Pflegereform
Die Hoffnung auf ein Gelin­gen der Pflege­re­form Bild: Vchalup/Dreamstime.com

Eins hat die Pflege­re­form geschafft: Es kann sich niemand bevor­zugt fühlen. Denn alle gehen gleicher­ma­ßen leer aus. Die Reform bietet Klini­ken und Einrich­tun­gen keine Lösung für den Perso­nal­not­stand.

Statt dessen streicht sie die Mehrkos­ten für die Leihar­beit, ein Schritt, der Pflegende zurück zu den schlech­te­ren Arbeits­be­din­gun­gen in der Festan­stel­lung treiben soll. (Laut dieser Studie ist der Erfolg dieser Taktik mindes­tens zweifel­haft.)

Die Pflegende können keine Verbes­se­rung ihrer Arbeits­be­din­gun­gen erwar­ten. Denn der hohe Druck, unter dem sie arbei­ten, entsteht vor allem dadurch, dass es schlicht nicht genug Fachkräfte gibt, um offene Stellen zu beset­zen.

Diesen Mangel will die Pflege­re­form kompen­sie­ren, indem sie mehr Budget für das Anwer­ben von Pflege­per­so­nal aus dem Ausland sowie den Aufbau von Sprin­ger­pools in den Einrich­tun­gen ermög­licht. Natür­lich könnte beides mittel- bis langfris­tig funktio­nie­ren. Aber die verspro­chene „zügige und spürbare“ Entlas­tung der Pflegen­den ist das nicht.

Wertschät­zung, die nichts kosten darf

Auch das Armuts­ri­siko für pflege­be­dürf­tige Menschen besteht nach wie vor. Denn die Erhöhung von Zuschlä­gen für die statio­näre Pflege bedeu­tet in der Praxis, dass die monat­li­chen Kosten im ersten Jahr von derzeit 2.400 Euro im Bundes­durch­schnitt um etwa 100 Euro sinken. Finan­zi­elle Sicher­heit ist das nicht, genauso wenig wie die Erhöhung des Pflege­gel­des, die mit fünf Prozent ab 2024 noch nicht einmal die Infla­tion ausgleicht.

Aber vor allem die Gruppe, die von den Koali­ti­ons­part­nern immer wieder erwähnt wurde – nämlich die Menschen, die sich selbst um pflege­be­dürf­tige Angehö­rige kümmern – haben auch in Zukunft keine Unter­stüt­zung zu erwar­ten.

Während der Abstim­mung über das neue Gesetz wurde so oft betont, dass ohne den selbst­lo­sen Einsatz der Angehö­ri­gen die Pflege­ver­sor­gung zusam­men­bre­chen würde, dass man zumin­dest hier eine klare Entlas­tung erwar­tet hätte. Aber auch sie bleibt aus. Zwar konnte Lauter­bach das Entlas­tungs­bud­get von knapp 4.000 Euro im Jahr durch­set­zen, mit dem zum Beispiel ein kurzfris­ti­ger statio­nä­rer Aufent­halt finan­ziert werden kann.

Aber die Umset­zung hängt eben immer noch an der Frage, ob man für den pflege­be­dürf­ti­gen Menschen überhaupt einen Platz findet. Insge­samt erinnern die Hilfen für Angehö­rige ein bisschen an das Klatschen für die Pflege­kräfte während der Corona-Pande­mie: Ein Ausdruck von Wertschät­zung, der nichts kosten darf.

Pflege­re­form schei­tert an Uneinig­keit der Koali­tion

Auf dem Deutschen Ärzte­tag im Mai 2023 hatte Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) davon gespro­chen, das Gesund­heits­sys­tem zu entöko­no­mi­sie­ren: Die Ökono­mie dürfe nicht die Medizin dominie­ren. Umso schlim­mer, dass die Pflege­re­form an der mangeln­den Finan­zie­rung schei­tert.

Man könnte auch sagen: Sie schei­tert an der Uneinig­keit der Koali­tion. Denn Lauter­bachs ursprüng­li­che Pläne sahen vor, die Pflege­ver­si­che­rung zu einer Bürger­ver­si­che­rung umzubauen, die alle Kosten tragen sollte. Auch die Anhebung der Beitrags­be­mes­sungs­grenze, die die Beiträge von Spitzen­ver­die­nern beschränkt, kam nicht durch. In diesen Punkten setzte sich der Koali­ti­ons­part­ner FDP durch, der auch den Einsatz von Steuer­mit­teln zur Finan­zie­rung der Reform blockiert hat.

Kritik, aber keine Lösun­gen

Die Opposi­tion hat viel Kritik, aber keine brauch­ba­ren Lösun­gen: Tino Sorge, Gesund­heits­po­li­ti­scher Sprecher der CDU, drückte sich im Inter­view mit ntv um die konkrete Beant­wor­tung der Frage, welche Inves­ti­tio­nen für gute Pflege notwen­dig seien. Auch den Hinweis, dass sein Partei­kol­lege Jens Spahn während seiner Zeit als Gesund­heits­mi­nis­ter ebenfalls versäumt hatte, das Pflege­geld für pflegende Angehö­rige in der vergan­ge­nen Legis­la­tur­pe­ri­ode anzuhe­ben, hört er nicht gern.

Statt dessen setzt die CDU auf mehr Eigen­ver­ant­wor­tung der Versi­cher­ten: Die Pflege­ver­si­che­rung sei immer als Teilleis­tung geplant worden. Deshalb müsse man einfach jünge­ren Menschen klarma­chen, dass die Pflege­be­dürf­tig­keit ein vorher­sag­ba­res Lebens­ri­siko sei. Sie sollten früher anfan­gen, über private Versi­che­run­gen vorzu­sor­gen. Auch die Arbeit­ge­ber könnten animiert werden, steuer­lich vergüns­tigte Leistun­gen anzubie­ten. Man sieht, dass die CDU Selbst­stän­dige nicht als ihre Kernwäh­ler ansieht.

Und so wird die große Reform dann doch noch mal verscho­ben: Nächs­tes Jahr will Lauter­bach die Entlas­tung der Pflege mit breite­rer Finan­zie­rung weiter ausbauen. Ob die Koali­ti­ons­part­ner bis dahin an einem Strang ziehen?