
Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Zweifel des VG Osnabrück unzulässig
Die vorgebrachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Corona-Impfpflicht, die im Jahr 2022 galt, sind unbegründet. Das hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen.
Der Beschluss ist die Antwort auf eine Vorlage* des Verwaltungsgerichts Osnabrück, das die einrichtungsbezogenen Impfpflicht (§ 20a IfSG) für verfassungswidrig gehalten hatte. Die Vorlage wurde jetzt allerdings für unzulässig erklärt.
*Was ist eine Vorlage?
In einem Rechtsstreit kann es mitunter vorkommen, dass das Gericht für eine Entscheidung bestimmte Gesetzesnormen hinzuziehen muss, die das Gericht allerdings selbst für verfassungswidrig hält. Ist das der Fall, haben die Gerichte die Möglichkeit, diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Das prüft dann, ob die Gesetzesnorm tatsächlich verfassungswidrig ist oder nicht.
Warum hat das VG Osnabrück die Impfpflicht für verfassungswidrig gehalten?
Grundlegender Rechtsstreit war die Klage einer Pflegehelferin gegen ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot, das ihr gegenüber ausgesprochen wurde. Grund dafür war, dass sie keinen Corona-Impfnachweis vorgelegt hatte, obwohl dieser nach § 20a IfSG im Jahr 2022 für Pflegefachkräfte und medizinisches Personal verpflichtend war.
In dem Streit wollte das VG Osnabrück tatsächlich der Pflegehelferin recht geben, weil es die Auffassung vertrat, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht mit der Zeit in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen war. So wurde die Pflicht zur Corona-Impfung damals damit gerechtfertigt, dass sie einen ausreichenden Fremdschutz biete und so vulnerable Menschen, die hauptsächlich im Gesundheitswesen anzutreffen sind, vor eine Infektion schützen könnte.
Neue Erkenntnisse des Robert Koch-Institus, die im Laufe des Jahres 2022 gewonnen werden konnten, legten jedoch nahe, dass der Fremdschutz der Impfung in Bezug auf die neue Omikron-Variante des Coronavirus nicht so hoch war wie angenommen. Für das VG Osnabrück hatte die Impfpflicht damit im Laufe der Zeit – spätestens im Oktober 2022 – ihre Legitimation verloren, was eine erneute Prüfung der Regelung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) notwendig machte.
Zuvor hatte sich das BVerfG nämlich schon einmal mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht auseinandersetzen müssen. Auch damals kamen die Richter zu einem ähnlichen Ergebnis.
Die Entscheidungsgründe des BVerfG
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts konnte das VG Osnabrück seine Vorlage nicht genügend begründen. So sei nicht nachvollziehbar, warum das Gericht zu dem Schluss kam, dass eine Impfung nach Auftreten der Omikron-Variante kein geeignetes Instrument mehr zur Reduzierung von Übertragungswahrscheinlichkeiten gewesen sein soll.
Für eine solche Schlussfolgerung fehle es an widerspruchsfreien Feststellungen, so das BVerG. Das Vorlagegericht sei nämlich selbst noch von einem Fremdschutz der Impfung ausgegangen, der bei der Omikron-Variante schlicht geringer ausfalle.
Außerdem habe sich das Vorlagegericht nicht ausreichend mit der ursprünglichen Entscheidung des BVerfG im Rahmen der Verfassungsbeschwerde gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht auseinandergesetzt. Damals seien Einschätzungen der ständigen Impfkommission, Beurteilungen des Paul-Ehrlich-Instituts, diverse Expertenmeinungen und fachkundige Stellungnahmen zu Rate gezogen worden.
Das BVerG macht dem VG Osnabrück den Vorwurf, sich von „vornerhein weiteren – fachwissenschaftlichen – Einschätzungen verschlossen“ zu haben, soweit es dem Gesetzgeber vorwirft, sich uneingeschränkt auf das Robert Koch-Institut verlassen zu haben.
Feststellungen zur fachwissenschaftlichen Erkenntnislage zum Übertragungsschutz der Impfung im Jahr 2022 würden deshalb fehlen.
FAQ
War die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht rechtens?
Ja, die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht war rechtens. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Impfpflicht nach § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht verfassungswidrig war. Die Maßnahme diente dem Schutz vulnerabler Gruppen im Gesundheitswesen und war ein geeignetes Mittel zur Reduzierung des Infektionsrisikos. Ein späteres Verwaltungsgerichtsurteil zweifelte die Verfassungsmäßigkeit aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse an, doch das Bundesverfassungsgericht hielt diese Zweifel für nicht ausreichend begründet.
Warum war die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht erlaubt?
Die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht war erlaubt, weil sie dem Schutz von Patienten und Pflegebedürftigen vor einer Ansteckung mit COVID-19 diente. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte, dass der Gesetzgeber sich auf wissenschaftliche Einschätzungen stützte, die von einem gewissen Fremdschutz durch die Impfung ausgingen. Auch wenn spätere Erkenntnisse zeigten, dass der Schutz gegen die Omikron-Variante geringer war, änderte dies rückwirkend nichts an der Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme.
Quelle: Bundesverfassungsgericht vom 29. Januar 2025 – 1 BvL 9/24