Die Abbildung aus der Publikation zeigt einen Mikrothrombus bestehend aus einem fadenförmigen Netzwerk aus VWF (grün) und Blutplättchen (rot) nach der Aktivierung des Endothels durch Tumorzellen.
Die Abbil­dung aus der Publi­ka­tion zeigt einen Mikro­throm­bus bestehend aus einem faden­för­mi­gen Netzwerk aus VWF (grün) und Blutplätt­chen (rot) nach der Aktivie­rung des Endothels durch Tumor­zel­len. Bild: Blood Journal

Gleich­zei­tig ist mit dem Auftre­ten einer Throm­bose eine deutlich schlech­tere Prognose verbun­den, da die erhöhte Gerin­nungs­ak­ti­vi­tät anschei­nend die Metasta­sie­rung fördert. Umgekehrt können Throm­bo­sen auf einen nicht erkann­ten Tumor hinwei­sen, nachdem eine Studie überra­schend zeigte, dass sich in jedem fünften Patien­ten mit einer Throm­bose unbekann­ter Ursache (idiopa­thi­sche Throm­bose) ein Tumor verbirgt.

Ein direk­ter Zusam­men­hang zwischen der Blutge­rin­nung und der Ausbrei­tung eines Tumors ist daher evident. Bislang ist aber der Mecha­nis­mus, der Gerin­nungs­ak­ti­vi­tät und Tumor­pro­gres­sion (Metasta­sie­rung) mitein­an­der verbin­det, nicht geklärt. Wissen­schaft­ler der Sektion Experi­men­telle Derma­to­lo­gie an der Medizi­ni­schen Fakul­tät Mannheim der Univer­si­tät Heidel­berg sind diesem Mecha­nis­mus auf der Spur. Ihre aktuel­len Forschungs­er­geb­nisse zu dieser Frage­stel­lung bilden das „Issue Highlight“ und schmü­cken das Cover der aktuel­len Ausgabe der renom­mier­ten Fachzeit­schrift Blood.

Krebs­zel­len initi­ie­ren die Gerin­nung

Die Hypothese, die dem Forschungs­an­satz des Mannhei­mer Teams um Sekti­ons­lei­ter Profes­sor Dr. Stefan Werner Schnei­der zugrunde liegt: Der Tumor aktiviert sehr früh das Gerin­nungs­sys­tem und macht sich dieses bei der Metasta­sie­rung zunutze. Denkbar wäre, dass die Tumor­zel­len das Gerin­nungs­sys­tem quasi als Anker nutzen, um am Endothel der Gefäß­in­nen­wand anzudo­cken und in der Folge in das Gewebe einzu­wan­dern.

Mithilfe von Zellkul­tu­ren haben die Wissen­schaft­ler unter­sucht, ob und wie Krebs­zel­len mit dem Endothel kommu­ni­zie­ren. Sie konnten nachwei­sen, dass Melanom­zel­len tatsäch­lich humane Endothel­zel­len aktivie­ren und diese darauf­hin die Gerin­nung initi­ie­ren. Dies wird mittels Freiset­zung des von Wille­brand Faktors (VWF), eines essen­ti­el­len Gerin­nungs­mo­le­küls, ermög­licht. Der VWF bildet nach seiner Freiset­zung ein hoch-adhäsi­ves faden­för­mi­ges Netzwerk, das unmit­tel­bar Blutplätt­chen bindet und aktiviert.

Marcu­mar ist in einigen Fällen wirkungs­los

In der Zellkul­tur, wie auch in einem Melanom-Mausmo­dell, konnten sie inner­halb von Sekun­den nach der Aktivie­rung des Endothels durch maligne Tumor­zel­len kleinste Blutge­rinn­sel (Mikro­throm­ben bestehend aus VWF und Blutplätt­chen; siehe Abbil­dung) nachwei­sen. Diese Mikro­throm­ben lassen sich auch in Metasta­sen von Melanom­pa­ti­en­ten nachwei­sen. Als Haupt­me­dia­tor der tumor­ver­mit­tel­ten Endothel­zel­l­ak­ti­vie­rung wurde das Wachs­tums­hor­mon VEGF‑A (Vascu­lar Endothe­lial Growth Factor A) identi­fi­ziert.

Inter­es­san­ter­weise erklärt diese Arbeit auch, warum das gerin­nungs­hem­mende Medika­ment Marcu­mar® bei der Mehrzahl der Tumor­pa­ti­en­ten mit einer Throm­bose oder Lungen­em­bo­lie nicht ausrei­chend anschlägt. Marcu­mar® ist ein Antago­nist von Vitamin K, der der Throm­bose entge­gen­wirkt, indem er die Fibrin­bil­dung verhin­dert. Fibrin ist ein Bestand­teil der plasma­ti­schen Gerin­nung, die über die Vernet­zung der Blutplätt­chen essen­ti­ell zur Blutstil­lung beiträgt. Die Mikro­throm­ben (bestehend aus VWF und Blutplätt­chen), die sich nach Aktivie­rung des Endothels durch Tumor­zel­len bilden, unter­schei­den sich jedoch von dem Fibrin­ge­rinn­sel. Daher sind die Vitamin K Antago­nis­ten hier nahezu wirkungs­los.

Tumor­pa­ti­en­ten sollten mit Heparin behan­delt werden

Eine wichtige Konse­quenz dieser Forschungs­er­geb­nisse: Es empfiehlt sich, Tumor­pa­ti­en­ten zur Prophy­laxe und Thera­pie von Throm­bo­sen und Embolien dauer­haft (mindes­tens 6 Monate) mit einem nieder­mo­le­ku­la­ren Heparin zu behan­deln. Dieser Wirkstoff entfal­tet seine Wirkung nicht nur indem er die Fibrin­syn­these hemmt. Er verhin­dert darüber hinaus die tumor­in­du­zierte Freiset­zung von VWF und damit auch die Mikro­throm­bo­sie­rung.