Aufklärungsgespräch
Wie der BGH in einem aktuel­len Urteil klarstellt, ist eine Aufklä­rung nur dann ordnungs­ge­mäß, wenn sie auch mündlich erfolgt ist. Bild: © Mauricio Jordan De Souza Coelho | Dreamstime.com

Erste Behand­lungs­ver­su­che schla­gen nicht an

Aufklä­rungs­ge­spräch wird zum Streit: Ein Mann suchte wegen Schmer­zen im Sprung­ge­lenk eine unfall­chir­ur­gi­sche Arztpra­xis auf. Er und der Arzt sind alte Bekannte – schon neun Jahre zuvor war er wegen einer Überdeh­nung des Sprung­ge­lenks dort in Behand­lung.

Weil die Schmer­zen aber immer schlim­mer wurden, entschloss der Arzt sich dazu, eine Röntgen­auf­nahme durch­zu­füh­ren. Die zeigte mehrere freie Gelenk­kör­per im Sprung­ge­lenk.

Der Arzt wollte nichts überstür­zen und entschloss sich zunächst für eine konser­va­tive Behand­lung mit Bewegungs­übun­gen und Belas­tungs­re­duk­tion. Das half dem Mann aller­dings nur wenig – die Schmer­zen ließen nicht nach. Eine Opera­tion war nötig.

Opera­tion am Sprung­ge­lenk wird nötig

Für die OP wurde ein Termin verein­bart. Vorher unter­zeich­nete der Mann, gemein­sam mit dem Arzt, einen Aufklä­rungs­bo­gen zur arthro­sko­pi­schen Unter­su­chung und Opera­tion des Sprung­ge­lenks. Eine mündli­che Aufklä­rung erfolgte zwar auch, über deren Inhalt sind sich beide Parteien später vor Gericht uneins.

Bei dem Eingriff konnte der Arzt nicht alle freien Gelenk­kör­per entfer­nen und veran­lasste deshalb eine zweite Opera­tion. Doch schon bevor diese statt­fin­den konnte, beklagte sich der Mann über neue Probleme mit seinem Fuß. Er habe Missemp­fin­dun­gen bei der Berüh­rung des Fußrü­ckens und die Schmer­zen würden immer schlim­mer werden.

Es zeigte sich, dass es bei der ersten Opera­tion zu einer Nerven­schä­di­gung gekom­men war. Der Arzt entfernte schließ­lich das beschä­digte Nerven­ge­webe und löste Nerven auf, damit die Schmer­zen ausge­schal­tet werden. Zum Unmut des Patien­ten – der wusste angeb­lich nichts von den mögli­chen Kompli­ka­tio­nen.

Aufklä­rung ungenü­gend?

In der Folge wandte sich der betrof­fene Mann mit einer Klage an das Landge­richt Darmstadt. Dort behaup­tete er, der Arzt habe ihn nicht richtig aufge­klärt. Er sei nicht über alle Risiken der Opera­tion, insbe­son­dere einer mögli­chen Nerven­schä­di­gung, aufge­klärt worden. Auch habe der Arzt ihm keine Behand­lungs­al­ter­na­ti­ven aufge­zeigt.

Dass die Opera­tion nur eine relative Erfolgs­chance biete und mögli­cher­weise nicht alle Gelenk­kör­per entfernt werden könnten, wusste der Mann auch nicht. Infolge des Eingriffs sei er erwerbs­los, zu 60 Prozent schwer­be­hin­dert und dauer­haft erwerbs­un­fä­hig gewor­den. Vom Arzt fordert er deshalb Schadens­er­satz.

Das Landge­richt hat die Klage in erster Instanz zurück­ge­wie­sen. Auch das Oberlan­des­ge­richt wies die Klage in der Berufung zurück. Der Bundes­ge­richts­hof hat schließ­lich entschie­den, dass die Erwägun­gen beider Vorin­stan­zen nicht ausrei­chend waren.

Ordnungs­ge­mäße Aufklä­rung kann nur mündlich erfol­gen

Wie der BGH ausführt, setzt die wirksame Einwil­li­gung nach § 630d BGB eine ordnungs­ge­mäße Aufklä­rung voraus. Dabei muss der Arzt nicht alle mögli­chen Risiken medizi­nisch exakt erläu­tern, es reicht, wenn der Patient „im Großen und Ganzen“ wahrheits­ge­treu über Chancen und Risiken aufge­klärt wird.

Vor allem über Risiken, die zwar selten vorkom­men aber schwer­wie­gend Folgen haben können, muss in jedem Fall aufge­klärt werden.

Zu den Aufklä­rungs­pflich­ten nach §630e BGB gehört zudem, dass die Aufklä­rung mündlich zu erfol­gen hat. Unter­la­gen, die der Patient wie im vorlie­gen­den Fall in Textform erhält, dürften nur ergän­zend sein.

Persön­li­ches Aufklä­rungs­ge­spräch ermög­licht Rückfra­gen

Ein vertrau­ens­vol­les Aufklä­rungs­ge­spräch zwischen Arzt und Patient soll immer auch die Möglich­keit für Rückfra­gen ermög­li­chen, erklärt das Gericht. Das schließe zwar auch die Verwen­dung schrift­li­cher Materia­lien ein, kann sich aller­dings nicht auf diese begrenzt werden.

Der Arzt muss sich nämlich im Aufklä­rungs­ge­spräch – und nur hier ist das verläss­lich möglich – davon überzeu­gen, dass der Patient alle Infor­ma­tio­nen verstan­den hat. Gegebe­nen­falls muss er auch auf indivi­du­elle Belange des Patien­ten einzu­ge­hen.

Insofern sei es nach Ansicht des OLG rechts­feh­ler­haft, wenn die Vorin­stan­zen davon ausge­hen, dass offen bleiben könne, ob im mündli­chen Gespräch das Risiko einer Nerven­schä­di­gung expli­zit bespro­chen wurde, weil es ja zusätz­li­chen einen Aufklä­rungs­bo­gen gab und im Gespräch deshalb nicht alle Inhalte wieder­holt werden müssten. Demnach hätte der Arzt sehr wohl im Aufklä­rungs­ge­spräch das Risiko einer Nerven­schä­di­gung und ihre Auswir­kun­gen ausdrück­lich benen­nen müssen.

BGH – VI ZR 188/23

„Ledig­lich ergän­zend, das heißt zur Wieder­ho­lung des Gesag­ten (als Gedächt­nis­stütze), zur bildli­chen Darstel­lung und zur Verbes­se­rung des Verständ­nis­ses des mündlich Erläu­ter­ten und zur Vermitt­lung vertie­fen­der Infor­ma­tio­nen, die hilfreich, für das Verständ­nis der Risiken aber nicht unbedingt notwen­dig sind, kann (muss aber nicht) auf Infor­ma­tio­nen in Textform Bezug genom­men werden.“

Der BGH stellt klar, dass die Vorin­stan­zen falsch in der Annahme liegen, dass sich das Gesamt­bild der gebote­nen Aufklä­rung aus der Zusam­men­füh­rung von mündli­cher und schrift­li­cher Aufklä­rung ergibt. Es kommt nur auf den mündli­che mitge­teil­ten Inhalte an, der eine selbst­be­stimmte Entschei­dung ermög­li­chen muss.

Der Fall wird zur erneu­ten Verhand­lung an das Berufungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen, um festzu­stel­len, was genau im Aufklä­rungs­ge­spräch gesagt wurde.

Quelle:
BGH vom 5. Novem­ber 2024 – VI ZR 188/23