Pflegekammer
Bekommt das Land Baden-Württem­berg eine eigene Pflege­kam­mer? Bild: Land Baden-Württem­berg

Die Gründung einer Landes­pfle­ge­kam­mer ist ein langwie­ri­ger Prozess. Der Start­schuss fiel am 24. Mai 2023: An diesem Tag hatte der baden-württem­ber­gi­sche Landtag das Landes­pfle­ge­kam­mer­ge­setz verab­schie­det.

Gründungs­aus­schuss der Pflege­kam­mer berei­tet Regis­trie­rung vor

Am 18. Juli wurden die Mitglie­der des Gründungs­aus­schus­ses offizi­ell benannt, dessen Aufgabe es ist, die notwen­di­gen Struk­tu­ren für die Pflege­kam­mer Baden-Württem­berg zu etablie­ren. Er berei­tet auch die Wahl der Kammer­ver­samm­lung vor, wofür die künfti­gen Mitglie­der der Pflege­kam­mer zunächst regis­triert werden müssen.

Ab dem 24. August werden die zustän­di­gen Arbeit­ge­ber angeschrie­ben und um die Regis­trie­rung der bei ihnen angestell­ten Pflege­fach­kräfte gebeten. Die Regis­trie­rung soll online ab dem 26. Septem­ber möglich sein. Ab Ende 2023 werden dann die regis­trier­ten Pflege­kräfte selbst schrift­lich kontak­tiert, um ihnen die Möglich­keit zu geben, der Regis­trie­rung zu wider­spre­chen.

Für die Regis­trie­rung sind 18 Monate einge­plant. Wenn in dieser Zeit mindes­tens 60 Prozent der 110.000 in Baden-Württem­berg tätigen Pflege­kräfte der Mitglied­schaft zugestimmt haben – diesen Anteil bezeich­net man als Errich­tungs­quo­rum – wird die Vollver­samm­lung der Pflege­kam­mer gewählt. Sollte diese Quote nicht erreicht werden, kann die Gründung der Pflege­kam­mer noch schei­tern.

Welche Aufga­ben soll die Pflege­kam­mer überneh­men?

Die Pflege­kam­mer ist als Selbst­ver­wal­tung für beruf­lich Pflegende gedacht. Sie soll eine profes­sio­nelle pflege­ri­sche Versor­gung sicher­stel­len und Pflege­fach­kräf­ten die Möglich­keit geben, das Berufs­bild weiter­zu­ent­wi­ckeln. Zu ihren Aufga­ben gehören beispiels­weise das Formu­lie­ren einer einheit­li­chen Berufs­ethik und die Bekämp­fung von beruf­li­chen Missstän­den.

Als Kernauf­gabe nennt das Sozial­mi­nis­te­rium Baden-Württem­berg die Steige­rung der Attrak­ti­vi­tät des Pflege­be­rufs. Dies gestal­tet sich aller­dings dadurch schwie­rig, dass die tarif­li­chen und gesetz­li­chen Rahmen­be­din­gun­gen für Pflege­kräfte zwischen Gewerk­schaf­ten, Arbeit­ge­ber­ver­bän­den und Gesetz­ge­ber ausge­han­delt werden.

Die Kammer kann also keinen direk­ten Einfluss nehmen, soll aber laut Sozial­mi­nis­te­rium „im konkre­ten Einzel­fall aktiv werden, etwa einen Arbeit­ge­ber durch Besuch eines ‚Ombuds­man­nes‘ oder einer ‚Ombuds­frau‘ auf bekannt gewor­dene Missstände hinwei­sen und eine Beratung zur Überwin­dung der Probleme anbie­ten.“

Legiti­miert wird sie dabei durch das Heilbe­rufe-Kammer­ge­setz, dass ihr den Auftrag zuschreibt, „die zustän­di­gen öffent­li­chen Stellen in Fragen der Normset­zung und Verwal­tung zu beraten und zu unter­stüt­zen sowie Sachver­stän­dige zu benen­nen“. Auch für die Quali­täts­si­che­rung soll die Kammer zustän­dig sein.

Dazu gehören sowohl die Förde­rung der Ausbil­dung wie auch die Förde­rung von Präven­ti­ons­maß­nah­men. Mittel­fris­tig soll die Pflege­kam­mer auch Fort- und Weiter­bil­dungs­auf­ga­ben überneh­men.

