Rechts­de­pe­sche: Aktuell scheint wieder Bewegung in das Thema „Entbü­ro­kra­ti­sie­rung der Pflege­do­ku­men­ta­tion“ gekom­men zu sein…

Prof. Dr. Volker Großkopf: In der Tat. In der jüngs­ten Vergan­gen­heit sind eine Reihe von Projek­ten durch­ge­führt worden, die sich mit der Verschlan­kung der Pflege­do­ku­men­ta­tion ausein­an­der­ge­setzt haben.

Rechts­de­pe­sche: Frühere Projekte haben bislang jedoch nur begrenz­ten Erfolg aufge­wie­sen – meist standen Rechts­fra­gen als Hinder­nis im Wege.

Großkopf: Als Haftungs­recht­ler kann ich allen Reduzie­rungs­be­stre­bun­gen nur dann einen Erfolg beschei­ni­gen, wenn das jewei­lige Entbü­ro­kra­ti­sie­rungs­mo­dell sich auch als gerichts­fest erweist. Das war nicht immer der Fall. Ich erinnere mich zum Beispiel an den bayeri­schen Entbü­ro­kra­ti­sie­rungs­an­satz für den statio­nä­ren Pflege­be­reich vor etwa zehn Jahren, der eine haftungs­recht­li­che Überfrach­tung der Pflege­fach­kräfte vorsah.

Rechts­de­pe­sche: Gibt es weitere Rechts­aspekte die von Bedeu­tung sind?

Großkopf: Ja, neben den zivil­recht­li­chen Fragen des Schadens­er­sat­zes müssen sich alle Bemühun­gen auch an den Maßstä­ben des Sozial­ver­si­che­rungs­rechts messen lassen. Hier muss zunächst dem Thema „Quali­täts­si­che­rung“ unter pflege­wis­sen­schaft­li­chen Aspek­ten Aufmerk­sam­keit gewid­met werden. Das heißt: anhand der Daten­lage muss erkenn­bar sein, ob in der jewei­li­gen Pflege­si­tua­tion Pflege- oder medizi­ni­sche Behand­lungs­maß­nah­men bei der betrof­fe­nen Person vorge­nom­men werden müssen, welche Maßnahme wann zu ergrei­fen ist und wer sie schließ­lich durch­zu­füh­ren hat.

Rechts­de­pe­sche: Gibt es noch weitere, einschrän­kende Fakto­ren?

Großkopf: Ja, die gibt es. Seit gerau­mer Zeit sind zentrale Begriffe des Sozial­rechts in der politi­schen Diskus­sion. Beispiel­haft möchte ich hier nur den Pflege­be­dürf­tig­keits­be­griff und die Abgren­zung zur Behand­lungs­pflege nennen. Werden diese Begriffe vom Gesetz­ge­ber neu inter­pre­tiert, wirkt sich dies natür­lich unmit­tel­bar auch auf das Dokumen­ta­ti­ons­ge­sche­hen aus. Wir dürfen nicht verges­sen, dass ein Teil der Dokumen­ta­tion alleine aus abrech­nungs­tech­ni­schen Gründen vollzo­gen wird.

Rechts­de­pe­sche: Was können unsere Leser Ihrer Meinung nach in Sachen Dokumen­ta­tion erwar­ten?

Großkopf: Ich glaube nicht, dass sich der Umfang der Dokumen­ta­tion in naher Zukunft wesent­lich verän­dern wird. Ich kann mir aber sehr gut vorstel­len, dass durch den Einsatz neuer Techno­lo­gien eine effizi­en­tere Form der Dokumen­ta­tion gefun­den werden kann, die es den profes­sio­nell Handeln­den ermög­licht, Zeitres­sour­cen zur Versor­gung der Pflege­be­dürf­ti­gen wieder zurück zu gewin­nen.

Das Inter­view führte Michael Schanz.