Die Missstände in deutschen Krankenhäusern, die durch die Coronapandemie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten sind und sich noch einmal dramatisiert haben, sollen nun endlich behoben werden. Aus dem Gesundheitswesen ist insbesondere die Kritik am Krankenhaus als profitorientiertes Unternehmen groß.
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) hat inzwischen die Pläne für eine Reform der Krankenhausfinanzierung vorgestellt – und spricht in diesem Zusammenhang selbst von einer „Revolution im Krankenhaussektor“.
Fallpauschalen als Fehlanreiz
Der Bundesgesundheitsminister identifizierte die sogenannten Fallpauschalen – besser bekannt als Diagnosis Related Groups oder DRG – als den treibenden Faktor für die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sowie für die fortschreitende Ökonomisierung des Gesundheitswesens.
Eine (vielleicht zu) späte Erkenntnis, wenn man einen Blick in die Wissenschaft wirft: Bereits wenige Jahre nach der Einführung der DRGs wurde das Problem von mehreren Seiten angemahnt. So beispielsweise in der viel zitierten und inzwischen als Standwerk geltenden Publikation „Gesundheitsversorgung zwischen Solidarität und Wettbewerb“ des Politikwissenschaftlers Roman Böckmann. Ein Schriftstück, das sicherlich auch Karl Lauterbach in seiner Rolle als Professor für Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie nicht entgangen sein sollte.
Hinzu kommt: Lauterbach soll nach Berichten der Augsburger Allgemeinen Zeitung selbst an der Einführung der Fallpauschalen als Regierungsberater mitbeteiligt gewesen sein. In den letzten Jahren verstärkte sich jedoch der öffentliche Druck, sodass eine Änderung der Krankenhausfinanzierung unabdingbar scheint.
Beispiel: Vorhalteleistung
Teil der anstehenden Reform ist beispielsweise, dass Kliniken, die in der Funktion eines Grundversorgers stehen (siehe unten) selbst dann Gelder erhalten, wenn sie ansonsten nicht voll ausgelastet sind. Diese „Vorhalteleistung“ betreffe besonders Notaufnahmen und Krankenhäuser im ländlichen Raum.
Krankenhausreform bringt Neustrukturierung der Kliniklandschaft
Zusätzlich sollen Kliniken künftig in drei Gruppen unterteilt werden, die jeweils die Funktion als „Grundversorger“, „Schwerpunktversorger“ und „Maximalversorger“ erfüllen. Diese Eingruppierung bezieht sich in erster Linie auf die Größe und die Aufgabenfelder der Häuser. Dabei zählen zu den Grundversorgern kleine, zumeist im ländlichen Raum gelegene Krankenhäuser. Als Maximalversorger gelten insbesondere die Universitätskliniken in den großen Städten.
Diese Neustrukturierung birgt die naheliegende Gefahr, dass für viele Menschen die Wege für medizinische Eingriffe lang werden. Bei hoch spezialisierten Maßnahmen, scheint das nachvollziehbar und logisch. Tatsächlich bringt diese Neustrukturierung aber die Gefahr der Schließung für viele kleine Krankenhäuser und könnte lange Anfahrtswege für Behandlungen wie Geburten oder Herzkathetereingriffe bedeuten, wie der MDR berichtet.
Selbst in Berlin bedroht die Krankenhausreform einen Großteil der Einrichtungen. Aus diesem Grund warnt auch die Berliner Krankenhausgesellschaft laut dem Tagesspiegel vor der Umsetzung der Krankenhausreform. Demnach würden von den über 50 Berliner „Plankrankenhäusern“ – also Kliniken, die vom Staat als notwendig eingestuft wurden – lediglich ganze 7 (!) übrig bleiben.
Hinter der „Revolution“ scheint sich also letztendlich nur ein weiteres Sparpaket für das Gesundheitswesen zu verbergen, unter dem die Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter leiden wird.
Krankenhausreform soll Arbeitsbedingungen verbessern – nur wie?
Erklärtes Ziel der Reform sei allerdings „die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegepersonal und Ärzten“. Wie diese Verbesserungen ausgestaltet werden, bleibt hingegen eine offene Frage: Denn von einer massiven Erhöhung der Löhne in der Pflege oder einer Entlastung der Ärzteschaft – was man an dieser Stelle jetzt erwarten könnte – ist in der Reform nichts zu hören.
Tatsächlich finden sich in den Reformplänen gar keine konkreten Maßnahmen, wie die angekündigte Verbesserung herbeigeführt werden soll. Sicher ist: Allein durch warme Worte wird das Personal jedenfalls nicht in den Kliniken gehalten werden können.
Es braucht Druck von unten
Dass Verbesserungen des Gesundheitswesens nicht durch die Initiative des Bundesgesundheitsministeriums herbeigeführt werden, wurde uns schon 2003 mit der Einführung der Fallpauschalen vor Augen geführt. Zwanzig Jahre später stehen wir vielerorts vor den Trümmern einer fehlgeleiteten Politik. Eine weitere Dramatisierung kann in Deutschland niemand mehr gebrauchen.
Der einzige Weg, echte Entlastung herbeizuführen, führt über den Druck von unten. Pflegegewerkschaften und Berufsverbände sind hier deutlich vielversprechender als das Vertrauen auf die Politik. Möglichkeiten aktiv zu werden bieten beispielsweise der Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) oder die Pflegegewerkschaft BochumerBund.