Impfpflicht
Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt hält an seiner Einschät­zung zur einrich­tungs­be­zo­ge­nen Impfpflicht fest. Bild: by Ghinzo from Pixabay

Einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht: Zweifel des VG Osnabrück unzuläs­sig

Die vorge­brach­ten Zweifel an der Recht­mä­ßig­keit der Corona-Impfpflicht, die im Jahr 2022 galt, sind unbegrün­det. Das hat das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt beschlos­sen.

Der Beschluss ist die Antwort auf eine Vorlage* des Verwal­tungs­ge­richts Osnabrück, das die einrich­tungs­be­zo­ge­nen Impfpflicht (§ 20a IfSG) für verfas­sungs­wid­rig gehal­ten hatte. Die Vorlage wurde jetzt aller­dings für unzuläs­sig erklärt.

*Was ist eine Vorlage?

In einem Rechts­streit kann es mitun­ter vorkom­men, dass das Gericht für eine Entschei­dung bestimmte Geset­zes­nor­men hinzu­zie­hen muss, die das Gericht aller­dings selbst für verfas­sungs­wid­rig hält. Ist das der Fall, haben die Gerichte die Möglich­keit, diese Frage dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt vorzu­le­gen. Das prüft dann, ob die Geset­zes­norm tatsäch­lich verfas­sungs­wid­rig ist oder nicht.

Warum hat das VG Osnabrück die Impfpflicht für verfas­sungs­wid­rig gehal­ten?

Grund­le­gen­der Rechts­streit war die Klage einer Pflege­hel­fe­rin gegen ein Betre­tungs- und Tätig­keits­ver­bot, das ihr gegen­über ausge­spro­chen wurde. Grund dafür war, dass sie keinen Corona-Impfnach­weis vorge­legt hatte, obwohl dieser nach § 20a IfSG im Jahr 2022 für Pflege­fach­kräfte und medizi­ni­sches Perso­nal verpflich­tend war.

In dem Streit wollte das VG Osnabrück tatsäch­lich der Pflege­hel­fe­rin recht geben, weil es die Auffas­sung vertrat, dass die einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht mit der Zeit in die Verfas­sungs­wid­rig­keit hinein­ge­wach­sen war. So wurde die Pflicht zur Corona-Impfung damals damit gerecht­fer­tigt, dass sie einen ausrei­chen­den Fremd­schutz biete und so vulnerable Menschen, die haupt­säch­lich im Gesund­heits­we­sen anzutref­fen sind, vor eine Infek­tion schüt­zen könnte.

Neue Erkennt­nisse des Robert Koch-Insti­tus, die im Laufe des Jahres 2022 gewon­nen werden konnten, legten jedoch nahe, dass der Fremd­schutz der Impfung in Bezug auf die neue Omikron-Variante des Corona­vi­rus nicht so hoch war wie angenom­men. Für das VG Osnabrück hatte die Impfpflicht damit im Laufe der Zeit – spätes­tens im Oktober 2022 – ihre Legiti­ma­tion verlo­ren, was eine erneute Prüfung der Regelung durch das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) notwen­dig machte.

Zuvor hatte sich das BVerfG nämlich schon einmal mit einer Verfas­sungs­be­schwerde gegen die einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht ausein­an­der­set­zen müssen. Auch damals kamen die Richter zu einem ähnli­chen Ergeb­nis.

Die Entschei­dungs­gründe des BVerfG

Nach Ansicht des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts konnte das VG Osnabrück seine Vorlage nicht genügend begrün­den. So sei nicht nachvoll­zieh­bar, warum das Gericht zu dem Schluss kam, dass eine Impfung nach Auftre­ten der Omikron-Variante kein geeig­ne­tes Instru­ment mehr zur Reduzie­rung von Übertra­gungs­wahr­schein­lich­kei­ten gewesen sein soll.

Für eine solche Schluss­fol­ge­rung fehle es an wider­spruchs­freien Feststel­lun­gen, so das BVerG. Das Vorla­ge­ge­richt sei nämlich selbst noch von einem Fremd­schutz der Impfung ausge­gan­gen, der bei der Omikron-Variante schlicht gerin­ger ausfalle.

Außer­dem habe sich das Vorla­ge­ge­richt nicht ausrei­chend mit der ursprüng­li­chen Entschei­dung des BVerfG im Rahmen der Verfas­sungs­be­schwerde gegen die einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht ausein­an­der­ge­setzt. Damals seien Einschät­zun­gen der ständi­gen Impfkom­mis­sion, Beurtei­lun­gen des Paul-Ehrlich-Insti­tuts, diverse Exper­ten­mei­nun­gen und fachkun­dige Stellung­nah­men zu Rate gezogen worden.

Das BVerG macht dem VG Osnabrück den Vorwurf, sich von „vornerhein weite­ren – fachwis­sen­schaft­li­chen – Einschät­zun­gen verschlos­sen“ zu haben, soweit es dem Gesetz­ge­ber vorwirft, sich unein­ge­schränkt auf das Robert Koch-Insti­tut verlas­sen zu haben.

Feststel­lun­gen zur fachwis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­lage zum Übertra­gungs­schutz der Impfung im Jahr 2022 würden deshalb fehlen.

FAQ

War die einrich­tungs­be­zo­gene Corona-Impfpflicht rechtens?

Ja, die einrich­tungs­be­zo­gene Corona-Impfpflicht war rechtens. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt entschied, dass die Impfpflicht nach § 20a Infek­ti­ons­schutz­ge­setz (IfSG) nicht verfas­sungs­wid­rig war. Die Maßnahme diente dem Schutz vulnerabler Gruppen im Gesund­heits­we­sen und war ein geeig­ne­tes Mittel zur Reduzie­rung des Infek­ti­ons­ri­si­kos. Ein späte­res Verwal­tungs­ge­richts­ur­teil zweifelte die Verfas­sungs­mä­ßig­keit aufgrund neuer wissen­schaft­li­cher Erkennt­nisse an, doch das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt hielt diese Zweifel für nicht ausrei­chend begrün­det.

Warum war die einrich­tungs­be­zo­gene Corona-Impfpflicht erlaubt?

Die einrich­tungs­be­zo­gene Corona-Impfpflicht war erlaubt, weil sie dem Schutz von Patien­ten und Pflege­be­dürf­ti­gen vor einer Anste­ckung mit COVID-19 diente. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt bestä­tigte, dass der Gesetz­ge­ber sich auf wissen­schaft­li­che Einschät­zun­gen stützte, die von einem gewis­sen Fremd­schutz durch die Impfung ausgin­gen. Auch wenn spätere Erkennt­nisse zeigten, dass der Schutz gegen die Omikron-Variante gerin­ger war, änderte dies rückwir­kend nichts an der Verfas­sungs­mä­ßig­keit der Maßnahme.

Quelle: Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt vom 29. Januar 2025 – 1 BvL 9/24