Rechtsdepesche: Das Bundesverfassungsgericht hat gerade die einrichtungsbezogene Impfpflicht für verfassungsgemäß erklärt und damit entsprechende Klagen von betroffenen Pflegekräften verworfen. Sie führen mehrere ambulante Pflegedienste in Berlin. Wie kommt das bei Ihren Mitarbeiterinnen an?
Basche: Für meine Mitarbeiterinnen ist diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Ohrfeige. Sie empfinden das Urteil als ignorant und wissen aus eigener Erfahrung, dass es auch fachlich falsch ist. Das Gericht ist offensichtlich von einer inzwischen veralteten Datenlage ausgegangen, nämlich von jener zur Zeit der Klageerhebung. Inzwischen ist längst klar, dass die Impfung nicht zu einer sterilisierenden Immunisierung führt. Sie schützt zwar zuverlässig vor schweren Krankheitsverläufen, aber sie verhindert eben weder, sich selbst anzustecken, noch andere anzustecken.
Rechtsdepesche: Und wie stehen Sie persönlich zu dem Urteil?
Basche: Ich bin ein Befürworter der Gewaltenteilung. Umso erschütternder empfinde ich es, dass sich das Bundesverfassungsgericht, dessen wichtigste Aufgabe ja ist, bei Bedarf Korrektiv des Gesetzgebers zu sein, hier erneut als Totalausfall erweist. Das Gericht hätte bezüglich der Einrichtungsbezogenen Impfpflicht noch nicht einmal in die Angemessenheitsprüfung einsteigen müssen, da die Impfung für ihren vorgeblichen Zweck, nämlich den Schutz besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen, offensichtlich nicht geeignet ist, also schon bei der Geeignetheitsprüfung durchfällt.
Das Gericht wirkt mit solchen Urteilen auf die Betroffenen nur noch als Erfüllungsgehilfe der Staatsräson. Wenn aber sowohl die Dritte Gewalt, nämlich die Gerichtsbarkeit, als auch die Vierte Gewalt, nämlich die Medien, als Korrektive weitgehend ausfallen, ist es kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen außerdemokratischen Protestformen anschließen und sich auf ungefilterten Propagandakanälen engagieren. Das ist Gift für das Gemeinwesen, und mir macht Sorge, dass unser höchstes Gericht offenbar jedes Gespür für diese Risiken verloren hat.
Rechtsdepesche: Hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für Sie auch ganz praktische Konsequenzen?
Basche: Natürlich! Und diese Konsequenzen sind allen bekannt, die sich wirklich für Pflege interessieren. Die Personaldecke der Pflege ist nicht „auf Kante genäht“, wie ich es immer wieder lese und höre. Die Personaldecke der Pflege ist längst gerissen. Ich selbst muss jeden Tag Anfragen von Pflegebedürftigen, von Betreuern, von Krankenhäusern ablehnen, weil es nicht genug Personal für all diese Anfragen gibt. Wer davon spricht, es wären doch nur 5 Prozent der Pflegekräfte nicht geimpft, hat offensichtlich keine Ahnung davon, was der Wegfall von 5 Prozent bedeutet, wenn es 0 Prozent Reserven gibt.
Rechtsdepesche: Wie geht es jetzt weiter für Sie und Ihre Mitarbeiterinnen?
Basche: Das Urteil wird neben den bereits genannten noch weitere praktische Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Pflegekräften und Pflegebedürftigen haben. Diese Konsequenzen hat das Bundesverfassungsgericht offensichtlich nicht einmal in Erwägung gezogen. Wir erleben in der ambulanten Pflege die Risiken nämlich unter umgekehrten Vorzeichen: bei uns sind es immer wieder nicht Pflegekräfte, die Pflegebedürftige anstecken, sondern umgekehrt Pflegebedürftige, die Pflegekräfte anstecken. Das lässt sich auch mit den besten Schutzmaßnahmen nur schwer verhindern: Wir wissen nicht, was die Pflegebedürftigen in ihrer Freizeit tun, mit wem sie sich treffen, ob sie sich durch Masken schützen oder nicht.
Und das ist gut so: das nennt sich Privatsphäre, und hier geht es letztlich immer auch um Selbstverantwortung. Aber in der Körperpflege kommt man sich nun einmal so nahe wie beim Sex.
Rechtsdepesche: Dieses Einfordern von Selbstverantwortung geht vermutlich nicht ohne Konflikte ab?
Basche: Natürlich nicht. Viele Pflegebedürftige erklären uns, „dass Corona vorbei ist“. Wir müssen aber von unseren Pflegebedürftigen einfordern, dass sie weiter Mundschutz tragen, während wir sie versorgen. Und das dürfen wir auch erwarten. Das ist gelebte Solidarität: Jede Mitarbeiterin, die ausfällt, weil sie von einem Pflegebedürftigen angesteckt wurde, fällt in der Versorgung vieler, vieler andere Pflegebedürftiger aus.
Genauso ist die Impfung gelebte Selbstverantwortung. Wer sich impfen lässt, tut das für sich selbst, um schweren Krankheitsverläufen vorzubeugen. Er tut das nicht für andere. Das ist den Pflegekräften sehr wohl bewusst, offenbar aber nicht dem Bundesverfassungsgericht. Und deshalb ist die Einrichtungsbezogene Impfpflicht aus Sicht der Pflegekräfte nicht nur ungerecht und fachlich von gestern, sondern eine Zumutung.
Rechtsdepesche: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Verleger Prof. Dr. Volker Großkopf.
2 Kommentare
Sehr schwacher Artikel.
Keinerlei kritische Rückfragen. Dr. Jan Basche – vermutlich Mediziner?! – darf ohne wenn und aber seine Thesen äußern. Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ignoriert er dabei vollumfänglich. Wird einfach hingenommen.
…Warum sollte er seine Thesen nicht äußern dürfen? Und dass er die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers als völlig überholt ansieht, wird ja sehr deutlich. Das ist aus meiner Sicht sehr gut nachzuvollziehen. Man fragt sich tatsächlich, warum bei dieser „Gesundheitspolitik“ alle Kontrollmechanismen ausfallen. Sehr bedauerlich.