Krankenhausreform
Für Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) stellt die angedachte Kranken­haus­re­form eine Revolu­tion im Kranken­haus­sek­tor dar. Bild: BMG/Thomas Ecke

Die Missstände in deutschen Kranken­häu­sern, die durch die Corona­pan­de­mie in das Bewusst­sein der Öffent­lich­keit getre­ten sind und sich noch einmal drama­ti­siert haben, sollen nun endlich behoben werden. Aus dem Gesund­heits­we­sen ist insbe­son­dere die Kritik am Kranken­haus als profit­ori­en­tier­tes Unter­neh­men groß.

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Prof. Dr. Karl Lauter­bach (SPD) hat inzwi­schen die Pläne für eine Reform der Kranken­haus­fi­nan­zie­rung vorge­stellt – und spricht in diesem Zusam­men­hang selbst von einer „Revolu­tion im Kranken­haus­sek­tor“.

Fallpau­scha­len als Fehlan­reiz

Der Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter identi­fi­zierte die sogenann­ten Fallpau­scha­len – besser bekannt als Diagno­sis Related Groups oder DRG – als den treiben­den Faktor für die Verschlech­te­rung der Arbeits­be­din­gun­gen sowie für die fortschrei­tende Ökono­mi­sie­rung des Gesund­heits­we­sens.

Eine (vielleicht zu) späte Erkennt­nis, wenn man einen Blick in die Wissen­schaft wirft: Bereits wenige Jahre nach der Einfüh­rung der DRGs wurde das Problem von mehre­ren Seiten angemahnt. So beispiels­weise in der viel zitier­ten und inzwi­schen als Stand­werk gelten­den Publi­ka­tion „Gesund­heits­ver­sor­gung zwischen Solida­ri­tät und Wettbe­werb“ des Politik­wis­sen­schaft­lers Roman Böckmann. Ein Schrift­stück, das sicher­lich auch Karl Lauter­bach in seiner Rolle als Profes­sor für Gesund­heits­po­li­tik und Gesund­heits­öko­no­mie nicht entgan­gen sein sollte.

Hinzu kommt: Lauter­bach soll nach Berich­ten der Augsbur­ger Allge­mei­nen Zeitung selbst an der Einfüh­rung der Fallpau­scha­len als Regie­rungs­be­ra­ter mitbe­tei­ligt gewesen sein. In den letzten Jahren verstärkte sich jedoch der öffent­li­che Druck, sodass eine Änderung der Kranken­haus­fi­nan­zie­rung unabding­bar scheint.

Beispiel: Vorhal­te­leis­tung

Teil der anste­hen­den Reform ist beispiels­weise, dass Klini­ken, die in der Funktion eines Grund­ver­sor­gers stehen (siehe unten) selbst dann Gelder erhal­ten, wenn sie ansons­ten nicht voll ausge­las­tet sind. Diese „Vorhal­te­leis­tung“ betreffe beson­ders Notauf­nah­men und Kranken­häu­ser im ländli­chen Raum.

Kranken­haus­re­form bringt Neustruk­tu­rie­rung der Klinik­land­schaft

Zusätz­lich sollen Klini­ken künftig in drei Gruppen unter­teilt werden, die jeweils die Funktion als „Grund­ver­sor­ger“, „Schwer­punkt­ver­sor­ger“ und „Maximal­ver­sor­ger“ erfül­len. Diese Eingrup­pie­rung bezieht sich in erster Linie auf die Größe und die Aufga­ben­fel­der der Häuser. Dabei zählen zu den Grund­ver­sor­gern kleine, zumeist im ländli­chen Raum gelegene Kranken­häu­ser. Als Maximal­ver­sor­ger gelten insbe­son­dere die Univer­si­täts­kli­ni­ken in den großen Städten.

Diese Neustruk­tu­rie­rung birgt die nahelie­gende Gefahr, dass für viele Menschen die Wege für medizi­ni­sche Eingriffe lang werden. Bei hoch spezia­li­sier­ten Maßnah­men, scheint das nachvoll­zieh­bar und logisch. Tatsäch­lich bringt diese Neustruk­tu­rie­rung aber die Gefahr der Schlie­ßung für viele kleine Kranken­häu­ser und könnte lange Anfahrts­wege für Behand­lun­gen wie Gebur­ten oder Herzka­the­ter­ein­griffe bedeu­ten, wie der MDR berich­tet.

Selbst in Berlin bedroht die Kranken­haus­re­form einen Großteil der Einrich­tun­gen. Aus diesem Grund warnt auch die Berli­ner Kranken­haus­ge­sell­schaft laut dem Tages­spie­gel vor der Umset­zung der Kranken­haus­re­form. Demnach würden von den über 50 Berli­ner „Plankran­ken­häu­sern“ – also Klini­ken, die vom Staat als notwen­dig einge­stuft wurden – ledig­lich ganze 7 (!) übrig bleiben.

Hinter der „Revolu­tion“ scheint sich also letzt­end­lich nur ein weite­res Sparpa­ket für das Gesund­heits­we­sen zu verber­gen, unter dem die Versor­gung der Patien­tin­nen und Patien­ten weiter leiden wird.

Kranken­haus­re­form soll Arbeits­be­din­gun­gen verbes­sern – nur wie?

Erklär­tes Ziel der Reform sei aller­dings „die Verbes­se­rung der Arbeits­be­din­gun­gen von Pflege­per­so­nal und Ärzten“. Wie diese Verbes­se­run­gen ausge­stal­tet werden, bleibt hinge­gen eine offene Frage: Denn von einer massi­ven Erhöhung der Löhne in der Pflege oder einer Entlas­tung der Ärzte­schaft – was man an dieser Stelle jetzt erwar­ten könnte – ist in der Reform nichts zu hören.

Tatsäch­lich finden sich in den Reform­plä­nen gar keine konkre­ten Maßnah­men, wie die angekün­digte Verbes­se­rung herbei­ge­führt werden soll. Sicher ist: Allein durch warme Worte wird das Perso­nal jeden­falls nicht in den Klini­ken gehal­ten werden können.

Es braucht Druck von unten

Dass Verbes­se­run­gen des Gesund­heits­we­sens nicht durch die Initia­tive des Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­ums herbei­ge­führt werden, wurde uns schon 2003 mit der Einfüh­rung der Fallpau­scha­len vor Augen geführt. Zwanzig Jahre später stehen wir vieler­orts vor den Trümmern einer fehlge­lei­te­ten Politik. Eine weitere Drama­ti­sie­rung kann in Deutsch­land niemand mehr gebrau­chen.

Der einzige Weg, echte Entlas­tung herbei­zu­füh­ren, führt über den Druck von unten. Pflege­ge­werk­schaf­ten und Berufs­ver­bände sind hier deutlich vielver­spre­chen­der als das Vertrauen auf die Politik. Möglich­kei­ten aktiv zu werden bieten beispiels­weise der Deutscher Berufs­ver­band für Pflege­be­rufe (DBfK) oder die Pflege­ge­werk­schaft Bochu­mer­Bund.