Klimaschutz
DKG: Politik bremst Klima­schutz aus Bild: Janine Matthees

Seit Jahren ist klar: Beim Thema Klima­schutz ist keine Zeit mehr zu verlie­ren. Doch in den deutschen Kranken­häu­sern wird der Klima­schutz von der fehlen­den Inves­ti­ti­ons­be­reit­schaft der Politik ausge­bremst. Wie in vielen anderen Berei­chen – Digita­li­sie­rung, Medizin­tech­nik oder bauli­che Infra­struk­tur – fehlen auch beim Klima­schutz seit Jahrzehn­ten notwen­dige Förder­mit­tel.

„Die deutschen Kranken­häu­ser haben eine Bausub­stanz, die klassi­scher­weise aus den siebzi­ger und achtzi­ger Jahren stammt,“ erklärt Dr. Gerald Gaß, Vorsit­zen­der der DKG. „In den letzten Jahrzehn­ten ist hier viel kaputt­ge­spart worden. Diese Probleme müssen jetzt kumuliert aufge­ar­bei­tet werden.“ Die chroni­sche Unter­fi­nan­zie­rung der Inves­ti­ti­ons­för­de­rung ist drama­tisch: Jährlich fehlen über drei Milli­ar­den Euro, obwohl die Länder gesetz­lich zur Finan­zie­rung verpflich­tet sind.

Klima­schutz­po­ten­tial noch nicht ausge­schöpft

Die Studie „Klima­schutz in deutschen Kranken­häu­sern“ erfasst klima- und energie­re­le­vante Daten deutscher Kranken­häu­ser und identi­fi­ziert Maßnah­men zur Verbes­se­rung der Klima­bi­lanz. Viele Kranken­häu­ser sehen Klima­schutz als wichtig an: 38 Prozent der Häuser haben Leitli­nien und Zielvor­ga­ben zur Energie­ein­spa­rung und Nachhal­tig­keit etabliert, 30 Prozent beschäf­ti­gen Klima­ma­na­ger. Daneben werden häufig unter­schied­li­che Einzel­maß­nah­men einge­setzt, etwa im Bereich der Wärme­däm­mung, der Müllver­mei­dung oder beim Monito­ring von Verbrauchs­kenn­zah­len.

„Kranken­häu­ser können als Großver­brau­cher einen spürba­ren Beitrag zum Klima­schutz leisten. Dazu müssen sie aber in Technik und Prozesse inves­tie­ren. Die seit Jahrzehn­ten unzurei­chende Inves­ti­ti­ons­kos­ten­fi­nan­zie­rung zwingt Kranken­häu­ser aller­dings dazu, die knappen Mittel vorran­gig für die notwen­digs­ten Anschaf­fun­gen in der direk­ten Patien­ten­ver­sor­gung zu verwen­den. Deshalb ist bei der CO2-Neutra­li­tät vieles liegen­ge­blie­ben. Die Kranken­häu­ser benöti­gen ein Inves­ti­ti­ons­pro­gramm für den Klima­schutz, um die vorhan­de­nen Poten­tiale zu heben“, erklärt Gaß.

Klimaschutz
Dr. Gerald Gaß Bild: Janine Matthees

Aktuell ist das Klima­schutz­po­ten­zial der Kranken­häu­ser noch nicht ausge­schöpft: 63 Prozent der befrag­ten Klini­ken sehen Verbes­se­rungs­mög­lich­kei­ten im Bereich der Energie- und Strom­ver­sor­gung. Bei der Wärme­ver­sor­gung sieht jedes zweite Kranken­haus Handlungs­be­darf, etwa bei den techni­schen Anlagen, der Wärme­rück­ge­win­nung und dem Primär­ener­gie­mix. Erneu­er­bare Energien kommen zwar zum Einsatz, jedoch nur in begrenz­tem Umfang. Auch in anderen Maßnah­men­fel­dern gibt es noch viel Poten­zial, zum Beispiel bei der Kälte- und Wasser­ver­sor­gung oder durch den kontrol­lier­ten Einsatz von klima­schäd­li­chen Narko­tika.

Gaskrise bedroht Klini­ken

Die durch die durch den Ukrai­ne­krieg ausge­löste Gaskrise könnte im Winter 2022/2023 drama­ti­sche Auswir­kun­gen haben. 92 Prozent der Kranken­häu­ser haben 2019 Erdgas zur Wärme­ver­sor­gung genutzt. Dabei beträgt der durch­schnitt­li­che Gasver­brauch eines Kranken­hau­ses etwa 4,9 Millio­nen Kubik­me­ter, das entspricht dem Jahres­ver­brauch von 2.939 Einfa­mi­li­en­häu­sern. Einspa­rungs­mög­lich­kei­ten sehen die Klini­ken hier kaum: Auf die Frage, um wie viel Prozent der Gasver­brauch kurzfris­tig reduziert werden könnte, gaben 61 Prozent der Klini­ken an, keine Möglich­keit zur Reduzie­rung zu haben. Immer­hin 28 Prozent könnten ihren Verbrauch um bis zu 10 Prozent senken, weitere 6 Prozent um bis zu 20 Prozent. Nur 5 Prozent der Befrag­ten sehen eine Reduk­tion von über 30 Prozent als machbar an.

Zwar werden Kranken­häu­ser bei der Versor­gung von der Bundes­netz­agen­tur priori­siert. Aller­dings besteht eine Abhän­gig­keit von den Zulie­fe­rern, zum Beispiel Wäsche­reien oder Speise­ver­sor­ger. Darüber hinaus sind massive Preis­stei­ge­run­gen zu erwar­ten, da langfris­tige Preis­bin­dun­gen durch die Versor­ger nicht angebo­ten werden. Mehr als die Hälfte der Kranken­häu­ser erwar­tet in diesem Jahr noch höhere Preise bei Gas und Strom. Schon 2022 sind bereits 43 Prozent der Klini­ken bei Gas und 45 Prozent bei Strom von Preis­stei­ge­run­gen betrof­fen.

Politik muss in soziale Infra­struk­tur inves­tie­ren

Um die deutschen Kranken­häu­ser energe­tisch zu sanie­ren, muss nicht nur schnell gehan­delt werden. Auch die notwen­di­gen Summen sind erheb­lich. „Sollten alle indivi­du­ell mögli­chen Maßnah­men umgesetzt werden, wären Inves­ti­tio­nen im mittle­ren zweistel­li­gen Milli­ar­den­be­reich nötig“, erklärt Gaß. Die Lösung sieht er in einer gemein­sa­men Finan­zie­rung der nötigen Inves­ti­tio­nen durch Bund und Länder: Die Politik muss nach jahrzehn­te­lan­gen Sparmaß­nah­men endlich in die soziale Infra­struk­tur inves­tie­ren.