Gesundheitskiosk
Ein Gesund­heits­ki­osk bietet nieder­schwel­li­gen Zugang zu Gesund­heits­ver­sor­gung und ‑vorsorge. Bild: Desireé Gorges

Die Idee leuch­tet ein: Wenn etwas Notwen­di­ges zu kompli­ziert, muss es einfa­cher werden. Ein Gesund­heits­ki­osk beruht auf dieser Idee und verspricht nieder­schwel­li­gen Zugang zu gesund­heit­li­cher Beratung und Unter­stüt­zung in sozial benach­tei­lig­ten Umgebun­gen. Dazu zählen von Armut betrof­fene Stadt­teile, in denen der Zugang zu medizi­ni­scher Versor­gung oft schwie­rig ist, weil sich zum Beispiel keine Fachärzte nieder­las­sen, Sprach­bar­rie­ren bestehen oder eine fehlende Kranken­ver­si­che­rung die adäquate Behand­lung und Aufklä­rung im Krank­heits­fall nicht möglich macht. Doch nicht nur soziale Brenn­punkte, auch ländli­che Gegen­den, in denen es an medizi­ni­scher Infra­struk­tur mangelt, sollen vom Konzept des Gesund­heits­ki­osks profi­tie­ren.

Als großer Befür­wor­ter tritt beson­ders die AOK Rheinland/Hamburg in Erschei­nung. Sie betreibt mit verschie­de­nen Partnern und unter Betei­li­gung von Kommu­nen sieben Gesund­heits­ki­oske in Hamburg, Köln, Aachen, Essen und Solin­gen. Die erste Einrich­tung wurde 2017 in Hamburg ins Leben gerufen, für den Ende 2023 in Solin­gen eröff­ne­ten Kiosk zog die Kranken­kasse erst kürzlich eine positive Bilanz und berich­tete von rund 1.800 Fällen, in denen gesund­heit­li­che und soziale Angele­gen­hei­ten geklärt werden konnten. Die Einrich­tung sei ein beson­de­res Hilfs­an­ge­bot vor allem für Menschen, die Orien­tie­rung im Gesund­heits­we­sen benöti­gen.

Vielfäl­tige, indivi­du­elle Angebote im Gesund­heits­ki­osk

Das Hilfs­an­ge­bot in einem Gesund­heits­ki­osk umfasst im Allge­mei­nen mehrspra­chige gesund­heit­li­che Beratung und Unter­stüt­zung, etwa bei der Erläu­te­rung von Befun­den oder bei der Weiter­ver­mitt­lung an Fachärzte oder spezia­li­sierte Beratungs­stel­len wie Pflege­stütz­punkte für Pflege­be­dürf­tige und Angehö­rige oder Sucht­be­ra­tung. Auch medizi­ni­sche Routi­ne­un­ter­su­chun­gen wie Blutdruck­mes­sen oder Blutzu­cker­kon­trolle, Sport­kurse, Hebam­men-Sprech­stun­den, Hilfe bei der medizi­ni­schen Nachsorge und Bildungs­an­ge­bote wie Ernäh­rungs­work­shops können zum Angebot gehören.

Darüber hinaus spielen oft auch soziale Aspekte wie die familiäre oder finan­zi­elle Situa­tion bei der Beratung eine Rolle. Entspre­chend inter­dis­zi­pli­när aufge­stellt sind auch die Teams, die über beruf­li­che Erfah­run­gen und Quali­fi­ka­tio­nen in Pflege, Manage­ment und Pädago­gik verfü­gen und inter­kul­tu­relle sowie fremd­sprach­li­che Kompe­ten­zen mitbrin­gen.

Wie sich das Hilfs­an­ge­bot konkret gestal­tet, bestim­men letzt­end­lich aber indivi­du­elle Fakto­ren, die einer­seits vom Ratsu­chen­den und anderer­seits auch vom Stand­ort eines Gesund­heits­ki­osks und örtli­chen Struk­tu­ren abhän­gen. So gibt es Einrich­tun­gen, die mehr „Laufkund­schaft“ und akute Beschwer­den betreuen, während in anderen die länger­fris­tige Beglei­tung und Bildungs­an­ge­bote im Vorder­grund stehen. Zudem ergeben sich Beratungs­schwer­punkte mancher­orts auch aus den Beschwer­den und Krank­hei­ten selbst. So zeigte eine wissen­schaft­li­che Auswer­tung im Gesund­heits­ki­osk Hamburg-Billstedt, dass sich 40 Prozent der Beratun­gen im unter­such­ten Zeitraum um Überge­wicht drehten und Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen an der Tages­ord­nung waren.

