Kaufvertrag
Ein Merce­des E 300 für 5.555 Euro? Ein echtes Schnäpp­chen! Im Fall eines Heimmit­ar­bei­ters wurde der Kaufver­trag aller­dings für sitten­wid­rig erklärt. Bild: © Emirhan Karamuk | Dreamstime.com

Neuwa­gen zum Schleu­der­preis? Nachlass­pfle­ger greift ein!

Im Zentrum des Falls: ein Haustech­ni­ker einer Senio­ren­re­si­denz und ein schwer­kran­ker Bewoh­ner, geboren 1936. Der betagte Mann, bereits gezeich­net von Diabe­tes und einem Hirntu­mor, soll am 2. März 2023 sein Auto – ein hochwer­ti­ger Merce­des mit einem Markt­wert von 52.000 Euro – für nur 5.555 Euro an den Haustech­ni­ker verkauft haben. Wenige Wochen später, am 20. März, verstarb der Senior.

Der Nachlass­pfle­ger des Mannes machte dem Heimmit­ar­bei­ter aller­dings einen Strich durch die Rechnung: Er weigerte sich, das Fahrzeug heraus­zu­ge­ben. Dagegen wehrte sich der Heimmit­ar­bei­ter mit einer Klage.

Er sah sich durch den Kaufver­trag mit dem schwer­kran­ken Heimbe­woh­ner im Recht – er habe damit das Fahrzeug recht­mä­ßig erwor­ben. Vom Nachlass­pfle­ger forderte er deshalb, dass er den Merce­des E 300 heraus­gibt und ihm übereig­net. Der Preis war zwar tatsäch­lich niedrig, aber eben Ausdruck der freien Entschei­dung des Seniors, so der Heimmit­ar­bei­ter. Vor Gericht hatte er mit dieser Darstel­lung keinen Erfolg.

Schen­kung oder Kaufver­trag?

Schon das LG Lüneburg hatte der Klage eine Absage erteilt. Das OLG Celle korri­gierte das Urteil der ersten Instanz dann – Auswir­kun­gen auf das Ergeb­nis hatte das aber nicht: Demnach liege keine Schen­kung im recht­li­chen Sinne vor. Von einer gemisch­ten Schen­kung war noch das Landge­richt ausge­gan­gen – dafür hätten sich aber Bewoh­ner und Heimmit­ar­bei­ter ausdrück­lich über eine unent­gelt­li­che Zuwen­dung einigen müssen, was nicht der Fall war, so das OLG. Der Haustech­ni­ker hatte selbst betont, dass er kein Geschenk anneh­men wollte.

Statt­des­sen erkannte das Gericht einen Kaufver­trag zwischen den beiden Parteien. Hier liege aber auch das Problem: Ein solcher Vertrag ist sitten­wid­rig, wenn ein „krasses Missver­hält­nis“ zwischen Leistung und Gegen­leis­tung besteht. Und das war laut Gericht hier der Fall: Ein Neuwa­gen zum Schleu­der­preis – rund 9,4‑mal weniger als sein Markt­wert.

Doch nicht nur das Äquiva­lenz­miss­ver­hält­nis an sich war entschei­dend. Hinzu kam, dass der Techni­ker um den Gesund­heits­zu­stand des Seniors wusste. Aus der Gesamt­wür­di­gung der Umstände kann nichts für den Kläger gewon­nen werden, so das Gericht.

Auch die vom Kläger angeführ­ten handwerk­li­chen Dienste, die er für den Verstor­be­nen geleis­tet hatte, überzeug­ten das Gericht nicht: Diese seien ganz regulär über das Heim abgerech­net worden.

Keine freie Entschei­dung im Sinne der Privat­au­to­no­mie

Das Gericht bewerte den Kaufver­trag am Ende als sitten­wid­rig und damit nichtig. Der Techni­ker hat keinen Anspruch auf das Auto. Die Privat­au­to­no­mie, also das Recht, Verträge frei zu gestal­ten, greift in diesem Fall nicht, weil sie dort endet, wo eine Partei die Schwä­che oder Hilflo­sig­keit der anderen ausnutzt. Zur Sitten­wid­rig­keit heißt es in § 138 BGB:

Bürger­li­ches Gesetz­buch (BGB) § 138 Sitten­wid­ri­ges Rechts­ge­schäft; Wucher

(2) Nichtig ist insbe­son­dere ein Rechts­ge­schäft, durch das jemand unter Ausbeu­tung der Zwangs­lage, der Unerfah­ren­heit, des Mangels an Urteils­ver­mö­gen oder der erheb­li­chen Willens­schwä­chung eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermö­gens­vor­teile verspre­chen oder gewäh­ren lässt, die in einem auffäl­li­gen Missver­hält­nis zu der Leistung stehen.

Da der Heimbe­woh­ner schwer krank und dem Heimmit­ar­bei­ter gesund­heit­lich sowie sozial unter­le­gen war, war keine echte Verhand­lungs­frei­heit gegeben.

Quelle: OLG Celle vom 14.4.2025 – 6 U 26/24