Für und Wider: Wird die Pflege­kam­mer gebraucht?

Das Thema Pflege­kam­mer polari­siert. Berufs­ver­bände wie der Deutsche Berufs­ver­band für Pflege­be­rufe (DBfK) sprechen sich klar für die Kammern aus, da verkam­merte Berufe in der Öffent­lich­keit und im politi­schen Raum verstärkt wahrge­nom­men würden. Das erhöhe die Wertschät­zung des Berufs und mache pflege­ri­sche Exper­tise in der Politik­be­ra­tung und Gesetz­ge­bung verfüg­bar. Die Verkam­me­rung fördere die beruf­li­che Identi­tät des Pflege­be­rufs.

Pflege­kam­mern bestehen nur aus Fachkräf­ten und geben so den Menschen in der Pflege die Möglich­keit, mit der Politik ins Gespräch zu kommen und Lobby­ar­beit im eigenen Inter­esse zu betrei­ben. Auch die Etablie­rung von Quali­täts­stan­dards, die finan­zi­elle Unabhän­gig­keit von berufs­frem­den Entschei­dern und die Beratung der Kammer­mit­glie­der in recht­li­chen Fragen sind Argumente, die für die Einrich­tung von Pflege­kam­mern sprechen.

Gegner kriti­sie­ren mangelnde Kompe­tenz

Die Gegner der Pflege­kam­mern sprechen in erster Linie deren mangelnde Kompe­ten­zen an. So kriti­siert die Gewerk­schaft ver.di, dass eine Pflege­kam­mer wenig zur Verbes­se­rung der Arbeits­be­din­gun­gen tun könne, da sie weder bei den Tarif­ver­hand­lun­gen noch bei der Perso­nal­be­schaf­fung die nötige Entschei­dungs­ge­walt hätte.

Ein weite­res Argument ist, dass das Kammer­mo­dell sich an den Bedürf­nis­sen freier Berufe ausrich­tet. Pflegende sind aber zum größten Teil angestellt, was auch bedeu­tet, dass die Pflege­kam­mer im Gegen­satz zu anderen Kammern keine Alters­vor­sorge anbie­tet – mit der Begrün­dung, dass mehr als 90% der zukünf­ti­gen Kammer­mit­glie­der in der gesetz­li­chen Renten­ver­si­che­rung versi­chert seien.

Auch die Verpflich­tung zur Mitglied­schaft ist vielen ein Dorn im Auge. Verpflich­tet sind dabei alle Pflege­fach­kräfte mit dreijäh­ri­ger Fachaus­bil­dung, die nicht nur vorüber­ge­hend in der Pflege tätig sind und ihren Beruf in Baden-Württem­berg ausüben.

Ist die Kammer einmal errich­tet, ist ein Wider­spruch gegen die Regis­trie­rung nur dann berech­tigt, wenn einer dieser Gründe nicht oder nicht mehr zutrifft. Proble­ma­tisch ist das, weil die Kammer sich selbst finan­zie­ren muss. Mit der Mitglied­schaft wird also auch ein Beitrag fällig, der monat­lich je nach Gehalt etwa sechs bis neun Euro betra­gen soll. Das ist vielen Pflege­kräf­ten zu hoch.

Wie geht es mit der Pflege­kam­mer weiter?

Grund­sätz­lich müssen mindes­tens 60 Prozent der Pflege­fach­kräfte in Baden-Württem­berg der Errich­tung der Pflege­kam­mer nicht wider­spre­chen. Der Gründungs­aus­schuss wird die zukünf­ti­gen Mitglie­der der Kammer per Brief über ihre Regis­trie­rung infor­mie­ren und sie auf die Möglich­keit hinwei­sen, eine Einwen­dung gegen die Regis­trie­rung einzu­le­gen.

Dafür haben sie sechs Wochen Zeit. Haben zum Stich­tag – das ist der 11. März 2024 – mehr als 40 Prozent der Pflicht­mit­glie­der eine Einwen­dung erhoben, wird keine Pflege­kam­mer errich­tet und der Gründungs­aus­schuss aufge­löst.