Kriti­ker bekla­gen Doppel­struk­tu­ren

Als Verfech­ter der Gesund­heits­ki­oske gilt auch Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach, der einen Gesetz­ent­wurf zum Gesund­heits­ver­sor­gungs­stär­kungs­ge­setz (GVSG) auf den Weg brachte, nach dem 1.000 Kioske in benach­tei­lig­ten Gegen­den deutsch­land­weit etabliert werden sollten. Der Vorstoß stieß jedoch auf Kritik, unter anderem hieß es, dass dadurch ineffi­zi­ente Doppel­struk­tu­ren geschaf­fen und Perso­nal­man­gel in Kranken­häu­sern und Arztpra­xen verstärkt würden.

Aus Sicht der Befür­wor­ter und Betrei­ber ist jedoch das Gegen­teil der Fall: Ein Gesund­heits­ki­osk kann demnach mit seinem Angebot die medizi­ni­sche Versor­gung ergän­zen und bei guter Organi­sa­tion und Vernet­zung Arztpra­xen und Kranken­häu­ser sogar entlas­ten – es soll diese ausdrück­lich nicht erset­zen oder mit ihnen konkur­rie­ren.

Kosten und Vertei­lung auf dem Prüfstand

Einig­keit in der Diskus­sion besteht ledig­lich in einem Punkt: Ein Bedarf von bundes­weit 1.000 Kiosken und die aufge­ru­fe­nen Kosten von 400.000 Euro pro Stand­ort sind zu hochge­grif­fen. Die AOK Rheinland/Hamburg schätzt den tatsäch­li­chen Bedarf zwischen 50 und 100 Stand­or­ten ein. In ländli­chen Regio­nen, wo die Nachfrage weniger ausge­prägt ist als in Metro­po­len, kann es sich dagegen lohnen, den Bedarf eher mit einem mobilen, statt statio­nä­ren Angebo­ten abzude­cken.

Die geplante Kosten­ver­tei­lung, nach der 74,5 Prozent von den gesetz­li­chen Kranken­kas­sen, 5.5 Prozent von den priva­ten Kranken­kas­sen und 20 Prozent von Kommu­nen getra­gen werden sollte, sorgte ebenfalls für Wider­stand. Aus dem Gesetz­ent­wurf wurden die Gesund­heits­ki­oske nicht zuletzt deshalb wieder gestri­chen. Ob sie wieder aufge­nom­men werden und somit Aussicht auf eine Übernahme in die Regel­ver­sor­gung haben, steht derzeit auf dem Prüfstand. Für Befür­wor­ter und Betrei­ber ist die gesetz­li­che Veran­ke­rung aber noch nicht vom Tisch.

Fazit

Gesund­heits­ki­oske haben sich aus Sicht von Betrei­bern in der Praxis gut bewährt und können demnach die Gesund­heits­ver­sor­gung und Präven­tion in sozial benach­tei­lig­ten Gegen­den verbes­sern. Wichtig ist dabei, das Angebot an örtli­che Struk­tu­ren anzupas­sen und indivi­du­ell zu gestal­ten. Während die Befür­wor­ter und Betrei­ber dafür plädie­ren, Gesund­heits­ki­oske im Rahmen des GVSG als Regel­ver­sor­gung zu etablie­ren, fürch­ten Kriti­ker ineffi­zi­ente Doppel­struk­tu­ren und Kranken­kas­sen eine hohe Kosten­be­tei­li­gung.

FAQ

Was ist ein Gesund­heits­ki­osk?

Ein Gesund­heits­ki­osk ist ein nieder­schwel­li­ges Angebot zur Gesund­heits­ver­sor­gung und Präven­tion in sozial benach­tei­lig­ten Gegen­den.

Was kann ein Gesund­heits­ki­osk bieten?

Das Angebot umfasst im Allge­mei­nen gesund­heit­li­che Beratung und Unter­stüt­zung in mehre­ren Sprachen, die Weiter­ver­mitt­lung an Fachärzte, Aufklä­rung und Hilfe bei der Orien­tie­rung im Gesund­heits­sys­tem und Routi­ne­un­ter­su­chun­gen. Dazu kommen Angebote wie spezi­elle Sprech­stun­den oder Kurse, die variie­ren können und auch von örtli­chen Gegeben­hei­ten abhän­gen.

Wo gibt es Gesund­heits­ki­oske?

Gesund­heits­ki­oske gibt es zum Beispiel in Hamburg, Köln, Aachen, Essen und Solin­gen, darüber hinaus existie­ren auch mobile Angebote. Befür­wor­ter und Betrei­ber plädie­ren für eine Übernahme in die gesetz­li­che Regel­ver­sor­gung. Dies wurde mit einem Geset­zes­ent­wurf zum GVSG vom Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium auch einge­bracht, nach einschlä­gi­ger Kritik aber wieder aus dem Entwurf gestri­chen.