die Fettsäu­re­ket­ten umgeben. „Wir vermu­ten, dass PqsBC seinen Tunnel aufklappt, eine Fettsäu­re­kette darin aufnimmt, den Tunnel verschließt und die Fettsäure dann auf das zweite Substrat von PqsBC überträgt. Danach klappt der Tunnel wieder auf und entlässt das fertige Signal­mo­le­kül“, sagt Witzgall.

Die dreidi­men­sio­nale Struk­tur des Prote­in­kom­ple­xes zeigt auch, dass der Tunnel genau so lang ist, dass ihn eine Fettsäu­re­kette aus acht Kohlen­stoff­ato­men ausfüllt. „Demnach sollte dies die bevor­zugte Länge sein, die der Komplex verar­bei­tet“, sagt Witzgall.

„Es gibt schon seit länge­rer Zeit Hinweise auf eine erhöhte Flexi­bi­li­tät bei verwand­ten Prote­inen. PqsBC ist nun aber das erste Beispiel für diese Prote­in­fa­mi­lie, bei dem die Beweg­lich­keit durch verschie­dene Kristall­struk­tu­ren auch tatsäch­lich nachge­wie­sen wurde“, sagt Florian Witzgall. Die neuen Erkennt­nisse zur Beweg­lich­keit von PqsBC eröff­nen nun einen Ansatz­punkt für neuar­tige Medika­mente. „Würden wir mit einem Wirkstoff die Bewegung von PqsBC einfrie­ren, könnten wir PqsBC gezielt hemmen und die Kommu­ni­ka­tion von P. aerugi­nosa unter­bre­chen“, sagt Wulf Blanken­feldt.

Ihre Ergeb­nisse veröf­fent­lich­ten die Wissen­schaft­ler im Fachjour­nal ChemBio­Chem. In einem YouTube-Video ist der dynami­sche Mecha­nis­mus nachge­bil­det, in dem PqsBC durch Zuklap­pen das Molekül mit der Fettsäu­re­kette binden kann.

Quelle: idw, Helmholtz HZI