Wir werfen einen Blick auf die aktuellen rechtlichen Entwicklungen und was der Austritt aus der Kirche für Arbeitnehmer bedeutet.
Kirchenaustritt als Kündigungsgrund im Gesundheitswesen
Nach kirchlichem Verständnis gilt der Austritt aus der Kirche als besonders schwere Verfehlung. Für konfessionelle Arbeitgeber im Gesundheitswesen stellt sich die Frage, ob der Kirchenaustritt einer Pflegefachkraft eine Kündigung rechtfertigt. Aus Sicht der Kirche verliert der Mitarbeitende mit dem Austritt die notwendige Übereinstimmung mit den kirchlichen Werten und entzieht somit dem Arbeitsverhältnis die Grundlage.
Loyalitätsanforderungen kirchlicher Arbeitgeber
Kirchliche Arbeitgeber stellen spezielle Loyalitätsanforderungen an ihre Mitarbeitenden. In den arbeitsrechtlichen Ordnungen der Kirchen wird der Kirchenaustritt als schwerwiegender Verstoß angesehen, der eine Kündigung begründen kann. So nennt Artikel 7 Absatz 4 der Grundordnung (GO) der katholischen Kirche den Austritt als kündigungsrelevanten Verstoß. In der evangelischen Kirche ist gemäß § 5 Absatz 2 der Loyalitätsrichtlinie (Loyalitäts-RL) ein weiterer Dienst eines ausgetretenen Mitarbeiters nicht vorgesehen.
Rechtliche Grenzen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
Trotz dieser Loyalitätsanforderungen unterliegen kirchliche Arbeitsverhältnisse den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechts. Insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) setzt den Loyalitätserwartungen Grenzen und stellt den Schutz der Arbeitnehmer vor Diskriminierung in den Vordergrund. Eine Kündigung aufgrund des Kirchenaustritts kann daher als unzulässige Benachteiligung wegen der Religion bewertet werden.
Aktuelle Rechtsprechung und Bedeutung für die Zukunft
Im Fall einer Sozialpädagogin, die in der Schwangerschaftsberatung der Caritas tätig war und aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, entschied das Hessische Landesarbeitsgericht am 1. März 2022 (Az.: 8 Sa 1092/20), dass der Kirchenaustritt keinen relevanten Verstoß gegen die vertragliche Loyalitätspflicht darstellt. Die Richter argumentierten, dass die Mitgliedschaft in der Kirche keine berechtigte Anforderung an die Eignung der Mitarbeiterin sei, zumal ihre Kolleginnen bei der Einstellung nicht zwingend der katholischen Kirche angehören mussten. Der Austritt wurde daher als unzulässige Benachteiligung gemäß § 1 AGG angesehen.
Das Bundesarbeitsgericht hat in der Revision den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorgelegt. Es soll geprüft werden, ob eine Ungleichbehandlung von Beschäftigten aufgrund des Kirchenaustritts mit dem Europarecht vereinbar ist. Eine Entscheidung des EuGH steht noch aus und wird wegweisend für die zukünftige Rechtsprechung sein. Bereits in früheren Urteilen hat der EuGH betont, dass Loyalitätsanforderungen nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie eine wesentliche und rechtmäßige berufliche Anforderung darstellen.
Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass kirchliche Arbeitgeber ihre Loyalitätsanforderungen künftig verstärkt auf ihre Vereinbarkeit mit dem Diskriminierungsverbot überprüfen müssen. Die ausstehende Entscheidung des EuGH wird maßgeblich beeinflussen, inwieweit der Kirchenaustritt als Kündigungsgrund rechtlich Bestand haben kann.
Quelle: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 1. März 2022 – 8 Sa 1092/20.
FAQ
Was tun, wenn ein Kirchenaustritt als Kündigungsgrund im Gesundheitswesen geltend gemacht wird?
Wenn ein konfessioneller Arbeitgeber den Kirchenaustritt als Kündigungsgrund heranzieht, sollte der betroffene Mitarbeiter zunächst die Kündigung sorgfältig prüfen lassen. Laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) könnte dies eine unzulässige Benachteiligung aufgrund der Religion darstellen. Die Rechtsprechung, wie das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts (Az.: 8 Sa 1092/20), zeigt, dass Loyalitätsanforderungen kirchlicher Arbeitgeber Grenzen haben. Betroffene sollten rechtliche Beratung in Anspruch nehmen und prüfen lassen, ob die Kündigung arbeitsrechtlich angefochten werden kann, weil ein Verstoß gegen das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegt.
Welche Rechte haben Pflegekräfte bei einer Kündigung wegen Kirchenaustritts?
Pflegekräfte, die aufgrund eines Kirchenaustritts gekündigt werden, haben das Recht, die Kündigung rechtlich anzufechten. Das Kündigungsschutzrecht und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützen Arbeitnehmer vor Diskriminierung. Kirchliche Loyalitätsanforderungen müssen mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der beruflichen Anforderungen vereinbar sein. Die aktuelle Rechtsprechung tendiert dazu, Kirchenaustritte nicht pauschal als Kündigungsgrund zu akzeptieren, insbesondere wenn die religiöse Zugehörigkeit keine wesentliche berufliche Anforderung darstellt.
Wer haftet, wenn eine unzulässige Kündigung wegen Kirchenaustritts ausgesprochen wird?
Wenn sich herausstellt, dass eine Kündigung wegen Kirchenaustritts unzulässig war, haftet der Arbeitgeber für den entstandenen Schaden. Dies kann zur Verpflichtung führen, Lohn nachzuzahlen oder eine Abfindung zu zahlen. Laut AGG und Europarecht dürfen Arbeitnehmer nicht wegen ihrer Religion diskriminiert werden. Die endgültige Klärung der Haftungsfrage hängt jedoch oft von der Entscheidung in arbeitsrechtlichen Instanzen ab, wie derzeit beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) geprüft wird.