Verleumdung unter den Mitarbeitenden. Eine Frau arbeitet als Pflegehelferin in einem Seniorenwohnpark. Während ihrer Frühschicht am 5. Mai 2020 gerät sie mit einem Bewohner – der gleichzeitig Vorsitzender des Bewohnerbeirats ist – in eine Auseinandersetzung. Der Vorfall war schließlich Anlass für ein Teamgespräch, das wenige Tage später zwischen der Frau, dem Gesamtheimleiter, dem Einrichtungsleiter und dem Personalleiter stattfand. In dem Gespräch hat die Frau plötzlich unvermittelt behauptet, eine ihrer Kolleginnen (Frau T.) schlage Bewohnerinnen und Bewohner und versicherte, dass es sich hierbei nicht nur um Gerüchte handele.
Kollegin schlug angeblich Bewohnerinnen und Bewohner
Der Gesamtheimleiter brach das Gespräch schließlich ab, woraufhin die Kollegin T. zu den Vorwürfen befragt wurde. Sie wies diese von sich und auch durch weitere Befragung erhärtete sich der geäußerte Verdacht nicht. Später entschuldigte sich die Frau bei ihrer Kollegin T. und schrieb:
„Ich möchte mich von ganzem Herzen bei dir entschuldigen. Wenn du wirklich verstanden hast, dass ich gesagt habe, dass du Leute (Bewohner) schlägst… Ich würde sowas niemals sagen, bzw., behaupten. Ich habe sehr großen Respekt vor dir und was … vorgefallen ist, tut mir sehr leid.“
Der Vorsitzende des Bewohnerbeirats beschwerte sich schließlich über die Pflegehelferin, die ihn am 5. Mai 2020 unangemessen behandelt habe. Beim Betriebsrat bat er um Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Frau. Der Betriebsrat stimmte dem zu und kündigte das Arbeitsverhältnis mit der betroffenen Pflegehelferin außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin.
Frau erhob Kündigungsschutzklage
Vor dem Arbeitsgericht Koblenz hat die Frau Kündigungsschutzklage erhoben, die im Verlauf des Verfahrens zu einem Weiterbeschäftigungsantrag erweitert wurde. Daraufhin hat der Arbeitgeber der Frau erneut wegen Verleumdung fristlos, hilfsweise fristgerecht zu einem späteren Zeitpunkt gekündigt. Auch hiergegen hat die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben.
Vor Gericht schilderte sie eine schwierige Situation in dem Pflegeheim und lehnte die Kündigung als unverhältnismäßig ab. Immer wieder gab es Beschwerden über den Dienstplan, vor allem auch ihre Kollegin T. habe sich immer wieder beschwert, dass Mitarbeitende gestresst seien und Fehler aufträten. In einem Gespräch mit dem Geschäftsführer ihres Arbeitgebers habe dieser sie schließlich als paranoid bezeichnet und gesagt, dass er „kein Bock mehr habe, hier zu sitzen und dir zuzuhören. Du bist krank, hol dir Hilfe.“
Schon damals hatte ihr Arbeitgeber klar gemacht, dass er nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten wolle. Die Frau entgegnete, dass es ihr um das Wohl der Patientinnen und Patienten gehe und die Situation sowieso angespannt sei, weil Kollegin T. Gerüchten zufolge Bewohnerinnen und Bewohner schlage. Der Geschäftsführer habe sie daraufhin angeschrien, Dienstpläne gingen sie absolut nichts an, sie sei einfach nur „nichts“. Nach Auffassung des Geschäftsführers ging es der Frau lediglich darum, Gerüchte zu verbreiten, die sie von einer anderen Kollegin Q. gehört habe.
Berufung blieb erfolglos
Das Gericht hat die Klage der Frau schließlich abgewiesen, wogegen sowohl die Frau als auch ihr Arbeitgeber Berufung eingelegt haben, um ihre Interessen weiterzuverfolgen.
Beide Berufungen blieben auch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz erfolglos. Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis zwar nicht fristlos, dafür aber fristgerecht gekündigt. Grund dafür ist, dass sich die Klägerin zwar nach § 626 Absatz 1 BGB einer geeigneten Pflichtverletzung schuldig gemacht hat, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss jedoch abgewogen werden, ob die Frau nicht trotzdem bis zum Auslauf der Kündigungsfrist weiterarbeiten kann.
Die Pflegehelferin hat ihre Kollegin T. bewusst wahrheitswidrig beschuldigt, Bewohnerinnen und Bewohner zu schlagen. Dass die Behauptung wahrheitswidrig ist, ergibt sich sus ihrem Entschuldigungsschreiben an die Kollegin T. Zudem konnte die Pflegehelferin ihre Behauptung aus erster Instanz nicht aufrechterhalten nur von einem Gerücht gesprochen zu haben. Es fehlte insoweit auch einem belastbaren Tatsachenbestand.
Verleumdung = Ehrverletzung
Die Verleumdung von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellt zugleich einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten dar und kann auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dennoch war nach Auffassung des Gerichts dem Arbeitgeber der Frau die Weiterbeschäftigung der Klägerin jedenfalls bis zum Auslauf der ordentlichen Kündigung zuzumuten.
Die fristgerechte Kündigung ist gemäß § 1 Absatz 2 KSchG aus verhaltensbedingten Gründen sozialgerechtfertigt. Die Klägerin hat sich durch die unwahre Behauptung einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung im Sinne einer Verletzung der ihr obliegenden Rücksichtnahmepflicht aus dem Arbeitsverhältnis schuldig gemacht.
Quelle: LAG Rheinland-Pfalz vom 25.01.2022 – 6 Sa 199/21